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Lifestyle

Der Gwangju-Aufstand vom 18. Mai und der „Marsch für die Lieben“

#Sie fragen, wir antworten l 2016-06-18

Hörerecke

Q:Am Mittwoch, dem 18. Mai, wurde des 36. Jahrestages des Gwangju-Aufstands für Demokratie von 1980 gedacht. In dem Zusammenhang wurde dann in den Nachrichten über den Streit wegen des Liedes „Marsch für die Lieben“ berichtet. Ist denn das gemeinsam gesungene Lied den herrschenden Kreisen Südkoreas unangenehm, weil damals das Volk ein Regime zum Sturz brachte? Oder um was ging es sonst?


A:DDer Aufstand von Gwangju steht eigentlich bis heute für die tiefe Spaltung, die durch die koreanische Politik und das Volk geht. Dahinter steht zum einen der alte Antagonismus zwischen den beiden Gyeongsang-Provinzen, den Hochburgen der Konservativen, und den beiden Jeolla-Provinzen, den Hochburgen der politischen Opposition. Die Herrschenden zur Zeit des Gwangju-Aufstandes stammten fast alle aus den Gyeongsang-Provinzen, was u.a. auch dazu führte, dass die Jeolla-Provinzen an den staatlich gelenkten Investitionsprogrammen kaum teilhatten, was dann wiederum dazu beitrug, Jeolla-do zu einer Hochburg der liberal-gesinnten Opposition zu machen. Gwangju ist die Hauptstadt der Provinz Süd-Jeolla und ein Zentrum der südkoreanischen Katholiken. Deren politischer Führer Kim Dae-jung wurde von den Militärregimes als Staatsfeind verfolgt. Im Streit um das Lied geht es also im Prinzip um diesen regionalen und gleichzeitig politischen Gegensatz. Von 1997 bis 2008 - also zur Zeit der liberalen Regierungen unter Kim Young-sam, Kim Dae-jung und Roh Moo-hyun, die für die Demokratisierung des Landes gekämpft hatten - wurde dieses Lied, das quasi als offizielle Hymne der Gwangju-Demokratiebewegung gilt, von allen Teilnehmern gemeinsam gesungen, um diejenigen, die 1980 ihr Leben im Kampf gegen die Diktatur gelassen hatten, zu ehren. 2009 beschloss dann jedoch der damals amtierende Präsident Lee Myung-bak, der wie auch die jetzige Präsidentin dem konservativen Lager angehört und aus der Gyeongsang-Region stammt, das Lied von einem Chor singen zu lassen.

Für die Organisation der jährlichen Gedenkveranstaltung ist das Ministerium für die Angelegenheiten der als Nationale Patrioten Geehrten und der Kriegsveteranen zuständig. Das Ministerium beschloss, dass bei der offiziellen Zeremonie 2016 auch wieder ein Chor das Lied „Nim-eul Wihan Haengjin-gok“ – „Marsch für die Lieben“ - singen sollte und dass jeder, der wollte, mitsingen konnte. Die Familien der Opfer des Gwangju-Aufstandes sahen darin aber ein Zeichen, dass das Ministerium wieder einmal die aus ihrer Perspektive ultrarechte Anschauung teilte, dass das Lied während des Gwangju-Aufstandes von Nordkorea-Sympathisanten gesungen worden sei und dass das Wort „Nim“ im Titel „Nim-eul Wihan Haengjin-gok“ sich auf den nordkoreanischen „Geliebten Führer Kim Il-sung“ beziehen würde. Diese Interpretation der Konservativen verfälscht nach Meinung der Hinterbliebenen jedoch den wahren Geist des Gwangju-Aufstandes, von dem bis heute einige behaupten, dass Nordkorea die Hände im Spiel gehabt hätte.
Der Gwangju-Aufstand, bei dem sich an einigen Tagen bis zu 200.000 Bürger gegen die Militärdiktatur von General Chun Doo-hwan erhoben, kostete 154 Demonstranten das Leben, 4.141 wurden verwundet, bis heute sollen 74 Menschen vermisst werden.

Die Interpretation des Liedtitels als Nordkorea-freundlich zeigt, welche Nachwirkungen der Koreakrieg bis heute hat und wie tief die ideologische und politische Spaltung in Korea immer noch ist. Minister Park vom Ministerium für die Angelegenheiten der Patrioten und Kriegsveteranen gab zu verstehen, dass er die Proteste der stark rechts orientierten Kriegsveteranenverbände gegen das gemeinsame Singen des Liedes nicht einfach ignorieren konnte. Ihm wurde dann von Gegnern der Zutritt zum 18. Mai-Nationalfriedhof in Gwangju verwehrt. Als das Protestlied des Gwangju-Aufstandes vom Chor gesungen wurde, erhoben sich die hinterbliebenen Familien und Mitglieder der verschiedenen Parteien und sangen mit. Ministerpräsident Hwang Kyo-ahn erhob sich zwar, sang aber nicht mit. Präsidentin Park Geun-hye wohnte auch in diesem Jahr der Zeremonie wieder nicht bei, sondern traf sich mit dem iranischen Umweltminister. Der Abgeordnete Chung Jin-suk, Fraktionsführer der Regierungspartei, hielt eine Nationalflagge in der Hand und sang mit dem Chor. Er äußerte seine Hoffnung, dass die Demokratiebewegung von Gwangju einen Geist des Verzeihens, der Aussöhnung und der Einheit des Volkes auf den Weg bringen möge. Der Weg bis dahin scheint noch weit.

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