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Lifestyle

Zur Wiederheirat von Witwen und Witwern im alten Korea

#Sie fragen, wir antworten l 2016-03-19

Hörerecke

Q:Die Ausführungen zur Scheidung und zum unterschiedlichen Status von Mann und Frau im Joseon-Reich waren sehr interessant. Mich würde in dem Zusammenhang noch interessieren, wie es mit der Wiederheirat nach dem Tode des Ehepartners aussah. Wahrscheinlich gab es da dann auch unterschiedliche Standards für Männer und Frauen.

A:Ja, aber interessanterweise nicht von Anfang an. Bis zum Ende des Goryeo-Reiches, das bis 1392 bestand, war es gang und gäbe und gesellschaftlich akzeptiert, dass die rechtmäßige Ehefrau nach dem Ableben ihres Ehemannes noch einmal heiratete. Tatsächlich blieben nur so wenige Witwen aus adligem Hause nach dem Tode des Mannes alleine, dass die Regierung im Jahre 1389 per Gesetz versuchte, die Frauen zu einer Art „keuschem Witwentum“ zu bewegen. Verzichtete eine Witwe auf Wiederheirat, wurde sie vom Königshof offiziell belobigt und belohnt.
Das scheint jedoch nicht besonders wirksam gewesen zu sein, denn 1406, im 6. Regierungsjahr des Joseon-Königs Taejong, verbot der Königshof adligen Witwen ganz offiziell, ein drittes Mal zu heiraten. Tat die adlige Witwe es doch, wurde ihr Name in ein offizielles Verzeichnis von Personen, die sich Fehlverhalten hatten zuschulden kommen lassen, eingetragen. Aber auch das schien kaum abschreckende Wirkung gehabt zu haben, denn 1485 wurde adligen Witwen ganz generell verboten, überhaupt noch einmal zu heiraten. Diesem Verbot wurde verstärkte Kraft verliehen, indem Söhnen und Enkelsöhnen aus der ersten Ehe die Ablegung der Beamtenprüfung verboten wurde, sollte die verwitwete Mutter noch einmal heiraten. Der Wille, Söhne und Enkelsöhne zu schützen, ihnen nicht den einzigen Weg zum gesellschaftlichen Aufstieg zu verbauen und sich damit der gesellschaftlichen Kritik auszusetzen, hielt viele adlige Witwen tatsächlich von einer Wiederheirat ab.

Ursprünglich war dieses Gesetz gegen die Wiederheirat von Witwen nur auf Witwen der Oberschicht beschränkt. Für Frauen des Bürgertums und der Unterschicht war eine Wiederheirat weder nach dem Gesetz noch nach den allgemeinen Bräuchen der Zeit verboten. Jedoch verbreiteten sich die konfuzianischen Vorstellungen und Normen dermaßen stark in der ganzen Gesellschaft, dass die Wiederheirat von Witwen im Laufe der Zeit zu einem generellen gesellschaftlichen Tabu wurde. In den oberen Schichten der Gesellschaft gibt es sogar Beispiele, dass bei Wiederheirat der Witwe der ganze Familienclan in Sippenhaft genommen und bestraft wurde.

Es gibt keine Statistiken, die Aufschluss über die Zahl der Witwen im Joseon-Reich, das von 1392-1910 existierte, geben würden. Da es zur Joseon-Zeit aber immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den benachbarten Kaiserreichen China und Japan kam, dürften viele Frauen durch den Krieg zu Witwen geworden sein. Witwen, die keine Kinder und keinen Schutz durch die Familie hatten, waren ständig in ihrer Existenz und auch in ihrer Sicherheit bedroht. Kwabu, das koreanische Wort für Witwe, meint in wörtlicher Übersetzung: eine Frau, die nach dem Tod des Ehemannes alleine lebt. Es ist daher nicht besonders verwunderlich, dass junge, söhnelose Witwen aus adligen Familien oft den Tod durch Ertrinken oder Erhängen suchten, um sich auf diese Weise zumindest den Ehrentitel Yeollyeo zu sichern: Frau, die ihrem Gemahl treu in den Tod folgt.

Die gesellschaftlichen Beschränkungen in Bezug auf die Wiederheirat von Witwen führte unter den Bürgern und den Angehörigen der Unterschicht des Joseon-Reiches zu einem seltsamen Brauch: der Heirat durch Entführung. Witwer oder ältere, verarmte Junggesellen entführten eine Witwe und nahmen sie, ohne die rechtlich vorgeschriebenen Heiratsprozeduren zu durchlaufen, zur Frau. Sprich, mit Hilfe von ein paar Kumpanen kidnappten sie die Frau bei Nacht und Nebel und der Mann drängte sich ihr auf. Dadurch wurde eine Eheschließung legitimiert und von Gesellschaft und Staat als rechtmäßig anerkannt. Manchmal kam es zu Kämpfen zwischen der Familie der Witwe und den Kidnappern. Aber es gab auch Fälle, wo das Ganze eine abgesprochene Sache zwischen beiden Seiten war, um der Witwe zu ermöglichen, ohne Scham und Schande erneut zu heiraten.

Verwitwete Männer hatten es da einfacher. Einem Witwer war eine Wiederheirat grundsätzlich erlaubt, ausgenommen waren nur die Schwiegersöhne des Königs. Allen anderen Witwern war eine Wiederheirat nach Ablauf der vorgeschriebenen Trauerzeit gestattet. War mit Blick auf den Erhalt der Familienlinie dringend ein männlicher Erbe vonnöten, durfte der Witwer auch schon nach einem Jahr wieder heiraten.

In der konfuzianischen Gesellschaft der Zeit kam es v.a. in der gesellschaftlichen Oberschicht darauf an, nach außen hin Sitte und Anstand zu wahren. In den in der Regel von Männern getätigten schriftlichen historischen Aufzeichnungen finden sich denn auch lobende Worte über vorbildliche, tugendhafte und keusche Witwen. Wie es diesen Frauen tatsächlich erging, was sie fühlten, dachten oder erlitten - darüber sind so gut wie keine Aufzeichnungen erhalten.

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