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Lifestyle

Rente und Altersvorsorge in Korea

#Sie fragen, wir antworten l 2016-07-16

Hörerecke

Q:Ich habe heute in einer Talkshow eine Diskussion über Rente und Altersarmut in Deutschland verfolgt. Wie ist dies eigentlich in Südkorea geregelt? Gibt es auch eine gesetzliche Rente wie bei uns, oder ist die Rente ganz anders geregelt? Bei uns wird zur Zeit sehr kontrovers diskutiert, wie die Rente, ich meine hier eine auskömmliche Rente, für die heutige Generation im Alter aussehen wird.


A:Die Zukunft der Rente und Altersarmut sind auch in Korea große aktuelle Themen, v.a. wenn man bedenkt, dass Korea einerseits eine der am schnellsten alternden Gesellschaften der Welt hat, andererseits aber auch eine der weltweit niedrigsten Fruchtbarkeitsziffern. 2014 betrug der Anteil der Senioren über 65 Jahre rund 12,7%, d.h. einer von zehn war ein Senior. 2040 sollen laut Prognosen auf zehn Jüngere drei Alte kommen. Lag 1980 die durchschnittliche Lebenserwartung in Korea nur bei 66 Jahren, so waren 2013 schon 82 Jahre erreicht. 1980 lag das Durchschnittsalter der koreanischen Bevölkerung noch im Schnitt bei 25,9 Jahren, 2014 hatte sich der Wert schon auf 40,3 Jahre erhöht. Für 2040 wird bereits ein Durchschnittsalter von 49,7 Jahren prognostiziert.

Die andere Seite der Medaille: Laut dem World Fact Book lag 2015 in Südkorea die geschätzte Fruchtbarkeitsrate unter den 224 erfassten Ländern der Welt bei 1,25 Kindern pro Frau in gebärfähigem Alter, nur Hongkong, Taiwan, Macau und Spitzenreiter Singapur weisen noch niedrigere Werte auf. In Singapur liegt die Fruchtbarkeitsrate bei 0,81 Kindern pro Frau. 2,1 Kinder pro Frau sind jedoch notwendig, um eine Bevölkerung auf dem gegebenen Stand zu erhalten. Wie krass der Geburtenrückgang ist, zeigt aber vielleicht besser folgender Vergleich: 2013 kamen auf 1.000 Koreaner 8,6 Geburten. Im Jahre 1970, als Korea das Wirtschaftswunder am Han zu schaffen begann, wurden hingegen 31,2 Babys pro 1.000 Koreaner geboren, die dann später stark zur Wirtschaftsentwicklung des Landes beitrugen. Geht der negative Geburtentrend mit dem jetzigen Tempo weiter, soll laut einer Studie der Koreanischen Nationalversammlung die Koreanische Bevölkerung von derzeit etwas über 50 Mio. bis zum Ende des Jahrhunderts auf 20 Mio. fallen. Die Studie schließt mit dem düsteren Szenario, dass im Jahr 2750 die Koreaner ausgestorben sein werden, wenigstens in Südkorea.

Alleine schon diese Zahlen zeigen, dass Altersarmut ein großes Problem werden dürfte. Schon jetzt hat Südkorea unter den 34 OECD-Mitgliedsstaaten die höchste Rate an Senioren, die unter der Armutsgrenze leben und auch eine der höchsten Suizidraten unter den Senioren. Dass die Situation zum Teil schon für die heutigen Senioren prekär ist, hat dann aber auch mit dem noch vergleichsweise jungen Renten- und Sozialversicherungssystem des Landes zu tun. Die Rentenversicherung wurde in Korea nämlich erst vergleichweise spät eingeführt, und zwar 1960. Sie erfasste jedoch zunächst nur Beamte, die in die Pensionskasse einzuzahlen hatten. 1963 wurde das System auf Militärangehörige ausgeweitet. 1975 kamen Lehrer an Privatschulen und -hochschulen hinzu. Damit waren aber nur die relativ ordentlich bezahlten Beschäftigten im öffentlichen Sektor abgedeckt. Erst 1988, als Südkorea die Olympischen Sommerspiele veranstaltete, wurde stufenweise ein Rentenversicherungssystem eingeführt, das auch die Beschäftigten im Privatsektor umfasste. Es ist bekannt als National Pension Service, also Nationaler Rentendienst, abgekürzt als NPS. Aber erst 1999, also vor gut 16 Jahren, war wirklich die ganze Bevölkerung renten- und sozialversichert. Bis dahin waren die alten Eltern auf die Unterstützung der Kinder angewiesen bzw. mussten vom Ersparten leben. D.h. die Frage nach einer auskömmlichen Rente im Alter stellt sich in Korea nicht nur für die kommende Generation, sie betrifft in vielen Fällen schon die jetzige Generation der Alten, die nicht oder nur im geringem Maße in den Genuss des noch recht jungen koreanischen Sozialversicherungssystems kommen. Aber im Krankheitsfall übernimmt z.B. die koreanische Krankenversicherung nur einen bestimmten Pflichtanteil, den Rest hat der Patient selbst zu zahlen. Eine OP mit längerem Krankenhausauftenhalt kann daher schnell sehr teuer werden.

1988 wurde, wie gesagt, das National Pension System NPS eingeführt und stufenweise ausgeweitet. Diese allgemeine Rentenkasse deckt rund 53% der Beschäftigten in Korea ab. Nicht im NPS eingeschlossen sind jedoch Selbstständige, Geringverdiener, Zeitarbeiter und Tagelöhner. Der Anteil von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der in die Rentenkasse zu zahlen ist, beträgt jeweils 4,5% des Monatslohns. Anspruch auf Rente hat man derzeit mit 60, das Rentenalter soll bis 2033 jedoch auf 65 angehoben werden. Die Renten, die derzeit aus dem NPS gezahlt werden, sind vergleichsweise gering und liegen bei maximal 700.000 Won pro Einzelperson, also 550 Euro im Monat, für ein Ehepaar werden maximal rund 885 Euro gezahlt. Das erklärt auch, warum Südkorea unter den OECD-Ländern eine Altersarmutsrate von 48,6% hat.

Besser als bei der allgemeinen Rentenkasse NPS sieht es bei den schon weit früher eingeführten Pensionskassen des öffentlichen Sektors aus, die etwa 6% der Beschäftigten abdecken, also Beamte, Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Militärangehörige, Lehrer und Hochschullehrer. Das Pensionsalter beträgt hier in der Regel 65. Der Beitragssatz liegt mit 17% deutlich höher als bei der Rentenkasse, wobei Regierungsseite und Beschäftigte jeweils 50% zahlen. Nach rund 30 Beitragsjahren besteht ein Anspruch von rund 70% gemessen an den letzten Bezügen. Aber auch bei der Pensionskasse sind derzeit schon finanzielle Engpässe auszumachen, da die Babyboomer langsam in Rente gehen.

Das koreanische Rentenversicherungssystem hat noch zwei Besonderheiten. Die eine ist das 1961 eingeführte Severance Pay System, das lange Zeit das gängigste Alterssicherungssystem für Beschäftigte des Privatsektors war und verpflichtend für Unternehmen mit mehr als fünf Beschäftigten ist. Bei diesem System zahlt nur der Arbeitgeber ein, und zwar rund 8,3 des Gehaltes. Auch besteht bereits nach einem Jahr Vollbeschäftigung bei einem Unternehmen Anrecht auf Severance Pay, was dann einer Art Abfindungssumme entspricht. In der Regel arbeitet ein Angestellter jedoch mehrere Jahre bzw. bis zum Rentenalter und erhält dann sein Severance Pay, das gewöhnlich als einmalige Geldsumme in Relation zu den Beschäftigungsjahren gezahlt wird, aber auch auf jährlicher Basis ausgezahlt werden kann. Die Firmen finanzieren den Severance Pay normalerweise durch Pensionsrückstellungen, d.h., sie sollten es. Es kommt immer wieder zu Firmenpleiten, bei denen dann festgestellt wird, dass keine hinreichenden Pensionsrückstellungen gemacht wurden, sondern das Geld z.B. verspekuliert wurde. Auch kommt es vor, dass sich Beschäftigte in Geldnot einen Teil der Pensionsrückstellungen früher auszahlen lassen, um aktuelle Schulden zu begleichen, sodass bei der späteren Pensionierung dann weniger übrig ist als gedacht.

Dann gibt es als Besonderheit noch das Corporate Pension System. Unternehmen mit fünf oder mehr Mitarbeitern können das Severance Pay System in ein Corporate Pension System, also in eine Art Unternehmensrentensystem, umwandeln. Dieser Umwandlung müssen allerdings mehr als 50% der Gesamtbeschäftigten zustimmen. Die Beschäftigten können sich auch auf freiwilliger Basis durch zusätzliche Einzahlungen beteiligen. Bei diesem System werden die Renteneinlagen an eine Bank, eine Versicherung oder eine Treuhandgesellschaft gegeben, wobei der Arbeitgeber einen bestimmten Anteil einzuzahlen hat.

Unter dem Strich ist angesichts des demographischen Wandels und der weiter auseinander klaffenden Schere zwischen Arm und Reich schon klar, dass einiges zu tun bleibt. Hier dürfte nicht nur mehr Aufklärung über Alterssicherung gefragt sein, sein auch ein größeres Engagement des Privatsektors durch Entwicklung entsprechender tragfähiger Vorsorgedienstleistungen.

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