Q: Wie wird in Korea Seollal, das traditionelle Neujahrsfest nach Mondkalender, gefeiert?

A: Zunächst einmal: Seollal wird wie auch das Erntedankfest Chuseok mit drei Feiertagen gefeiert, was schon die Bedeutung dieses Festtags herausstreicht. 1895, als sich das Einsiedler-Königreich Joseon unter dem Druck der westlichen Mächte öffnen musste, wurde auch der Gregorianische Sonnenkalender eingeführt. Die wichtigen Feiertage wie Erntedank und Neujahr richten sich aber bis heute immer noch nach dem Mondkalender und sind damit im Sonnenkalender beweglich. Neujahr nach Mondkalender fällt gewöhnlich auf den zweiten Neumondtag nach der Wintersonnenwende, was bedeutet, dass der Jahresanfang nach Mondkalender meist zwischen dem 21. Januar und dem 19. Februar nach Sonnenkalender liegt. 2017 ist es der 28. Januar.

In allen Ländern, in denen Neujahr nach dem Mondkalender gefeiert wird, ist dieser Festtag ein großer Anlass zum Schenken, und zwar weit über den Familienkreis von Eltern, Großeltern, Onkeln und Tanten hinaus. Beschenkt werden alle, denen man Respekt und Dank entgegenbringen sollte bzw. deren Gunst man sich erhalten möchte wie ehemalige Lehrer und Professoren, wichtige Geschäftspartner und Gönner aller Art. Auch in diesem Jahr herrscht in der Woche vor Seollal-Neujahr entsprechend Hochbetrieb auf Koreas Märkten und in den Kaufhäusern. Dort häufen sich die dekorativen Geschenkpakete mit Fisch und Fleisch, traditionellen Snacks, Obst, Honig, Ginseng und alle Sorten von Gesundheits- oder Schönheitsprodukten. Gern geschenkt werden auch Geschenkgutscheine der Kaufhäuser und Geld. Die Etikette verlangt jedoch, dass die Banknoten neu sind. Die Banken stellen sich auch an den Automaten entsprechend auf den erhöhten Bedarf ein.

Das im letzten Jahr eingeführte Kim-Youngran-Gesetz zur Eindämmung von Korruption macht sich allerdings in Bezug auf den Umsatz etwas bemerkbar. Nach diesem Gesetz dürfen Geschenke für Personen, die öffentliche Ämter bekleiden - auch Lehrer und Professoren fallen darunter - 50.000 Won, umgerechnet knapp 40 Euro, nicht überschreiten. Damit ist es vorbei mit teuren Weinen oder Cognacs, aber auch mit Geschenkpaketen von 10 Trockenfischen für 215 Euro oder 4kg Rindfleisch von koreanischen Hanu-Rindern für knapp 250 Euro. Das Gesetz trat erst am 28. September 2016 in Kraft, eine Lockerung für März 2017 ist allerdings schon im Gespräch, um die Wirtschaft anzukurbeln. Denn neben der Geschenkeindustrie leidet auch das Restaurant- und Gastgewerbe, da Essenseinladungen auf 30.000 Won pro Person beschränkt sind.

An Seollal ist auf Koreas Straßen und Autobahnen einiges los, denn Neujahr ist ein typisches Familienfest, an dem man seinen Heimatort und die Verwandten dort besucht. Es herrscht ein entsprechender Kampf um Zug- und Busfahrkarten, um die ermüdenden Fahrten auf oft verstauten Autobahnen und Straßen zu vermeiden. Auch ein Besuch der Gräber von Eltern und Großeltern ist angesagt, wobei traditionelle Speisen und Alkohol – meist der Reiswein Makgeolli, aber ggf. auch die stärkere Variante Soju - als Opfergaben dargebracht werden, verbunden mit Dank für den Schutz der Ahnen im letzten Jahr und Bitten für weiteren Schutz im neuen Jahr. Dieser traditionelle Brauch wird hauptsächlich von Familien mit konfuzianistischem, buddhistischen oder katholischem Hintergrund durchgeführt, gläubige koreanische Protestanten lehnen die Ahnenverehrungsriten an den Todestagen und den hohen Feiertagen Chuseok-Erntedankfest und Seollal-Neujahrsfest ab.

Die Vorbereitungen für die Ahnenfeier am Neujahrsmorgen selbst beginnen oft schon vor Tagesanbruch, auch wenn die Speisen bereits größtenteils am Tag zuvor zubereitet wurden. Traditionell gab es früher am Neujahrsmorgen v.a. für die Kinder ein Set neuer Kleider. Heute gibt es oft nur noch Socken als symbolisches Geschenk. Und während früher die traditionelle koreanische Tracht Hanbok an Seollal ein Muss war, wird sie heute oft nur noch zur Ahnenverehrungszeremonie getragen. Ausgenommen sind vielleicht die Kinder, frisch verheiratete Paare beim obligatorischen Neujahrsbesuch der Eltern bzw. Schwiegereltern und Senioren und Traditionalisten.

Der Neujahrsmorgen beginnt mit der Ahnenverehrungszeremonie. Den Ahnen, also den verstorbenen Eltern, Großeltern und Urgroßeltern männlicherseits - normalerweise geht man drei Generationen zurück - werden Opfergaben dargebracht. Am Neujahrstag sind dabei typische Speisen Reiskuchensuppe, gekochte Rindfleischscheiben und Reis- oder Persimonenpunsch zum Nachtisch. Wie bei den Ahnenverehrungszeremonien z.B. zum Sterbetag gibt es darüber hinaus aber auch noch marinierte Rinderrippen, verschiedene Sorten gedünsteten Fisch, Eier, Gemüse in den Farben weiß, grün und braun, mehrere Kimchisorten, kleine Pfannkuchen mit Gemüse oder Meeresfrüchten, und die sehr arbeitsaufwändigen Jeon – das sind dünne Scheiben von Fleisch, Fisch, Leber sowie Fleisch-Pilz-Spieße oder Gemüse-Fisch-Spieße, alles jeweils im Eimantel gebraten. Ebenfalls auf den Ahnentisch kommen Kastanien, Jujuben und verschiedene Obstsorten, traditionelles koreanisches Gebäck und Reiskuchen. Wer sich so einen Ahnenverehrungstafel einmal anschauen möchte, kann das auf dem Facebook Account auf der Webseite von KBS WR.

Wenn man eine Schüssel Reiskuchensuppe, die traditionelle Neujahrsspeise, gegessen hat, bedeutet das übrigens, dass man ein Jahr älter geworden ist, selbst wenn man erst einen Tag vor Seollal geboren wurde, sodass aus einem zwei Tage alten Baby gleich ein Jahr altes Kind wird. Nach dem Frühstück verbeugen sich die Kinder vor den Eltern und Großeltern. Die Eltern sprechen ihre guten Wünsche und Hoffnungen fürs neue Jahr aus. Dieser Neujahrsgruß ist auch bei den erwachsenen, verheirateten Kindern noch beliebt, bei kleinen Kindern und Jugendlichen aber besonders, weil es Sebae-ton gibt, Neujahrsgeld als Geschenk zur Aufbesserung der Haushalts- oder Taschengeldkasse.