Am 16. April 2014 sank die Fähre „Sewol“ auf ihrer Fahrt von Incheon nach Jeju vor der südwestlichen Insel Jindo. Von den 476 Menschen an Bord konnten nur 172 gerettet werden. 304 Menschen kamen ums Leben oder gelten bis heute als vermisst. Die meisten Opfer waren Schüler und Lehrkräfte der Danwon-Oberschule in der Stadt Ansan, die sich auf einem Schulausflug befanden.
Dass die Tragödie derart verheerende Ausmaße annahm, lag an einer Reihe folgenschwerer Fehlentscheidungen. Als das Schiff zu kippen begann, wurde den Passagieren per Lautsprecher angeordnet, an Ort und Stelle zu bleiben. Während Hunderte diesen Anweisungen folgten und in ihren Kabinen verharrten, verließen Kapitän und Crewmitglieder das sinkende Schiff. Auch die anschließende Rettungsaktion verlief chaotisch. Zwar war die Küstenwache schnell vor Ort, doch eine Fehleinschätzung des verantwortlichen Kommandeurs kostete die entscheidende „goldene Stunde“ für die Rettung. Spätere Ermittlungen brachten weitere eklatante Versäumnisse ans Licht. Ein abrupter Kurswechsel, Überladung, mangelhafte Ladungssicherung sowie unsachgemäße Umbauten hatten die Stabilität der Fähre erheblich beeinträchtigt. Der Kapitän wurde schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt, auch Verantwortliche der Reederei mussten sich vor Gericht verantworten. Der Schiffseigner Yoo Byung-eun, der per Haftbefehl gesucht wurde, wurde Monate später tot aufgefunden. Infolge des Debakels löste die Regierung die Küstenwache auf, an ihre Stelle trat eine neue Sicherheitsbehörde.
Um die Ursachen des Unglücks aufzuklären, wurde im Januar 2015 ein erster Sonderuntersuchungsausschuss eingerichtet. Nach langwierigen Auseinandersetzungen um Ermittlungs- und Anklagebefugnisse blieb dessen Arbeit jedoch weitgehend ergebnislos. Erst 2017 wurde das Wrack der Sewol an Land geholt. Ein Komitee untersuchte den Schiffsrumpf, konnte sich jedoch nicht auf eine eindeutige Unglücksursache festlegen. Das Gremium hielt das Zusammenspiel von internen Faktoren wie massive Um- und Ausbauten und eine unzureichende Stabilität für eine mögliche Ursache. Ein zweiter Sonderuntersuchungsausschuss, der 2018 einberufen wurde, legte 2022 seinen Abschlussbericht vor, konnte jedoch weder eine eindeutige Unglücksursache noch eine schlüssige Erklärung für das Scheitern der Rettungsmaßnahmen liefern.
Im Jahr 2023 sprach der Oberste Gerichtshof alle leitenden Offiziere der Küstenwache frei; lediglich ein untergeordneter Einsatzleiter war 2015 strafrechtlich belangt worden. Zwar wurden nach dem Sewol-Unglück strengere Sicherheitskontrollen und ein neues Kommunikationsnetz für Katastrophenfälle eingeführt, doch zeigt nicht zuletzt das Halloween-Unglück im Seouler Stadtteil Itaewon im Jahr 2022, dass Südkorea bei schweren Unglücken weiterhin mit organisatorischen Schwächen und unzureichender Ahndung der Verantwortlichen zu kämpfen hat.