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Lifestyle

Wirtschaftskriminalität

#Sie fragen, wir antworten l 2007-03-14

Hörerecke

Wirtschaftskriminalität
FRAGE: Ralf Urbancyk aus Eisleben schreibt: Bei der Meldung über die Pläne zur Begnadigung von über 400 Gefangenen durch Präsident Roh bin ich richtig ins Grübeln gekommen. Mehr als ein Drittel davon waren Wirtschaftskriminelle. Liegt der Anteil der Wirtschaftsstraftaten in Korea gemessen an der Gesamtkriminalität wirklich so hoch? Vielleicht waren die Strafen bei der Verurteilung der Manager auch nur unangemessen hoch und das soll jetzt korrigiert werden. Die Regierungspartei und die Wirtschaftsverbände begrüßen den Akt der Begnadigung. Das kann auch kaum anders sein. Doch wie sieht das die Mehrzahl der Koreaner? Vielleicht gibt es dazu Umfragen oder Ähnliches.

ANTWORT: Zur Wirtschaftskriminalitätsrate gibt es einige Daten. In dem am 23. Oktober 2006 veröffentlichten statistischen Material des koreanischen Justizministeriums werden die verschiedenen Straftaten nach Häufigkeit der gemeldeten Fälle und nach regionaler Verteilung geordnet. Danach kam es 2005 landesweit zu insgesamt 1.893.896 Straftaten. Angeführt wurde die Liste von Vermögensdelikten, zu denen Diebstahl, Betrug und die Veruntreuung von Geldern gerechnet werden. Sie stellen 23,3% (442.015) aller Delikte. Dabei führte Gwangju die Liste gerechnet in Bezug auf die Fälle pro 100.000 Einwohner an.

An zweiter Stelle stand mit 339.575 Fällen und rund 17,9% Fahren unter Alkoholeinfluss. Diesbezüglich schnitt die Stadt Daejeon am schlechtesten ab. Auf Platz 3 rangierten Gewalttaten mit 279.674 Fällen und rund 14,7%. Hier tat sich Seoul besonders hervor. Platz 3 belegten schwere Gewaltverbrechen wie Mord, Vergewaltigung, Raub und Brandstiftung mit insgesamt 19.941 Fällen, was etwas über ein Prozent ausmacht. Hier findet sich die höchste Rate hochgerechnet auf 100.000 Einwohner ebenfalls in Seoul, der größten Stadt des Landes. Die weiteren Plätze belegen Prostitution und Sexgewerbe gefolgt von Drogendelikten und von Beamten verübten Verstößen, die das Schlusslicht bilden.

Nach Angaben der obersten Staatsanwaltschaft vom 21. Januar 2007 ist darüber hinaus die Zahl der Wirtschaftsdelikte von 141.101 Fällen im Jahr 2005 auf 156.250 Fälle gestiegen. Das entspricht einem Anstieg von 10,7%. Damit lag die Rate der Wirtschaftsdelikte, die bei Ausbruch der Devisenkrise 1998 ein Rekordhoch von 174.524 erreicht und danach gesunken war, auf einem neuen Höchststand seit der Wirtschaftskrise. Zu den Wirtschaftsdelikten zählen z.B. Aktienschwindel, Steuerhinterziehung, Kreditschwindel, Falschgelddelikte, Verstöße gegen das Patentrecht oder das Gesetz zum Schutz von Computerprogrammen usw.

Was die diesmalige Amnestie des Präsidenten für Wirtschaftsstraftaten betrifft, so gehen auch in Korea die Meinungen auseinander. Seit den Zeiten der beginnenden Wirtschaftsdiktatur in den 1960er Jahren, die Korea aus einem vom Krieg zerstörten und verarmten Agrarland zum aufstrebenden Wirtschaftsland machten, hat es bis zum Ausbruch der Devisenkrise Ende 1997 eine mehr oder weniger stillschweigend akzeptierte Verfilzung von Politik und Wirtschaft in Korea gegeben, die Wirtschaftsdelikte zum Wohle der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes weitgehend deckte. Präsident Kim Dae-Jung hat dann im Zuge seiner Umstrukturierungsversuche versucht, diese Verfilzung aufzubrechen und die Großkonzerne auf den Weg zur geschäftlichen Transparenz zu bringen, was aber nur zum Teil gelungen ist.

Sein Nachfolger Roh, Moo-hyon, ein ehemaliger Menschenrechtsaktivist, hat den Kampf gegen die weit verbreitete Wirtschaftskriminalität dann weiter fortzusetzen versucht. Dabei ist er aber schnell ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, da harte Strafen für Wirtschaftskriminelle nach Meinung der oft Großkonzern-freundlich gesinnten Presse rechter Couleur für das Nachlassen des Wirtschaftswachstums verantwortlich sind. Otto Normalverbraucher sieht sich in einer ähnlichen Zwickmühle: Auf der einen Seite ist er natürlich dafür, dass gerade die reichen Wirtschaftsbosse angemessen für Betrug, Veruntreuung von Geldern, Steuerhinterziehung, politische Spenden usw. bestraft werden. Andererseits spürt er ein Nachlassen der Wirtschaftskraft viel stärker auf der eigenen Haut, wenn das eigene kleine Geschäft nicht läuft oder der Arbeitsplatz bedroht ist. Das macht ihn wieder bereit, ein Auge zuzudrücken.

Kein Auge zudrücken möchte die 1994 gegründete koreanische Bürgerinitiative Peoples Solidarity for Parcipatory Democracy, die Bürgervereinigung für Partizipatorische Demokratie. Ihr gehören über 13.000 Bürger an, die sich unter anderem für die Reform der koreanischen Großkonzerne einsetzen und gegen Insider-Handel, Aktienmanipulation, Steuerhinterziehung, illegale Praktiken der Vermögensweitergabe usw. kämpfen, Delikte, die den Konzernen im Allgemeinen vorgeworfen werden. Eine spezielle Arbeits- und Aktionsgruppe setzt sich denn auch für die Rechte der Kleinaktionäre und mehr Transparenz in der Unternehmensführung ein. Nach Meinung der PSPD verwendet die koreanische Regierung immer den Vorwand, der Wirtschaft auf die Beine helfen zu wollen, wenn Begnadigungen von einflussreichen Wirtschaftskriminellen erlassen werden. Langfristig gesehen sei dies jedoch schädlich für die Wirtschaft, da es die Großkonzernchefs nur in ihren diktatorischen Unternehmensführungsstilen bestärke. (Siehe dazu; eng.peoplepower21.org) Fazit: Wirtschaftskriminalität v.a. in den Chefetagen der Großkonzerne wird auch weiterhin ein aktuelles und heißes politisches Eisen bleiben, bei dem die Meinungen über die Angemessenheit der verhängten Strafen auseinandergehen.

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