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Gesellschaft

Der Marionettenspieler Mun Su-ho

2016-04-05

Die Gegend um die U-Bahn-Stationen Hongdae und Hapjeong pulsiert voller Kunst, Kultur und jugendlicher Frische und gehört zu den angesagtesten Vierteln in Seoul. Unter den vielen Angeboten finden sich zahlreiche Raritäten und Kleinodien. Einer der wahren Schätze dieser Gegend ist das Darak-Theater. Gelegen in einer renovierten Garage versetzt es den Besucher in eine Welt voller Puppen, sobald man eintritt und die Welt der Menschen hinter sich lässt. Im Darak-Theater wird hauptsächlich traditionelles tschechisches Marionettentheater aufgeführt. Das bedeutet, die Figuren sprechen Tschechisch, wenn sie auf der Bühne agieren. Trotz der Sprachbarriere ist das Publikum jedoch in der Lage, die Geschichte zu verstehen, der Handlung zu folgen und sogar in den passenden Momenten zu lachen.

Frau 1: Als der Vorhang aufging, fühlte ich mich wie in einer völlig anderen Welt. Ich hatte früher selbst mit Puppen gespielt, als ich klein war, aber heute war es das erste Mal, dass ich spürte, wie die Puppen atmen. An diesem Ort konnte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen. Es fühlte sich an wie in einer anderen Welt, ich konnte mich richtig in die Geschichte hineinversetzen.

Mann: Es war schockierend, weil es überhaupt nicht das war, was ich erwartet hatte. Es war erfrischend und anregend. Die Geschichte entwickelte sich so schnell, dass ich darüber die Zeit vergaß. Ich hatte Visionen von einem Dachboden und die Bewegungen der Puppen waren wie eine Reise in meine Kindheit.

Frau 2: Es fühlte sich so an, als ob die Puppen mich heimlich direkt ansprachen. Es ist schwer zu beschreiben, aber Spezialeffekte, Licht und Musik trugen allesamt dazu bei, meine Gefühle anzusprechen. Die Puppen sind sehr detailliert angefertigt und es ist erstaunlich, wie die Holzpuppen die verschiedenen menschlichen Emotionen rüberbringen.


Gerade als im Publikum des Marionettenheaters Ermüdungserscheinungen wegen der tschechischen Sprache drohen, ist eine vertraute koreanische Melodie zu vernehmen. Es handelt sich dabei um das traditionelle koreanische Pansori-Stück „Sugungga“. Die Zuschauer fragen sich spätestens jetzt, wer das war, der ein traditionelles tschechisches Puppentheater nach Seoul gebracht und durch koreanische Pansori-Gesänge ergänzt hat. Diese Person ist der Puppenspieler Moon Su-ho.



Moon ging vor zwölf Jahren in die Tschechische Republik, damals war er 28. Er schrieb sich an der Akademie der musischen Künste in Prag ein, der Heimat des tschechischen Puppenspiels, und studierte alternatives Theater und Puppenspiel. Dabei entdeckte er seine Leidenschaft und Faszination für die Kunst des Puppenspiels und entwickelte die Idee, das einzige Theater für traditionelles tschechisches Puppenspiel in Korea aufzumachen. Vor kurzem erst wurde ein Vorvertrag zwischen dem koreanischen Creative Center for Convergence Culture (CCCC) und der Botschaft der Tschechischen Republik in Korea über die Entwicklung internationaler Puppentheater geschlossen; eine zentrale Rolle dabei spielte kein anderer als Moon Su-ho. Er freut sich darüber, wie seine Leidenschaft zum Puppenspiel zum kulturellen Austausch zwischen Korea und der Tschechischen Republik beigetragen hat.

Ich half einmal bei einer Musical-Produktion. Ich war an der Planungsphase beteiligt, und dabei bemerkte mich jemand vom CCCC. Er fragte mich, ob ich jemals an traditioneller koreanischer Kultur interessiert gewesen war, und ich sagte ihm, dass ich schon immer so etwas wie Sandae-Nori aufführen wollten. Also habe ich mich an die Arbeit gemacht und das Stück bei einem Kreativitätsfestival aufgeführt, wo Branchenkenner meine Arbeit begutachten konnten. Nach dem Festival bekam ich eine Menge Anrufe und fing langsam an zu glauben, dass irgend jemand hinter den Kulissen die Fäden in den Händen hielt. Es muss Schicksal gewesen sein.

Moon Su-ho genießt in der Szene viel Ansehen, im Jahr 2014 wurde er von der Union Internationale de la Marionette (UNIMA), der ältesten Theatervereinigung der Welt, zum Künstler des Jahres ernannt. Einst hatte er an der renommierten staatlichen Universität der Künste in Korea Bühnenkunst studiert und als Leiter für Bühnenkunst gearbeitet. Wie kam er von dort auf das Marionettenspiel?

Ich habe einen Abschluss in Bühnenkunst. Für mich besteht eine Aufführung aus Tausenden von visuellen Bildern. Ich konnte mit der Art und Weise der Schauspieler nicht viel anfangen, weil die visuellen Bilder, die sie erzeugten, nicht so klar waren, wie ich es wollte. Sie waren durch Make-up und Kostüme ganz verschleiert. Also dachte ich darüber nach, die Bühne zu verkleinern und eine ganz andere Art von Schauspielern einzusetzen. So kam ich auf Marionetten.

Er brachte sich selbst bei, wie man Marionettenpuppen herstellt. Doch als die Puppen fertig waren, hatte er immer noch keine Ahnung, wie man mit ihnen spielen sollte. In dem naiven Glauben daran, dass ihm eine Reise in die Heimat des Puppenspiels, der Besuch von Puppentheatern und Treffen mit Puppenspielern Antworten geben würden, begab er sich in die Hauptstadt der Tschechischen Republik, nach Prag.

Es muss wohl mein Schicksal gewesen sein. Als ich mich in der Stadt umsah, stieß ich auf eine Mitteilung über eine Aufnahmeprüfung an der Akademie der musischen Künste in Prag. Aus einer Laune heraus bewarb ich mich und bestand überraschend das Bewerbungsgespräch und die Überprüfung meines Portfolios. Aber sobald ich die Hochschule betrat, merkte ich, dass ich eigentlich keine Ahnung hatte. Obwohl ich in Korea bereits Theater studiert hatte, war dies eine völlig andere Welt. Ich beschloss, ganz von vorn anzufangen und schrieb mich im Bachelor-Programm ein.

Moon machte sich daran, die Tiefen des Puppenspiels zu erkunden. Mit einem Abschluss in Theaterleitung war er überzeugt davon, dass er bereits viel übers Theater wusste, doch das Studium in Prag ließ ihn erkennen, wie unwissend er wirklich war.

Ich fühlte mich erschüttert, als ob alles um mich herum einstürzen würde. Ich glaube, in Korea war ich ziemlich großspurig aufgetreten, mit der Zuversicht, dass ich ein großer Künstler werden würde. Ich dachte, dass ich in Korea sehr viel gelernt hatte, aber als ich meinen Fuß in die Tschechische Republik setzte, hätte ich mich nicht dümmer fühlen können. Es war, als wenn mir der Boden unter den Füßen weggezogen wäre, weil ich die Sprache nicht konnte. Die ersten ein oder zwei Jahre kam ich mir wie ein Idiot vor.

Das erste Hindernis bestand darin, die tschechische Sprache zu lernen. Zu der Zeit gab es noch kein koreanisch-tschechisches Wörterbuch, daher musste Moon immer zwei Wörterbücher zugleich benutzen, ein koreanisch-englisches und ein englisch-tschechisches. Nach jahrelangem Abmühen mit dem Tschechischen kam er schließlich dazu, Puppen herzustellen und mit seinen Teamkollegen ein Puppenspiel auf die Bühne zu bringen. Seine erste Aufführung war „Titus Andronicus“, das am wenigsten geschätzte Stück von William Shakespeare.



Ich war wirklich nervös. Ich konnte nicht stillsitzen und mir die Aufführung ansehen. Ich machte mir Sorgen darüber, ob die Fäden halten würden und ob ich nicht hinter die Bühne gehen sollte, um sie eventuell zu reparieren. Tausend Gedanken mussten mir durch den Kopf gegangen sein. Erst nach etwa 30 Minuten beruhigte ich mich langsam und konnte mir endlich mal das Publikum ansehen. Interessanterweise sehen die Leute die Puppen als Menschen an, als Schauspieler. In dem Moment wurde mir klar, dass ich Menschen geschaffen hatte. Es war das erste Mal, dass ich die von mir gemachten Puppen wie lebendig agieren sah.

Wenn das Publikum die Puppen als Menschen ansieht, ist das Puppenspiel ein großer Erfolg. Moons „Titus Andronicus“ räumte fast jede bedeutende Auszeichnung in Europa ab. Er arbeitet immer noch mit den Mitgliedern dieses Projekts zusammen. Sein wachsender Ruhm wurde auch irgendwann in Korea bekannt und er bekam den Auftrag, für die Expo 2012 in Yeosu eine zwölf Meter große hölzerne Puppe zu bauen. Bei seinem Talent und Ruhm hätte er seine Karriere in der Tschechischen Republik fortsetzen können, doch eines Tages kam er zurück nach Korea.

Ich hatte einst in Korea eine Abschlussarbeit über alternatives Theater geschrieben. Ich fragte mich damals, was alternatives Theater ausmachen würde, und erkannte, dass eine alternative Lösung normalerweise erst dann interessant wird, wenn die Umgebung durch viele Nachteile und Einschränkungen gekennzeichnet ist. In Bezug auf Marionettentheater gibt es keinen so unvorteilhaften Ort wie Korea. Also beschloss ich, eins in Korea zu eröffnen.

Das Puppenspiel ist in Korea eine vernachlässigte Kunstform. Moon wollte das echte Puppentheater mit den Puppen und Geschichten aufführen, die er selbst geschaffen hat. Da er nicht viel Geld hatte, mietete er eine Garage in einem entlegenen Wohngebiet und machte daraus ein Studio und ein Theater. Das Darak-Theater eröffnete im Dezember 2014.

Die Decke war sehr niedrig, was dem Raum die Atmosphäre einer verborgenen Kammer gab. Also habe ich nicht allzu lange nachgedacht und es Darak-Theater genannt, denn „darak“ bedeutet auf Koreanisch Dachboden. Ich dachte anfangs nicht über Profite nach. Ich wollte nur ein Puppentheater eröffnen. Das Theater hatte noch nicht einmal ein Namensschild. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda kam ein Mitarbeiter nach dem anderen hinzu, und plötzlich hatte ich ein ganzes Puppentheater-Unternehmen.

Wenn man das Darak-Theater betritt, sieht man gleich einen Tisch und Werkzeuge zur Herstellung von Holzpuppen. Es sieht so aus, als ob Meister Geppetto mitten in seiner Arbeit an Pinocchio gerade eine kurze Pause einlegen würde. Doch die Puppen sind nicht so niedlich wie Pinocchio, sondern eher unheimlich. Das Darak-Theater hat pro Woche fünf Aufführungen, freitags eine und samstags und sonntags jeweils zwei.

Alle Episoden in einer Aufführung des Puppentheaters sind interessant, doch die Lieder aus dem Sugungga-Pansori sind den Ohren des koreanischen Publikums am vertrautesten. Die gesamte Spieldauer von Sugungga von drei bis vier Stunden komprimiert Moon dabei auf zehn Minuten. Die Ausdrücke auf den Puppengesichtern und die Stimmen der menschlichen Akteure fügen der Aufführung Schwung und Realismus hinzu. Hier ist die Pansori-Sängerin Roh Eun-sil, die Sugungga für das Puppentheater aufführt.

Es hat Spaß gemacht. Normalerweise finden die Zuschauer es schwer, ein Pansori-Stück zu verstehen, denn es gibt darin viele archaische Worte. Sie folgen nur der allgemeinen Handlung, ohne den ganzen Text zu verstehen, da sie bereits die Geschichte kennen. Aber diese Version von Sugungga scheinen sie mehr zu genießen und besser zu verstehen, da es von Puppen aufgeführt wird.

Die Hasenpuppe reitet auf dem Rücken der Schildkrötenpuppe in den Unterwasserpalast. Die Stimme der Pansorisängerin beschwört Bilder von sanften Wellen und einem riesigen Meer herauf.

Die Kunst der Puppenbeherrschung und der Charme des Pasori wurden miteinander zu einer einzigartigen Show kombiniert. Ich habe erkannt, dass traditionelle koreanische Lieder und die tschechische Kultur sehr gut zusammenpassen. Ich hoffe, dass es mehr Gelegenheiten wie diese gibt, um die Schönheit des koreanischen Pansori in der Welt bekannt zu machen.

Moon Su-ho ist nicht der einzige, der sein Leben dem Puppenspiel und dem Darak-Theater gewidmet hat. Er hat einen tschechischen Kollegen namens Honza Klas, zuständig für Musikkomposition und Puppenspiel. Honza war ein Klassenkamerad von Moon an der Akademie der musischen Künste in Prag. Er folgte Moon den ganzen Weg nach Korea, weil sie so gut zusammenarbeiten.

Er ist eine große Inspiration für mich. Er ist sehr offen und ein angenehmer Zeitgenosse. Ich denke, es ist großartig, durch die Kombination von zwei traditionellen Kulturen eine neue Kunstgattung zu schaffen.

Moon Su-ho ist in diesen Tagen als Teil einer Vereinbarung mit der Botschaft der Tschechischen Republik in Korea im Februar über eine internationale Puppentheateraufführung mit den Vorbereitungen für eine neue kollaborative Produktion von Sandae-Nori beschäftigt. Basierend auf der Legende von Seolmundae Halmang (Großmutter Seolmundae von der Jeju-Insel) wird das Sandae-Nori-Puppenspiel nicht nur eine reine Theateraufführung sein, sondern die Form einer Parade in der Tradition tschechischer Marionettentheater annehmen. Der Puppenspieler Moon ist Vorreiter eines neuen künstlerischen Bereichs, indem er dem traditionellen tschechischen Puppentheater eine koreanische Note gibt. Er ist ein wahrer Wandler zwischen zwei kulturellen Welten.

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