Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Lifestyle

Kranich in Korea

#Sie fragen, wir antworten l 2018-02-17

Hörerecke

Q:Am Kelbra-Stausee befindet sich der drittgrößte Rastplatz für Kraniche in Deutschland, die dort auf ihrem Weg nach Spanien zwischenlanden. In diesem Kontext interessiert mich, inwieweit Kraniche aus den östlichsten Gebieten Sibiriens im Winterhalbjahr bis nach Korea gelangen bzw. ob in Korea überhaupt eine nennenswerte Population von Kranichen existiert?

A: Tatsächlich sind Kraniche auch heute noch auf der koreanischen Halbinsel zu sehen. Da ist zunächst einmal der Rotkronenkranich, auch als Mandschurenkranich bekannt. Es ist die in der ostasiatischen Kunst am häufigsten zu sehende Kranichart. Ein Grund dafür ist, dass die chinesischen Philosophen in dem Schwarzmuster der gespreizten Flügel des Rotnackenkranichs ein Abbild des Yin-und-Yang-Prinzips sahen, also des Männlichen und des Weiblichen. Entsprechend oft finden sich Kraniche auf koreanischen Hanbok-Kleidern oder auf Wandschirmen gestickt bzw. gemalt, aber auch auf Holzschnitten und Schriftrollen. Der Rotkronenkranich war in ganz Asien, und hier insbesondere in Japan, auch Jagdobjekt. Bereits Ende des 19. Jhs waren die Bestände in Japan so dezimiert, dass man glaubte, er sei ausgerottet und Anfang des 20. Jhs sollen die Rotnackenkraniche auf Hokkaido verschwunden sein. Als dann 1924 erstmals wieder einige Exemplare gesichtet wurden, wurde die Kranichjagd verboten und der Kranich in Japan zum Nationaldenkmal erklärt.

Der Rotnackenkranich überlebte also, gehört mit einer Popoulation von weniger als 3.000 heutzutage aber zu dem vom Aussterben bedrohten Arten. Von den beiden Hauptpopulationen lebt die eine ganzjährig auf der Insel Hokkaido, die andere brütet in den Feuchtgebieten der Flüsse Amur und Ussuri im Südosten Russlands und Nordchinas. Von dort ziehen die Vögel bei Einbruch der kalten Jahreszeit an die Küstengebiete in der chinesischen Provinz Jiangsu und auf die Koreanische Halbinsel. Mit dem Waffenstillstand, mit dem 1953 der Koreakrieg zu Ende ging, wurde die DMZ quasi ungewollt zu einem Refugium für bedrohte Tier- und auch Pflanzenarten. Denn die heutige Demilitarisierte Zone, die einst dicht besiedeltes und landwirtschaftlich intensiv genutztes Gebiet war, wurde weitestgehend der Natur überlassen, sodass Bäume und Grasflächen Bauernkaten und Reisfelder ersetzten. Im Norden und Süden stehen sich zwar Truppen gegenüber und im Gebiet dazwischen gibt es Panzerfallen, Landminen und Infiltrationstunnel, aber Tiere, die wie der Asiatische Schwarzbär, die in den übrigen Teilen der Koreanischen Halbinsel ausgestorben sind, haben hier ein Rückzugsgebiet gefunden. Das gilt auch für Kraniche.
1961 meldete ein amerikanischer Soldat, dass über 2.000 Weißnackenkraniche auf ihrem Flug nach Süden in der DMZ Rast gemacht hatten. Danach wurden Weißnackenkraniche und Rotnackenkraniche beim Brüten im Mündungsgebiet der Flüsse Han-gang und Imjin-gang, die in der Nähe von Seoul ins Westmeer fließen, gesehen. Und auch im Tal von Panmunjeom in der DMZ wurden Kraniche gesichtet. In den frühen 1970er Jahren wurden beide Kranicharten in der Cheorwon Ebene entdeckt, von der ein Teil innerhalb der DMZ liegt und zur Zivilen Kontrollzone CCZ gehört. Die CCZ ist eine südlich der DMZ verlaufende Pufferzone, in der den Bewohnern landwirtschaftliche Nutzung erlaubt ist, der Zugang der allgemeinen Öffentlichkeit jedoch beschränkt. In der Cheorwon-Ebene bzw. in der näheren Umgebung überwintern an die 800 Rotnackenkraniche und an die 1.500 Weißnackenkraniche.

George Archibald, Mitbegründer der Internationalen Kranichstiftung in Baraboo, Wisconsin, und eine Autorität in Sachen Kraniche, meint, dass die Vögel eine Vorliebe für umstrittene Gebiete hätten. Er besuchte die Kraniche in der DMZ zum ersten Mal 1974. Mit Blick darauf, dass die Kranichhabitate in anderen Teilen Südkoreas durch die rasante Entwicklung stark zerstört worden seien, plädierte er dafür, dass die DMZ in ein Öko-Reservat umgewandelt werden sollte. Denn im Falle einer Wiedervereinigung dürfte der Druck zur Entwicklung der DMZ enorm werden, was die Winterquartiere der Kraniche gefährden würde.
Archibald dachte vorausschauend und richtete dabei seinen Blick auch auf die Anbyeon-Ebene in Nordkorea, wo früher rund 250 Rotnackenkraniche überwinterten. Bei einem Treffen in Peking 2005 informierten nordkoreanische Wissenschaftler Archibald über den Rückgang der Kranichpopulation bedingt durch häufige Dürren, die in den 1990er Jahren im Norden gut eine Million Menschen das Leben kosteten. Die Kraniche, die zuvor in der Anbyeon-Ebene Halt gemacht hatten, flogen von da an direkt in die DMZ. Archibald konnte die selbst hungernden Nordkoreaner schlecht einfach um Hilfe für die Kraniche bitten. Aber er wusste, dass er den Kranichen helfen konnte, wenn er zunächst den Menschen half. 2008 reiste er mit einer Spende von 3000 Aprikosen-, Persimonen- und Pflaumensetzlingen im Gepäck nach Nordkorea. Die Bäume lieferten nicht nur Früchte, sondern halfen auch die fortschreitende Bodenerosion stoppen. Um die Kraniche wieder anzukocken, lieh der Zentralzoo in Pjönjang Archibald ein Rotnackenkranich-Paar. Jetzt hieß es abwarten.
Im November 2009 kam die Erfolgsnachricht von den Kollegen im Norden: Hunderte von Rotnackenkranichen waren über die Anbyeon-Ebene geflogen, 13 landeten in dem Feld mit dem gespendeten Kranichpaar. Am nächsten Tag waren es bereits 41. Es waren die ersten Kraniche in Anbyeon in über zehn Jahren. Unterstützung für das Projekt war jedoch eine delikate Sache, denn die Nordamerikanische Akademie der Wissenschaften, die für das Projekt zuständig war, konnte keine direkte Hilfe von seiten der amerikanischen oder koreanischen Regierung annehmen. Also sprangen Privatpersonen oder NGOs wie die Internationale Kranich-Stiftung ein. Dieser Unterstützung ist es größtenteils zu verdanken, dass Kraniche auf der Koreanischen Halbinsel heutzutage noch zu finden sind.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >