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Lifestyle

Die koreanischen Gewerkschaften und die Arbeitsmigranten

#Sie fragen, wir antworten l 2007-02-05

Hörerecke

Die koreanischen Gewerkschaften und die Arbeitsmigranten
FRAGE: Andreas Mieth aus Berlin fand die Ausführungen zu den Gewerkschaften in der Hörerecke interessant. In diesem Zusammenhang hat er einen Artikel von Amnesty International beigelegt, in dem kurz über die Lage der Arbeitsmigranten in Südkorea berichtet wird. Dort heißt es: Sie müssen länger arbeiten als ihre südkoreanischen Kollegen und erhalten dafür weniger Lohn. Arbeitsmigranten dürfen sich nicht gewerkschaftlich organisieren und müssen psychische und körperliche Übergriffe erdulden. Amnesty fordert die südkoreanische Regierung auf, die Rechte von Arbeitsmigranten besser zu schützen und internationale Konventionen einzuhalten. Zitat Ende. Was sagen die koreanischen Gewerkschaften zu solchen Missständen?

ANTWORT: Nach den Angaben von Amnesty International (http://web.amnesty.org/library/Index/ENGASA250072006) sollen sich im Juni 2006 rund 360.000 Arbeitsmigranten in Korea aufgehalten haben. Das sind 1,5% der Arbeitskräfte in Korea. Davon sollen sich nur rund 115.000 legal in Südkorea aufhalten. Der Rest ist entweder bereits illegal ins Land gekommen oder aber nach Ablauf der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung untergetaucht, was sie natürlich besonders leicht zum Opfer von Ausbeutung macht. Etwa 35% der Arbeitsmigranten sind Frauen. Die Arbeitsmigranten in Korea kamen ab Ende der 1980er Jahre ins Land, um dem hiesigen Arbeitskräftemangel in den 3-D-Bereichen abzuhelfen. 3D steht für Arbeit, die dirty, schmutzig, difficult, schwer und dangerous, gefährlich ist. Die Arbeitsmigranten, die vor allem aus den südostasiatischen Ländern, Indien und Pakistan stammen, aber auch aus China, hatten zunächst kein Sprachrohr, mit dessen Hilfe sie auf ihre Probleme hätten aufmerksam machen können. Anfang der 1990er Jahre haben sich dann koreanische Bürgerinitiativen der Arbeitsmigranten angenommen, vor allem das JCMK, das Gemeinsame Komitee für Arbeitsmigranten in Korea. Das JCMK stellt Unterkünfte, medizinische Verpflegung und Hilfe in sozialen und juristischen Fragen zur Verfügung.

Einige der radikaleren Arbeitsmigranten, die im JCMK organisiert waren, haben dann im Juni 2001 die ETU-MB gegründet. Das steht für Equality Trade Union-Migrants’ Branch, also Gewerkschaft für Gleichheit - Abteilung Arbeitsmigranten. Die ETU-MB wurde unter der Schirmherrschaft der KCTU gegründet, der Korean Confederation of Trade Unions. Die KCTU ist eine der beiden koreanischen Gewerkschaftsdachverbände. Mit Hilfe der KCTU hat die ETU-MB im April 2002 eine 77-tägige Sit-in Aktion vor der Myongdong Kathedrale in Seoul organisiert. Ziel war die Einführung eines neuen Arbeitsvisumsystems für Arbeitsmigranten, verbesserte Arbeitsbedingungen und Nicht-Abschiebung von illegalen Arbeitsmigranten, denen die Abschiebung drohte.

Die Myeongdong Kathedrale ist in Korea ein Symbol für die Demokratisierungs- und Arbeitsbewegung des Landes. In der Kathedrale fanden in den 1980er Jahren viele politische Aktivisten und Gewerkschaftsaktivisten Schutz vor dem Zugriff der Polizei. Das am Rande.

In den darauf folgenden Monaten verstärkten sich die Proteste, an die 1.000 Arbeitsmigranten nahmen an öffentlichen Demonstrationen teil. Am 26. Oktober 2002 hat die ETU-MB zusammen mit dem radikalen Gewerkschaftsdachverband KCTU und der KFTU, dem gemäßigten koreanischen Gewerkschaftsdachverband, Demonstrationen organisiert, bei denen es einerseits um die Rechte der Arbeitsmigranten ging, andererseits aber auch um die Rechte der koreanischen Arbeiter mit Zeitverträgen. Wir hatten einmal darüber berichtet, dass die Zahl der koreanischen Arbeitnehmer mit Zeitverträgen seit der Devisenkrise Ende 1997 in die Höhe geschnellt ist und diese Arbeitnehmer unter wesentlich schlechteren Bedingungen arbeiten als ihre fest angestellten Kollegen.

Das heißt, es besteht eine grundsätzliche Solidarisierung zwischen den beiden koreanischen Gewerkschaftsdachverbänden und den Zusammenschlüssen der Arbeitsmigranten. Die Verbindung ist dabei besonders eng zum radikaleren Dachverband der KCTU. Diese Solidarisierung war aber nicht von Anfang an gegeben. Am Anfang sahen vor allem die Mitglieder der gemäßigteren Gewerkschaften in den Arbeitsmigranten Konkurrenten um Arbeitsplätze und sprachen sich z.B. gegen die von der koreanischen Regierung in den 1990er Jahren geplante Öffnung des Kohlebergbaus für Arbeitsmigranten aus. Erst nach der Finanzkrise kam es zu einer grundlegenderen Verständigung und dem Bewusstsein, im selben Boot zu sitzen. Es hat wohl auch eine Weile gedauert, bis der radikalere Gewerkschaftsdachverband KCTU die Aktivisten unter den Arbeitsmitgranten als gleichberechtigt anerkannt hat und ihre gewerkschaftliche Organisierung nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten unterstützte.

Im August 2003 hat das koreanische Parlament den sogenannten EPS-Act verabschiedet. Das steht für Act concerning the Employment Permit for Migrant Workers, also Gesetz in Bezug auf die Arbeitsgenehmigung für Arbeitsmigranten. Dieses Gesetz verbietet die Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer, erkennt ihnen rechtlichen Status zu und strebt danach, ihre Menschenrechte zu schützen. Südkorea ist damit das erste Arbeitskräfte importierende Land in Asien, das versucht hat, die Stellung der Arbeitsmigranten gesetzlich zu regeln und zu schützen. Theorie und Praxis sind aber noch nicht deckungsgleich.

Im April 2005 haben sich die Arbeitsmigranten dann auch in der Migrants Trade Union organisiert, der Gewerkschaft der Arbeitsmigranten, kurz MTU, um ihre Rechte noch besser und organisierter selbst zu vertreten. Die MTU gehört zur KCTU und hat die gleichen Rechte und Pflichten wie alle KCTU-Mitgliedsgewerkschaften. Die MTU wird aber nach wie vor von der koreanischen Regierung nicht als legale Gewerkschaft anerkannt und im Zuge von Demonstrationen kam es zu Verhaftungen, darunter auch des MTU-Vorsitzenden. Der MTU gehören Arbeitsmigranten aus folgenden 12 Ländern an: China, Indonesien, Vietnam, Philippinen, Thailand, Bangladesh, Mongolei, Usbekistan, Sri Lanka, Burma, Nepal und Pakistan.

Die MTU hat eine eigene Internetseite, auf der man sich ein Bild von den Aktvitäten machen kann. Klicken Sie an: http://migrant.nodong.net. Amnesty International und die koreanischen Gewerkschaftsdachverbände unterstützen die Anerkennung der MTU. Wer sich noch näher für die Probleme der Arbeitsmigranten in Korea interessiert, der gehe auf die Seite von Amnesty International: web.amnesty.org. Dort klicken Sie den Menüpunkt Library an und geben den Ländernamen South Korea ein. Es erscheinen relevante Berichte zu aktuellen Themen wie Arbeitsmigranten oder Abschaffung der Todesstrafe in Korea. Interessant ist auch ein Vortrag, den der Vizepräsident der KCTU, Lee Hyang Won, 2003 gehalten hat und zwar auf der Solidaritätskonferenz der asiatischen Gewerkschaften in Seoul. Geben Sie in einer englischsprachigen Suchmaschine ein: The Reality of Women Migrant Workers in South Korea.

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