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Lifestyle

Deutsche Lehnwörter im Koreanischen

#Sie fragen, wir antworten l 2007-02-16

Hörerecke



FRAGE: Horst Brettschneider aus Göttingen hat einen interessanten Zeitungsbeitrag über ausgewanderte deutsche Wörter beigelegt, die in anderen Ländern eine andere Bedeutung gewonnen haben. So erscheint in Finnland z.B. der Ausdruck Kaffeepaussi auf der Anzeige von Linienbussen, wenn die Busse Pause machen. Und in Afrikaans ist Aberjetze ein ungeduldiger Deutscher. Und die Engländer haben einen Katzenjammer, wenn sie depressiv sind. (Jutta Limbach, Hg.: Ausgewanderte Wörter, Hueber Verlag, Ismaning 2006). Gibt es auch in Korea solche Auswanderer, die alles, auch ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben?

ANTWORT: Zur Beantwortung beziehe ich mich auf einen 2005 erschienenen Aufsatz über Deutsche Lehnwörter im Koreanischen von Lee Kwang-Suk von der Seoul Nationaluniversität. Generell kann man anhand von Wörterbuchanalysen sagen, dass die meisten Fremdwörter im Koreanischen aus dem Englischen stammen. Das waren im Jahre 1936 sogar 90% aller Fremdwörter. Danach sind die Zahlen aber etwas rückläufig und zeigen 40 Jahre später, also 1976, 76,5% und - weitere gut 20 Jahre später - 72,7% im Jahre 1997. Beim Deutschen lässt sich für den denselben Zeitraum ein minimaler Anstieg verzeichnen. Sind für 1936 nur 3,1% Fremdwörter aus dem Deutschen im Koreanischen verzeichnet, so waren es 1976 immerhin schon 5% und 1997 7,8%. In Hinblick auf Aussprache, Morphologie und Wortbildung haben sich diese Wörter mittlerweile völlig dem Koreanischen angepasst, was aus reinen Fremdwörtern Lehnwörter macht. Schauen wir uns einmal einige dieser Wörter an.

Das erste deutsche Wort, das im Koreanischen zu hören gewesen sein dürfte, soll das Wort Sonntag gewesen sein. Im Jahre 1902 hat die Elsässerin Antoinette Sonntag in Seoul ein Hotel eröffnet, dass als Sonntag-Hotel bekannt war. Die Aussprache des Wortes wurde dabei natürlich den koreanischen Aussprache- und Silbenregeln angepasst, so dass aus dem zweisilbigen Sonntag mit offenem o-Laut ein dreisilbiges 존타크 (son-ta-keu) mit geschlossenem o-Laut wurde. Auch die Aussprache des anlautenden s-Lautes ist etwas unterschiedlich.

In den 1940er Jahren drangen dann die Wörter Gips, Gaze, Arbeit und Seil aus dem Deutschen ins Koreanische ein. Danach folgten wahrscheinlich ab den 1960er Jahren Haken, Eisen und Pickel. Und natürlich Autobahn, das Vorbild für den koreanischen Schnellstraßenbau in dieser Zeit. In den 1990er Jahren kam dann der Hof für das Hofbräuhaus auf. Schauen wir uns die Wörter einmal einzeln an.

Gips wird im Koreanischen 깁스 (gip-seu) gesprochen. Hier hat sich nur die Aussprache koreanisiert, die Bedeutung ist diesselbe wie im Deutschen, nämlich Gips als Material und Gips als Gipsverband bei Knochenbrüchen.

Ich selber habe das Wort am ehesten im künstlerischen Bereich gehört, nämlich als Gipsmasse zur Gestaltung von Skulpturen. Ursprünglich kommt es aber aus dem medizinischen Bereich. Interessanter wird es bei dem Wort Gaze, auf Koreanisch 가제 (Ga-je). Im Deutschen meint es einen sehr dünnen, locker gewebten Stoff aus Baumwolle, der auch als Gazebinde Verwendung findet. Im Koreanischen wird es jedoch für Kompresse verwendet, wobei Kompresse hier nach Duden Bedeutung zwei meint, nämlich zusammengelegtes Mullstück als Unterlage für einen Druckverband. Das deutsche Wort Gaze scheint dabei im medizinischen Bereich in Deutschland weniger gebraucht zu werden als das einkoreanisierte Wort 가제 im medizinischen Bereich in Korea.

Im medizinischen Bereich gibt es dann noch den interessanten Fall der Ringerschen Lösung, die es in den 1960er Jahren nach Korea geschafft hat. Unter der Ringerschen Lösung oder auch Ringerlösung versteht man im Deutschen eine Infusionslösung auf Natriumchloridbasis. Im Koreanischen wurde daraus kurz 링겔 (ring-el). Das Wort wird im Koreanischen in der Bedeutung Infusion, oder Infusionsflasche benutzt, wobei es sich um jede Art von Infusion handeln kann.

Das Wort hat sich also phonetisch, morphologisch und inhaltlich völlig verändert, wenn auch noch ein gewisser inhaltlicher Bezug zur eigentlichen Bedeutung erhalten geblieben ist. Das gilt auch für das Wort Arbeit, auf Koreanisch 아르바이트 (a-reu-ba-i-teu), das sind fünf Silben im Koreanischen. Das Wort wird schon seit den 1940er Jahren gebraucht und meint genau wie im Japanischen nur einen Teilzeitjob oder einen Studentenjob. In der Studentensprache steht es fast gleichbedeutend für Nachhilfeunterricht für Schüler, einer der Hauptjobs für koreanische Studenten. Aber auch alle anderen Arten von Jobben wie Bedienen bei MacDonald fallen unter 아르바이트. Alle anderen Bedeutungen, die das deutsche Arbeit noch besitzen kann wie keine Arbeit haben, eine schwere Arbeit, eine Arbeit suchen hat das koreanische 아르바이트 nicht.

Seil, auf Koreanisch 자일 (ja-il), Eisen, auf Koreanisch 아이젠 (a-i-jen), Pickel, auf Koreanisch 피켈 (pi-kel), und Haken, auf Koreanisch 하켄 (ha-ken), sind unproblematisch. Eisen meint dabei das Steigeisen für das Erklettern glatter oder gefrorener Felswände. Und Haken ist nur der Mauerhaken, nicht aber der Haken an einer Sache oder der Kleiderhaken. Auch Seil und Pickel sind im Koreanischen auf den Fachgebrauch des Bergsteigens beschränkt.

Mit der Aufhebung der Reisebeschränkungen für südkoreanische Staatsbürger nach den Olympischen Sommerspielen in Seoul 1988 wurde Hof als Vokabel in Korea eingebürgert. Das Münchener Hofbräuhaus steht in Korea fast symbolhaft für Deutschland und viele Koreaner haben es seit 1988 besucht. In Korea entstanden danach zahlreiche Bierkneipen, die man etwas im Hofbräuhausstil einzurichten versuchte, mit rustikalen Stühlen und blau-weißen Tischdecken. Dort bekommt man Bier vom Fass und heutzutage auch Würstchen auf koreanische Art serviert. Ein 호프 (ho-peu) ist also solch eine Kneipe mit weitesten Assoziationen an das echte Hofbräuhaus.
In den letzten Jahren ist dann noch die 트롬 (teu-rom) auf den Markt gekommen. 트롬 ist der Name einer Waschmaschine des koreanischen Haushaltsgeräteherstellers LG. 트롬 geht auf das deutsche Wort Trommel zurück und meint eine Trommel-Waschmachine, wie sie eben besonders von Deutschland bekannt sind.
Vor ein paar Tagen bin ich übrigens an einem Wohnhochhaus am Han-Fluss vorbeigefahren, das in großen Schriftzeichen den Namen Familie trug. Auch Wohnhochhäuser namens Deheim oder Heimat findet man in Seoul. 하이마트 (ha-i-ma-teu) ist auch der Name eines koreanischen Unternehmens.

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