Vor Beginn der üblichen Umzugssaison im Frühjahr ziehen in Südkorea erneut die Mietpreise stark an. Korea weist mit „Jeonse“ ein einzigartiges System auf. Dabei hinterlegen die Mieter zum Beginn der Vertragszeit, die normalerweise zwei Jahre beträgt, eine große Summe, die hinterher zurückgezahlt wird. In diesem Fall zahlt der Mieter jedoch keine Monatsmiete mehr an den Vermieter. Dieser kann das Geld anlegen, um von den Zinsen zu profitieren. Doch die niedrigen Zinsen haben 77 Wochen in Folge die Preise in die Höhe getrieben. Die starke Nachfrage und die steigenden Jeonse-Beträge ziehen große Veränderungen im Immobilienmarkt nach sich. Dazu sagt der Experte Jang Yong-dong von Herald Biz:
Die Jeonse-Preise sind vor dem Frühling deutlich gestiegen. Es ist schwierig, eine Mietwohnung zu finden, bei dem der Hinterlegungsbetrag 30.000 bis 40.000 Dollar ist. Die Mieter orientieren sich vom teuren Gangnam-Bezirk weg in die Bezirke nördlich des Flusses Han oder in die Vororte. Sie werden auch „Jeonse-Flüchtlinge“ genannt, weil sie aus dem Stadtbereich von Seoul ziehen, um billigere Wohnungen zu finden. Doch gibt es noch immer nicht genügend bezahlbare Wohnmöglichkeiten zur Miete. Eine gute Nachricht ist, dass in diesem Jahr rund 290.000 neue Wohneinheiten im Markt hinzukommen. Doch die Suche nach erschwinglichen Wohnungen wird sich bis 2020 als schwierig erweisen.
In Seoul betrug 2009 der Jeonse-Mietpreis im Durchschnitt 177.000 Dollar. Doch bis zum vergangenen Monat stieg dieser Wert auf etwa 277.000 Dollar. In einigen Stadtbezirken kosten die Jeonse-Wohnungen 70 bis 80% des Kaufpreises. Jeonse-Zahlungen liegen normalerweise bei 50% des Kaufpreises oder darunter. Warum steigt trotzdem die Nachfrage?
Das ist ein spezifisches Problem in Korea und hat damit zu tun, wie der Immobilienmarkt angelegt ist. Der Mangel an Jeonse-Wohnungen hat sich nicht plötzlich verschärft, sondern stellt schon seit fünf Jahren ein Problem dar, also seit der weltweiten Finanzkrise 2008. Es kostet mehr, eine Wohnung zu kaufen als sie zu mieten. Mehr Menschen wollen daher zur Miete wohnen statt eine Wohnung zu kaufen. Dadurch zieht die Nachfrage an.
Das Jeonse-System stammt noch aus der Joseon-Zeit, hat sich jedoch erst seit den 1970er Jahren durchgesetzt. Arbeiter aus ländlichen Gebieten, die während der raschen Industrialisierung in die Städte zogen, bevorzugten dieses System. In der Regel mieteten sie sich für fünf Jahre ein und bekamen dann den hinterlegten Betrag zurück. Dieses Geld diente später auch als Grundstock für den Kauf eines Eigenheims. Die Vermieter verdienten viel durch die Zinsen, die die Jeonse-Summe bei den Banken abwarf, die in den 70er Jahren mit Versprechen hoher Renditen die Investoren anlockten. Doch zeigten sich auch die hohen Risiken bei diesem System:
Ausländische Investoren erkannten in dem Jeonse-System ein sehr hohes Risiko, weil es sehr eng verbunden ist mit dem Problem der privaten Schulden in Korea. Die Haushaltsschulden belaufen sich auf Hunderte von Milliarden Dollar und mehr als 40 Milliarden Dollar sind Hypothekenschulden und Darlehen für Jeonse. Gefährlich ist, dass die Schulden angesichts der Niedrigzins-Politik und der höheren Hinterlegungsbeiträge zunehmen. Falls die Mieter ihre Darlehen nicht mehr zurückzahlen können, müssen die Banken Verluste hinnehmen. Das Risiko eines Zusammenbruchs der Banken wächst. Das wäre für den Finanzmarkt katastrophal.
Der Internationale Währungsfonds warnte zuletzt, dass das Jeonse-System einen Risikofaktor darstelle. Mehr als 40 Milliarden Dollar für die Jeonse-Kredite sind eine tickende Zeitbombe für die koreanischen Haushalte und Finanzinstitute. Die Finanzkrise von 2008 hat zudem die Sicht auf Jeonse verändert, insofern immer mehr Hausbesitzer die monatliche Miete bevorzugen:
Kleine Studios oder städtische Apartments sind zu Wohnplätzen mit Monatsmieten geworden. Viele kleine Wohnungen von 30 bis 60 Quadratmetern Größe sind in den vergangenen zwei bis drei Jahren entstanden, um die zunehmende Nachfrage zu befriedigen, weil junge Leute nicht das Geld für Jeonse auftreiben können. Von der Angebotsseite gesehen, hatte sich Jeonse für die Hausbesitzer als gewinnträchtiger erwiesen, weil sie mit etwas zusätzlichem Geld eine weitere Wohnung kaufen konnten. Dieses Verfahren machte vor allem die Jeonse-Vermieter und Besitzer mehrerer Wohnungen reicher. Doch gegenwärtig sind diese Hausbesitzer mit höheren Steuern belastet, so dass sie zögern, mehr Wohnungen zu erwerben. Sie denken, dass Monatsmieten mehr Geld einbringen als die Einnahmen durch die Zinsen. Das ist der Grund, warum die Zahl der Jeonse-Wohnungen abnimmt.
Im Jahr 2012 entfielen auf Wohnungen zur Monatsmiete 34% aller Mietshäuser. Der Wert stieg im vergangenen Jahr auf 40%. Die Regierung versucht, die Folgen des zurückgehenden Angebots von Jeonse-Wohnungen aufzufangen, indem sie den Hausbesitzern rät, auf monatliche Miete umzustellen. Darüber hinaus wird versucht, den Eigenheimkauf anzukurbeln:
Die Regierung fördert den Neubauverkauf an Menschen, die über die nötigen Mittel verfügen. Das ist ein Weg, um die Nachfrage nach Jeonse-Objekten zu reduzieren. Eines der Immobilienprogramme nennt sich „gemeinsame Hypothek“. Eine Person, die 5% Anzahlung für ein Haus leisten kann, ist berechtigt, ein staatliches Darlehen mit einem Zinssatz von nur 1% für den Rest des Kaufpreises zu erhalten. Dann kann der Betroffene in den nächsten 30 oder 40 Jahren den Kredit mit einem Basiszins abzahlen. Das System könnte eine wichtige Rolle bei der Wiederbelebung des Immobilienmarkts spielen.
Die Jeonse-Transaktionen werden mehr und mehr durch Monatsmieten ersetzt. Dazu kann die Förderung des Eigenheimerwerbs zu großen Veränderungen des Markts in diesem Jahr führen.