Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Lifestyle

Der Unabhängigkeitskämpfer Ahn Jung-geun

#Sie fragen, wir antworten l 2015-07-18

Hörerecke

Q:KBS WR hatte als Dankeschön eine transparente Wasserflasche verschickt, die an der Vorderseite mit einer chinesischen Kalligraphie dekoriert ist. Es gab Nachfragen zur Bedeutung der Schriftzeichen und zum historischen Hintergrund ihrer Entstehung.

A:Wie in dem der Flasche beigelegten Zettelchen zu entnehmen ist, stammen die von oben nach unten zu lesenden chinesischen Schriftzeichen auf der Flasche von dem Unabhängigkeitskämpfer 안중근 (Ahn Jung-geun), der auch für seine ausdrucksstarken Kalligraphien bekannt ist. Auf der Flasche ist eine davon zu sehen. Auf Koreanisch bedeuten die chinesischen Zeichen: 국가 안위 노심초사 (Gukga anue nosimchosa). Das bedeutet: Ich mache mir große Sorgen um das Schicksal der Nation. Gukga anue kann aber auch wörtlich „die Sicherheit des Landes“ bedeuten, womit der Schriftzug vor dem aktuellen Hintergrund von Mers und dem Untergang der Fähre Sewol 2014 eine weitere Dimension erhielte. Im historischen Kontext ist wiewohl gemeint: Ich mache mir Sorgen um das Schicksal bzw. das Wohl und Wehe der Nation. Diese Worte stammen von dem Unabhängigkeitskämpfer, Panasiatisten und Nationalisten Ahn Jung-geun, der am 2. September 1879 in Haeju, im heutigen Nordkorea, geboren wurde und am 26. März 1910 im Alter von nur 30 Jahren in Port Arthur im damaligen Kaiserreich China hingerichtet wurde. Der Grund für das Todesurteil durch Erhängen:

Ahn Jung-geun hatte am 26. Oktober 1909 den ehemaligen Generalgouverneur des japanischen Protektorats Korea, Ito Hirobumi, auf dem Bahnhof in Harbin in der Mandschurei erschossen. Er wurde von russischen Sicherheitskräften festgenommen und dann an die Japaner ausgeliefert. Während seiner Haft verfasste er mehrere Schriften, darunter sein Essay „Über den Frieden in Ostasien“, in dem für eine geschlossene panasiatische Staatenkonstellation als Gegengewicht gegen den Westen plädierte. Er gilt heute noch vielfach als Volksheld, dessen Leben und Schicksal in zahlreichen Büchern und Filmen verewigt wurde. Auch trägt die 6. Form des Taekwondo seinen Namen: Jung-Geun-Hyong. 1962 wurde ihm für seine Verdienste um die Unabhängigkeit posthum der „Verdienstorden für außerordentliche Bemühungen um Unabhängigkeit und Staatsgründung“ verliehen, die höchste zivile Auszeichnung der Republik Korea.

Ahn Jun-geun wurde 1879 in eine Familie von Unabhängigkeitsaktivisten geboren. Zwei seiner Brüder und zwei Cousins und zwei Neffen kämpften für die Unabhängigkeit und Befreiung des Vaterlandes vom japanischen Joch. Als Junge las Ahn die chinesischen Klassiker und beschäftigte sich mit den modernen westlichen Wissenschaften, lernte östliche Kampfsportarten und Schießen. Als er mit 16 vor den Japanern floh, versteckte ihn ein französischer katholischer Priester monatelang in seiner Kirche. Er hielt Ahn zum Bibellesen an, diskutierte mit ihm und taufte ihn schließlich auf den Namen Thomas. Ahn Jun-geun blieb bis zu seinem Tode überzeugter Katholik und empfing vor seiner Hinrichtung das letzte Sakrament von seinem Taufpriester, der damit übrigens gegen das strikte Verbot des Bischofs von Korea handelte.

Mit 25, also nach der erzwungenen Unterzeichnung des japanischen Protektoratsvertrags von 1905, widmete sich Ahn der Bildung des einfachen koreanischen Volkes, indem er kleine Privatschulen einrichtete. 1907 ging er ins Exil nach Wladiwostok, wo er sich dem bewaffneten Widerstand gegen die japanischen Besatzer anschloss. 1909 erschoss Ahn auf dem Bahnhof von Harbin Ito Hirobumi.

Bei dem Attentat, bei dem drei weitere hochrangige Japaner ernsthaft verletzt wurden, rief Ahn auf Russisch „Корея! Ура!“ (Korea! Hurra!/Es lebe Korea!) und schwenkte die koreanische Flagge. Er wurde von den Russen festgenommen und zwei Tage später den Japanern übergeben. Als er die Nachricht vom Tode Itos hörte, soll er sich bekreuzigt und gesagt haben:
„Ich habe ein schweres Verbrechen begangen und mein Leben für mein Land geopfert, wie es ein edelgesinnter Patriot zu tun hat.“
Der Mord an Ito wurde von den Koreanern bejubelt und auch von vielen Chinesen, die sich gegen die japanischen Invasoren zur Wehr setzten, gelobt.

Bei seiner Gerichtsverhandlung bestand Ahn darauf, als Kriegsgefanger behandelt zu werden und listete 15 Gründe als Notwendigkeit für den Mord an Ito auf:
1. den Mord an der koreanischen Kaiserin Myeongseong;
2. die Absetzung von Kaiser Gojong;
3. das Aufzwingen von 14 Verträgen, die einseitig Japan begünstigten;
4. Das Töten von unschuldigen Koreanern;
5. Die gewaltsame Ursurpation der Macht der koreanischen Regierung;
6. das Plündern von koreanischen Bodenschätzen, Wäldern und Flüssen;
7. die erzwungene Einführung der japanischen Währung;
8. die Auflösung der koreanischen Streitkräfte;
9. die Sperrung des Zugangs zur Bildung;
10. das Verbot für Koreaner, im Ausland zu studieren;
11. die Konfiszierung und Verbrennung von koreanischen Lehrbüchern;
12. die Verbreitung des Gerüchtes in der Welt, dass Korea Japan um Protektion gebeten hätte;
13. die Täuschung des japanischen Kaisers Meiji, dem Ito vorspiegelte, die japanisch-koreanischen Beziehungen seien harmonisch;
14. die Verletzung des Friedens in Asien;
15. Die Ermordung des japanischen Kaisers Komei.

Ahn verteidigte sich folgendermaßen: Als Generalleutnant der koreanischen Widerstandsarmee habe ich den Verbrecher Ito Hirobumi ermodet, weil der den Frieden in Asien störte und Korea und Japan voneinander entfremdete. Meine Hoffnung war, dass, wenn Korea und Japan freundschaftlichere Beziehungen unterhalten und in Frieden regiert werden, sie ein Musterbeispiel für alle fünf Kontinente werden könnten. Als ich Ito tötete, war ich mir seiner Absichten wohl bewusst.

Laut Donald Keene, dem Autor von Kaiser von Japan: Meiji und seine Welt, 1852–1912, war Ahn Jung-Geun ein Bewunderer des japanischen Kaisers Meiji, der nach Ahns Verständnis von Ito getäuscht wurde. Kaiser Meiji untertützte laut Ahn den Frieden in Ostasien und die Unabhängigkeit Koreas. Ahn verlangte entsprechend, dass der japanische Kaiser über seine Beweggründe für den Mord an Ito in Kenntnis gesetzt werden sollte.

Ahn war aufgrund seiner Gespräche mit japanischen Gefängnisinsassen zudem überzeugt, dass die meisten Japaner seinen Hass auf Ito teilten. Tatsächlich beeindruckte Ahns Aufrichtigkeit, tiefe Menschlichkeit und freie Geisteshaltung viele der japanischen Aufseher und Häftlinge, Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter. Nichtsdestotrotz wurde Ahn vom japanischen Kolonialgericht in Port Arthur zum Tode verurteilt. Er war nicht überrascht, hatte aber darauf gehofft, ehrenhaft als Kriegsgefangener und nicht als Attentäter verurteilt zu werden. Am Tage der Urteilsverkündung brachten ihm seine beiden Brüder einen letzten Gruß seiner Mutter:

Dein Tod ist für dein Vaterland, bitte also nicht feige um Gnade. Dein mutiger Tod im Namen der Gerechtigkeit ist die letzte Geste der Ehrerbietung, die du als pietätvoller Sohn deiner Mutter entbieten kannst.

Der vorsitzende Richter Hirashi hatte Ahn versprochen, die Hinrichtung um einige Monate zu verschieben, aber aus Tokio kam der Befehl zur sofortigen Exekution. Ahn hatte zwei letzte Bitten: Dass seine Wärter ihm helfen dürften, sein Essay mit dem Titel Über den Frieden in Ostasien zu beenden und dass sie ihm die traditionelle weiße Bestattungskleidung besorgen sollten. Nur die zweite Bitte wurde erfüllt. Dazu forderte Ahn, als Kriegsgefangener von einem Exekutionskommando erschossen zu werden. Statt dessen wurde er wie ein gewöhnlicher Verbrecher gehängt. Sein Grab in Harbin wurde nie gefunden. Am 26. März 2010, dem 100. Jahrestag seiner Hinrichtung, fanden in Südkorea landesweite Gedenkveranstaltungen und Konzerte statt.

Am 19. Januar 2014 wurde in Harbin eine Gedenkhalle zu Ehren von Ahn Jung-geun eröffnet, der sein Leben lang an eine Union der drei ostasiatischen Länder China, Korea und Japan glaubte, die sich den imperialistischen Bestrebungen der westlichen Mächte in einer pan-asiatischen Union gemeinsam widersetzen sollten. In seiner unvollendeten Schrift Zum Frieden in Ostasien empfahl Ahn die Bildung eines gemeinsamen Heeres und die Herausgabe einer gemeinsamen Währung von Korea, Japan und China, Nachbarländer, die seiner Meinung nach viele Gemeinsamkeiten teilten. Damit war Ahn seiner Zeit weit voraus.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >