Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Immer mehr Überwachungskameras in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2025-05-07

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ KBS News

Die Medien in Nordkorea betonen zunehmend die Bedeutung der Digitalisierung.

Es heißt, dass die Arbeiterpartei konsequent eine Politik verfolgt, die digitalen Technologien Vorrang einräumt. Mittlerweile hat die Digitalisierung nach und nach verschiedene Aspekte der nordkoreanischen Gesellschaft verändert. Ein sichtbarer Ausdruck davon ist die weit verbreitete Installation von Überwachungskameras. Welche Ziele liegen hinter dem aggressiven Einsatz von Überwachungstechnologien in Nordkorea?

Heute sprechen wir mit Lee Young-jong, dem Direktor des Zentrums für Nordkoreastudien am Koreanischen Forschungsinstitut für Nationale Strategie, über Videoüberwachungskameras in Nordkorea.

Im November letzten Jahres berichteten die nordkoreanischen Medien über den Bau und die Renovierung von über tausend Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten, wobei eine neu gebaute Schule besonders hervorgehoben wurde.

An dieser neuen Schule, die von den Medien mit großer Begeisterung vorgestellt wurde, wurden Überwachungskameras gesichtet.

In Südkorea würde die Installation von Überwachungskameras an Schulen wahrscheinlich auf erheblichen Widerstand stoßen, da viele der Meinung sind, dass so etwas die Privatsphäre von Lehrern und Schülern verletzen würde.

Im November 2024 wurde Berichten zufolge die Songga Senior Middle School, eine Art Oberschule, in Pjöngjang fertiggestellt. Dort sind überall an den Decken Überwachungskameras angebracht. Die Installation von Überwachungssystemen in Klassenzimmern ist ungewöhnlich, da solche Technik normalerweise auf Bereiche mit teuren Geräten wie Musikräume oder Naturkunde-Labors beschränkt ist. Nordkorea scheint hervorheben zu wollen, dass derart fortschrittliche Technologie auch in Bildungseinrichtungen ganz normal sein soll. Von außen betrachtet sieht das jedoch stark nach einer verstärkten Überwachung der Nordkoreaner durch das Regime aus.

In Südkorea sind Videoüberwachungskameras häufig umstritten, wegen möglicher Verletzungen von Menschenrechten und der persönlichen Privatsphäre.

In einer neu errichteten Schule in Nordkorea aber wurden Überwachungskameras in Klassenräumen installiert. Videoclips auf Nordkoreas offiziellen Nachrichtenkanälen zeigen ähnliche Kamerainstallationen auch in einer anderen Schule.

Schulen in Nordkorea verfolgen nicht nur die traditionellen Bildungsziele, sondern dienen auch als wichtige Instrumente zur Aufrechterhaltung des Regimes. Die Einführung von Überwachungskameras in Schulen hat weitreichende Auswirkungen.

Nordkorea überwacht seine eigenen Einwohner seit langem durch Selbstkritiksitzungen und Nachbarschaftseinheiten, genannt Inminban (인민반). Traditionell überwachten die Anführer der Inminbans die Dorfbewohner über ein menschliches Netzwerk. Sie kennen jedes Detail in jedem Haushalt. Sie melden jede Einzelheit und überwachen so alles, das die Autorität und Stabilität des Regimes in Frage stellen könnte.

Ein Inminban besteht in der Regel aus 20 bis 40 Haushalten, wobei ein ernannter Leiter die anderen Mitglieder beaufsichtigt. Die Hauptaufgabe der Inminban-Führer besteht darin, selbst die intimsten Aspekte des Privatlebens der Bewohner zu überwachen. Diese Nachbarschaftseinheiten werden von staatlichen Behörden wie dem Ministerium für Staatssicherheit und dem Ministerium für soziale Sicherheit kontrolliert. Sie führen stichprobenartig Handykontrollen durch, kommen unerwartet vorbei und verhören die Leute.

In der Vergangenheit hat sich Nordkorea vor allem auf menschliche Überwachungsnetze verlassen. Das Herzstück dieses Systems sind die inminban, was übersetzt „Volkseinheit“ bedeutet, eine Art Nachbarschaftswache, praktisch die kleinste Verwaltungseinheit des Landes. Jedes inminban wird von einem Anführer geleitet, der für die Überwachung der Anwohner zuständig ist.

Die Inimban-Führer sind mit den Lebensumständen der einzelnen Haushalte bestens vertraut und fungieren als Überwachungsagenten an vorderster Front, um die Einwohner zu beobachten.

In jüngster Zeit wurden digitale Technologien eingeführt, um die Überwachung und Kontrolle der Einwohner noch weiter zu verbessern.

Nordkorea hat großes Interesse an Spitzentechnologie, und an der Technischen Universität Kim Chaek und der Kim Il-sung-Universität gibt es fähige Experten. Tatsächlich hat das Land in einigen technologischen Bereichen beeindruckende Fortschritte gemacht, auch wenn finanzielle Zwänge die breite Verbreitung dieser Technologien in der Industrie und im Privatsektor verhindern.

Es gibt in Nordkorea fortschrittliche Technologien zur Gesichtserkennung, zur Identifizierung von Kfz-Kennzeichen und zur Personenverfolgung. Sie dienen in erster Linie der Verstärkung der staatlichen Kontrolle und zur Aufrechterhaltung des Regimes. Nordkorea begann 2014 mit dem Aufbau eines Entwicklungszentrums für fortschrittliche Technologie, das auf Sprach- und Texterkennung, Simultandolmetschen, Big-Data-Analyse und mehr spezialisiert ist.

Derartige technologische Entwicklungen haben bei internationalen Menschenrechtsorganisationen Besorgnis ausgelöst. Diese Gruppen argumentieren, dass solche Technologien vom autoritären Regime als Instrumente zur Festigung der diktatorischen Herrschaft und der politischen Kontrolle genutzt werden, anstatt die individuellen Freiheiten zu fördern.  

Nordkorea hat biometrische Technologien seit den 1990er Jahren kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Kim-Il-sung-Universität gilt als Nordkoreas führende akademische Institution. Dort wurde 2020 erfolgreich eine KI-gestützte Technologie zur Erkennung von Kfz-Kennzeichen in Echtzeit entwickelt. Im selben Jahr stellte das Land auch das Smartphone „Jindallae 7“ mit biometrischen Funktionen vor.

Derartige Geräte werden von Frauen als Ringe oder Armbänder getragen und signalisieren mit einem Ton, wenn das Smartphone einen Anruf oder eine Textnachricht empfängt.

Die fortschreitende Verbreitung digitaler Technologien bedeutet für die Nordkoreaner mehr Bequemlichkeit in ihrem täglichen Leben. Dieser technologische Fortschritt hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Das staatliche Überwachungsnetz zur Kontrolle der Einwohner wird immer dichter und durchgreifender.

Ich reise häufig in die Grenzgebiete zwischen Nordkorea und China, um Interviews mit nordkoreanischen Überläufern zu führen. In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren konnten Nordkoreaner die Grenze relativ ungehindert heimlich überqueren, und Schmuggel war leicht möglich.

Unter der Herrschaft von Kim Jong-un ist der Grenzübertritt jedoch zunehmend schwieriger geworden. Nordkorea hat dichte Stacheldrahtzäune entlang der Grenze errichtet und Überwachungskameras aufgestellt, so dass Überläufer an Ort und Stelle leicht aufgespürt werden können. Selbst wenn es jemandem gelingt, die Grenze zu überqueren, können die chinesischen oder nordkoreanischen Behörden das Videomaterial auswerten und die Personen identifizieren. Die Behörden können dann den Fluchtweg der Überläufer effektiv verfolgen und sie leichter aufspüren.

In diesen Tagen hat Nordkorea seine Überwachungsinfrastruktur durch die Installation neuer Kameras weiter ausgebaut.

Hinweise für Nordkoreas verstärkte digitale Überwachung wurden auch in lokalen Fabriken gefunden.

In zahlreichen großen Fabriken in Nordkorea werden derzeit Überwachungskameras installiert. Während des sogenannten „Mühsamen Marsches“, der großen Hungersnot in den 1990er Jahren, demontierten Arbeiter die Anlagen von Fabriken, die ihren Betrieb eingestellt hatten, und verkauften die Maschinen als Schrott nach China. Durch die Installation von Überwachungskameras in den Fabriken können die nordkoreanischen Behörden nun verhindern, dass Rohstoffe, Treibstoff oder Produktionsanlagen gestohlen werden.

Seit 2017 wurden auch Überwachungskameras entlang der Autobahnen und Hauptstraßen in Pjöngjang installiert, die es den Behörden ermöglichen, unbefugte Personen zu identifizieren, die versuchen, aus den umliegenden Gebieten in die Hauptstadt zu gelangen.

Ursprünglich waren die Überwachungskameras ausschließlich in der Nähe des Kim-Il-sung-Platzes angebracht. Inzwischen haben sie sich jedoch auf Autobahnen, Pjöngjangs Hauptstraßen, Bahngleise und wichtige Kreuzungen ausgebreitet.

Wir haben bereits darüber berichtet, dass Nordkorea im Rahmen der von Staatschef Kim Jong-un für 2024 angekündigten „20x10 Regionalentwicklungspolitik“ jedes Jahr in 20 Städten und Landkreisen moderne Fabriken errichtet.

Die Anwohner freuen sich zwar über die neu errichteten Fabriken, aber in vielen dieser Einrichtungen werden neue Kameras zur Überwachung der Maschinen und des Produktionsprozesses sowie zur Kontrolle der Arbeiter eingesetzt. Was sind die Gründe für die weit verbreitete Installation von Überwachungskameras in Nordkorea?

Wenn die Einwohner Nordkoreas nicht unter strenger staatlicher Kontrolle stünden, könnten sie neugierig auf Südkorea werden und eine kritische Haltung gegenüber dem Regime entwickeln und möglicherweise organisierten Widerstand leisten. Vor allem, wenn sie Verbindungen zu ausländischen Gruppen knüpfen, die sich gegen Nordkorea stellen, wird die Regierung sie als ernsthafte Bedrohung für das Regime ansehen. Nordkorea scheint darauf bedacht zu sein, seine drei Generationen umfassende Erbdiktatur zu schützen. Zu diesem Zweck will es seine Einwohner durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien wie Überwachungskameras und KI umfassender überwachen.

Für Nordkorea ist es nicht einfach, Videoüberwachungssysteme zu unterhalten, da das Land Probleme mit der Strominfrastruktur und der Internetverbindung hat. Dennoch verfolgt das Regime unter dem Deckmantel der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung beharrlich die Installation von Kameras zur Überwachung und Unterdrückung der Bevölkerung.

Darüber hinaus könnten die aufkommenden elektronischen Zahlungssysteme mit QR-Codes als zusätzliches Instrument für die Einwohnerüberwachung dienen.

Denn elektronische Zahlungssysteme halten automatisch den Zeitpunkt und den Ort jeder Transaktion fest und liefern so einen nachverfolgbaren Beleg.

Die Dokumentenverarbeitung hat sich seit der Computerisierung stark weiterentwickelt und umfasst nun auch biometrische Technologie und KI. So wird es immer einfacher, die Leute zu kontrollieren. Bei menschlichen Observationen oder Razzien durch öffentliche Sicherheitsbehörden kann es immer Schlupflöcher geben, aber dem allsehenden Auge der Videoüberwachung kann man praktisch nicht mehr entkommen.

Außerdem wissen die Nordkoreaner kaum etwas über kritische Details, z.B. darüber, wie lange das Videomaterial gespeichert wird. Dieser Mangel an Transparenz macht sie noch ängstlicher. Auch elektronische Zahlungsplattformen hinterlassen digitale Fußabdrücke, die die Bewegungen und Aktivitäten einer Person genauestens aufzeichnen.

Die Entwicklung der digitalen Technologien in Nordkorea könnte durchaus Chancen für die Einwohner bieten. Experten betonen jedoch die wachsenden Möglichkeiten des Regimes zur alltäglichen Überwachung der Bevölkerung.

Digitale Technologien durchdringen Nordkorea immer weiter und ermöglichen es dem Regime, jede Bewegung seiner Einwohner noch genauer zu überwachen und zu verfolgen. Die entscheidende Frage bleibt, ob dieser technologische Fortschritt in erster Linie als Instrument zur Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung genutzt wird oder tatsächlich darauf hinausläuft, die öffentliche und auch private Sicherheit der Nordkoreaner zu verbessern. 

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >