Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Gesellschaft

Die Revolution des Lesens: YangjaeNabi

2016-05-24

„An andere weitergeben, was ich gelernt habe“ – das ist das Motto der Lesegruppe YangjaeNabi, das ihre Mitglieder bei jedem ihrer Treffen ausrufen. Jeden Samstag treffen sie sich morgens um zwanzig vor sieben in einem Leseraum in der Nähe der Yangjae-Station in Seoul. Die meisten anderen Leute wollen am Samstagmorgen gern ausschlafen und faulenzen, doch für die Mitglieder von YangjaeNabi sind die frühen Morgenstunden die beste Zeit, Bücher zu lesen.

Ich kam zu dem Treffen, um die Bücher, die ich gelesen habe, besser zu verstehen. Zugegeben, es ist schon anstrengend, am Wochenende früh morgens hierher zu kommen. Ich gehe manchmal nach der Arbeit mit meinen Kollegen aus und komme erst nach Mitternacht nach Hause. Aber auch nach einem solchen langen Abend bin ich am nächsten Morgen früh hier.

Obwohl das Treffen in Seoul stattfindet, kommen die Mitglieder von YangjaeNabi aus dem ganzen Land. Es gibt nur einen Grund, warum die Leute keinen Termin bei dem Lesekreis verpassen wollen: weil sie gern herkommen. Sie können spüren, wie sie sich jede Woche verändern, wenn sie über Bücher diskutieren. Hier ist Herr Kim Kyeong-woo aus Sejong City.

Ich kam gestern in Seoul an und übernachtete in einer Sauna in der Nähe des Fernbus-Bahnhofs. Mein Leben hat sich völlig verändert, nachdem ich diese Leute traf. Vorher mangelte es mir an Selbstsicherheit, ich wollte nichts anpacken, wenn ich nicht genau wusste, dass ich es perfekt machen konnte. Aber jetzt habe ich mich geändert. Meine Einstellung zum Leben hat sich verändert. Seitdem ich diesen Leseklub gefunden habe, mache ich sogar meine Arbeit besser.



Den Leseklub YangjaeNabi gibt es seit dem 4. Juli 2009. Angefangen mit nur vier Mitgliedern hat der Verein sich in seinem 7. Jahr landesweit ausgebreitet und besteht nun aus über 300 regionalen Gruppen, die mehr als 1.000 Treffen veranstalten. YangjaeNabi ist Koreas größter nichtkommerzieller Buchklub. Das Wort „Nabi“ bedeutet auf Koreanisch Schmetterling. Genau wie der Schmetterlingseffekt kann eine kleine, durch das Lesen hervorgebrachte Änderung in einem Menschen weitere Änderungen bei anderen Menschen und im ganzen Land auslösen. YangjaeNabi entstand, als sich der Leiter der Selbsthilfegruppe 3P Binder, Kang Kyu-Hyung, und der Optiker Park Sang-bae eines Tages trafen. Im Jahr 2009 las Park Sang-bae eines von Kang Kyu-Hyungs Büchern und rief ihn aus heiterem Himmel an, um ihn zu treffen. Zu der Zeit hatte Park eine Menge Geld an der Börse verloren und war völlig verzweifelt. Park Sang-bae erinnert sich.

Ich war 10 Kilogramm leichter zu der Zeit und fühlte mich nicht gut. Ich hatte die Augen eines Wolfes, voller Wut auf die Welt und andere Hassgefühle. Einige Autoren leben ihr Leben so, wie sie sich in ihren Büchern beschreiben, doch einige schreiben nur, was man von ihnen erwartet. Aber Kangs Buch motivierte mich, so wie er zu leben. Ich wollte herausfinden, ob seine Lebensweise für mich in Frage kam.

Damals hatte Kang gerade ein Familienmitglied verloren. Park ging zu der Beerdigung, wo Kang die Trauergäste begrüßte. Als die anderen Gäste nach Hause gegangen waren, trafen sich die beiden Männer zum ersten Mal. Kang Kyu-Hyung erzählt uns, was bei diesem ersten Treffen passierte.

Ich war wirklich erstaunt, als er um 23 Uhr tatsächlich auftauchte. Sein Verhalten war etwas ungewohnt, aber ich war beeindruckt, wie viel Mühe er sich gab. Bei unserem zweiten Treffen fragte er mich, welche 50 Bücher mein Leben verändert hätten. Ich mochte seinen Eifer. Ich lächelte und gab ihm 50 Bücher. Er las diese 50 Bücher in 50 Tagen. So wurden wir Freunde.

Die Lektüre von 50 Büchern in 50 Tagen zeigt, wie verzweifelt Park einen Wendepunkt in seinem Leben suchte. Kang sah in nur zwei Sitzungen, wie eifrig und verzweifelt Park über das Leben war und beschloss, mit ihm einen sinnstiftenden Literaturklub zu gründen. Zuerst gab es keinen guten Ort, um die gemeinsame Lektüre durchzuführen, daher räumte Kang einen Raum in seinem Büro frei und stellte einige Stühle um einen Tisch. Das war der bescheidene Anfang von YangjaeNabi am 4. Juli 2009 mit nur vier Mitgliedern. Ein früher Samstagmorgen mit Büchern – das waren glückliche Zeiten für die vier Leute. Hier sind Kang Kyu-Hyung und Park Sang-bae.

Kang: Ich hatte viel Erfahrung mit Lesekreisen. Ich war in meinem vorherigen Job stark in einem Kreis engagiert. Nachdem ich die Firma verlassen hatte, hatte ich ein großes Bedürfnis nach Gesprächen über Bücher, weil ich niemanden mehr hatte, mit dem ich darüber diskutieren konnte. Als ich mit diesem Leseklub anfing, war ich wirklich froh.

Park: Es fühlte sich an wie ein Glas Wasser in der Wüste, ein Glas mit köstlichem, kühlem Wasser gegen einen starken Durst. Ich wusste nicht genau, wie es in Zukunft mit dem Leseklub weiterging, aber den Anfang genoss ich erst mal.




Per Mundpropaganda sprach sich der winzige vierköpfige Literaturkreis herum. In nur zwei Monaten wuchs die Anzahl der Mitglieder auf mehr als 30. YangjaeNabi benötigte einen größeren Raum für so viele Buchfreunde. Kang mietete einen Keller, obwohl er finanziell angeschlagen war, weil er die Freude am Lesen mit mehr Menschen teilen wollte. Als der Keller eröffnet wurde, verdoppelte sich die Anzahl der Mitglieder erneut und wuchs auf 70 bis 80 Personen, die das Forum jede Woche am Samstagmorgen besuchten.

Es gibt außer YangjaeNabi noch viele andere Buchklubs in Korea, und es ist nicht leicht, sie am Leben zu erhalten. Doch YangjaeNabi gibt es nun seit sieben Jahren überall in Korea und darüber hinaus. Es gibt einige spezielle Eigenschaften, die dieses Buchforum so besonders machen. Erstens beginnen die YangjaeNabi-Treffen am frühen Samstagmorgen um 06.40 Uhr. Es ist schwer, der Versuchung zu widerstehen, an einem Wochenende frühmorgens im warmen Bett liegen zu bleiben. Aber gerade dieser frühe Start motiviert die Leute. Hier ist das Lesekreis-Mitglied Kim Hyun-ja.

Ich finde es gut, dass ich meine Zeit besser als andere Menschen nutzen kann. Mein Tag scheint länger zu dauern. Jeder hat 24 Stunden an einem Tag, aber es fühlt sich an, als ob ich mehr Stunden am Morgen habe. Deshalb komme ich so früh her.

Da der Tag früh beginnt, scheint ein Tag viel länger zu dauern. Die Mitglieder von YangjaeNabi müssen sich am Ende ziemlich stolz auf die gut investierte Zeit fühlen. Der zweite Aspekt von YangjaeNabi ist der, dass sich alle am Austausch beteiligen. Kang Kyu-Hyung erklärt es uns.

Das Mitmachen ist am wichtigsten. Viele Leseklubs können nicht länger als 6 Monate durchhalten, weil ihre Leiter die ganze Verantwortung tragen, von der Bücherauswahl bis zur Gesprächsleitung. Unsere Treffen laufen anders ab. Unsere Mitglieder werden in kleinere Gruppen aufgeteilt, wo sie sich untereinander austauschen. Dann wählt jede Gruppe einen Sprecher für die Gruppe. Alles basiert auf Freiwilligkeit und niemand wird übergangen. Deshalb gibt es dieses Buchforum schon so lange.

Wenn die Sitzung beginnt, sprechen die Mitglieder in jeder Gruppe über ihre Lieblingsstellen in einem Buch. Nach der Gruppenarbeit ernennt jede Gruppe einen Repräsentanten. Wenn ein Repräsentant sich vorgestellt hat, rufen alle Mitglieder dessen Namen dreimal laut aus. Der Repräsentant fühlt sich wie ein Star, der vor Leuten steht, die seinen Namen rufen. Er oder sie gewinnt Selbstsicherheit und ist in der Lage, alles zu tun. YangjaeNabi hat auch einen dreistufigen Diskussionsprozess: lesen, lernen und anwenden. Kang Kyu-Hyung erklärt, was das ist.

Die Mitglieder sprechen darüber, was sie gesehen und gelesen haben. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, hat das die gleiche Wirkung wie eine mehrmalige Wiederholung der Lektüre. Der zweite Schritt ist das Lernen dessen, was sie gesehen haben. Es ist wichtig, über den Text hinauszugehen. Schließlich kommt die Anwendung. Lesen ist nicht sinnvoll, wenn man das, was man gesehen und gelernt hat, nicht anwendet, um sein Leben zu verändern. Das Training in diesem Drei-Stufen-Prozess kann eine Person und ihre Arbeitsumgebung verändern.

Es ist wichtig, nach der Lektüre eines Buches weiterzugehen und zusammenzufassen, was eine Person gelernt hat und darüber nachzudenken, wie sich diese Erkenntnis im Leben einer Person auswirken kann. Dieser Prozess ist sehr effektiv, um ein Buch vollständig zu vereinnahmen. Die Anwendung dessen, was ein Buch zu sagen versucht, verändert ein Leben auf natürliche Weise. Es ist spannend, Änderungen bei sich selbst zu beobachten. Hier ist Frau Choi Won-il, Lehrerin an der Sadong-Grundschule in Dongducheon.



Ich habe den Kindern immer erklärt, viele Bücher zu lesen, obwohl ich selbst keine große Leserin war. Ich sagte ihnen morgens, sie sollten Bücher lesen, während ich Papierkram erledigte. Es war kein Wunder, dass die Kinder nicht lasen. Ich erkannte auch, dass ein Buch viele Male zu lesen genauso wichtig ist, wie viele verschiedene Bücher zu lesen. Vor etwa einem Jahr begann ich in meiner fünften Klasse, „Die Gespräche des Konfuzius“ nach dem Drei-Stufen-Prozess von YangjaeNabi zu lesen. Die Kinder lasen 200 Tage in einem Jahr nur dieses eine Buch. Ich bin stolz, wenn ich daran denke, dass ich ihnen dabei geholfen habe, dieses Buch zu verstehen und daraus etwas zu lernen.

So wie man Hunger bekommt, wenn man das letzte Essen vollständig verdaut hat, möchte man noch ein weiteres Buch lesen, wenn man eins vollständig verstanden hat. Der Prozess des Lesens, Lernens und Anwendens hilft dabei, die Lesegewohnheiten ausbilden. Hier ist YangjaeNabi-Mitglied Park Jin-hee aus Ulsan im Südosten Koreas.

Zuerst war es mein Ziel, jeden Tag drei Seiten zu lesen. Nur drei Seiten, bevor ich ins Bett ging. Nach einer Weile konnte ich ein wenig mehr lesen. Nachdem ich diesem Lesezirkel beigetreten war, gewöhnte ich es mir an, früh morgens aufzustehen. Jetzt habe ich früh morgens sowie spät abends Zeit zu lesen. Ich habe in den letzten Monaten mehr Bücher gelesen als in meinem ganzen bisherigen Leben. Ich lese jetzt mindestens zwei Bücher pro Woche und haben in den letzten Monaten mehr als 500 Bücher gekauft.

Viele der YangjaeNabi-Mitglieder bringen andere Familienmitglieder mit. Die Familien sind erst skeptisch, doch sie erkennen, dass die Veränderungen bei ihren Angehörigen sich auf Freunde und Familienmitglieder ausweiten. Sie sehen, dass sie sich jetzt mehr an Gesprächen beteiligen und sich die Stimmung zuhause verbessert. Nach solchen Erfahrungen ist es schwer, kein glühender Anhänger von YangjaeNabi zu werden.

Jugendlicher: Ich kommuniziere besser mit meiner Familie, seit ich zu lesen angefangen habe. Meine Freunde haben Probleme, mit ihren Eltern zu sprechen, aber ich rede jetzt viel mehr mit meinen Eltern und sage ihnen auch Dinge, die ich ihnen vorher nicht mitgeteilt hätte.

Jugendliche: Ich habe gehört, wie andere über Bücher dachten und erkannte, dass die Leute verschiedene Ansichten haben. Wenn ich Bücher mit meiner Familie bespreche, reden wir über die Stellen, wo wir unterschiedlicher Meinung sind und diskutieren mit mehr Tiefe.


Ein weiteres Highlight bei YangjaeNabi ist ein alljährliches, dreitägiges, großes Literaturcamp. Hunderte von Menschen bringen Bücher mit, die sie mögen und drei Tage lang lesen. Es ist eine Gelegenheit, seinen Geist mittels Lesen zu heilen. In diesem Jahr werden etwa tausend Mitglieder beim Camp im August erwartet.

Wie die Anzahl der normalen Buchhandlungen geht Berichten zufolge auch die der Buchleser zurück. Doch bei YangjaeNabi ist es ganz anders. Dutzende von Menschen kommen in lokalen Lesegruppen jede Woche zusammen, und an Tagen mit speziellen Vorträgen kommen 500 Menschen zur Zentrale nach Seoul. Der siebenjährige Leseklub von Kang Kyu-Hyung und Park Sang-bae hat das Lesen im Stillen revolutioniert.

Park: Ein Buch aus der Sichtweise des Autors lesen, dessen Absicht in meiner eigenen Sprache verstehen und das Gelernte in meinem Alltag anwenden. Nur kleine, aber direkte Anwendungen in meinem Leben. Wenn die Ergebnisse positiv sind, anderen Leuten von diesem Prozess berichten.

Kang: Mein Traum ist es, 100.000 YangjaeNabi-Leseklubs in Korea und eine Million auf der ganzen Welt einzurichten. Es wird YangjaeNabi-Zirkel in Paris, in London und in Peking geben. Wenn es in jedem dieser 100.000 Gruppen in Korea 100 Mitglieder gäbe, wären das 10 Millionen Leute. Zehn Millionen Menschen, die das gleiche Buch lesen und über dieses Buch miteinander verbunden sind, das würde Korea sicherlich verändern. Das ist der Traum, den ich habe.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >