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Kultur

Yi Tae-jun: „Paegangnaeng - Der kalte Fluss“ (1938)

2023-09-05

ⓒ Getty Images Bank
Der Paegang war eisig kalt. Vom Bubyeongnu-Pavillon aus betrachtet, wirkte er nicht wie Wasser, sondern wie Glas. Er glaube, grünliche Wasserpflanzen zu erkennen, und auch eine einzelne Schmerle, die versteckt zwischen den Kieselsteinen lag. Das Wasser floss, aber kein Geräusch war zu hören. 
Das seidige Wasser floss unter der Brücke hindurch und schlängelte sich um die Chongnyu-Klippe, bevor es in einem Feld mit wilden Rosen verschwand, wo der Himmel und das Wasser vom Abendlicht gefärbt waren. 
Hyeon warf die Zigarette weg, die er geraucht hatte, und knöpfte seine Jacke zu. Die Ahornblätter begannen gerade erst, sich zu verfärben, aber das Wetter war schon so frostig, dass es einen in die Finger biss. 
„Warum sieht die Natur von Joseon so traurig aus?“, fragte sich Hyeon.


Er schaute aus dem Taxifenster auf die Straßen der Stadt. Es gab eine ganze Reihe neuer Gebäude, die er noch nicht gesehen hatte. Was ihn besonders beeindruckte, war aber nicht die Backsteinfabrik an der breiten Chaussee oder das Gefängnis, sondern ein roter Backsteinbau, der einem großen Grabhügel ähnelte. Hyeon fragte den Taxifahrer, was dies für ein Gebäude sei. Eine Polizeistation, bekam er zur Antwort. Auch fiel ihm auf, dass die Frauen, anders als früher, keine Kopftücher mehr trugen. 
„Gut, dass diese Kopftücher verschwunden sind. Pjöngjang ist jetzt nicht anders als Seoul“, sagte der Fahrer mit einem gewissen Stolz, von dem unklar war, woher der denn rührte.


Hyeon hatte die Kopftücher der Frauen in Pjöngjang immer gemocht. Sie wirkten einfach und doch lebendig, wie weiße Schmetterlinge. Das Haarband, leicht herabhängend, wie eine Rose, und der fröhliche Dialekt, das machte die einzigartige Schönheit der Frauen von Pjöngjang aus.
Dass er diese Schönheit hier nicht mehr sehen konnte, war ein weiteres Zeichen, dass die Stadt zugrunde ging, und dies machte ihn noch trauriger.



Yi Tae-jun(1904-?): „Paegangnaeng - Der kalte Fluss“ (1938)

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