Die Zahl der Neugeburten in Südkorea ist auf ein neues Rekordtief gefallen. Nach Angaben von Statistics Korea wurden 2017 in Südkorea 357.700 Babys geboren. Das war im Vergleich zum Jahr davor ein Rückgang um elf Prozent. Es ist das erste Mal, dass die Zahl unter 400.000 fiel. Die zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer, oder die durchschnittliche Zahl von Babys, die eine Frau während ihres Lebens zur Welt bringen kann, ging auf das Rekordtief von 1,05 zurück. Zum Thema sagt der Experte Kim Jin-soo von der Abteilung für Soziale Fürsorge an der Yonsei-Universität:
Die Zahl der Neugeburten ist im vergangenen Jahr unter die psychologisch wichtige Schwelle von 400.000 gesunken. Das überschattet die Bemühungen der Regierung, die geringe Geburtenrate anzugehen. Südkorea ist eine der „Gesellschaften mit ultra-niedriger Geburtenrate“, in der sich eine große Rate in sehr kurzer Zeit in eine niedrige verwandelt hat. Es dauerte etwa 100 Jahre für europäische Länder, dass ihre Fruchtbarkeitsziffer von 4,0 auf 1,6 gefallen ist, während es für Südkorea den gleichen Wechsel in nur 15 Jahren gab. Solch ein rascher Rückgang bedeutet, dass das Land nicht genügend Zeit hat, sich auf die Veränderung vorzubereiten. Südkoreas Fruchtbarkeitsziffer lag in den 1960er Jahren noch bei 6,0.
In den 70er Jahren wurden in Südkorea eine Million Babys geboren. Doch die Zahl fiel 2002 auf das Niveau von 400.000. Korea ist das einzige Land, in dem sich die Zahl der Neugeburten in nur einer Generation mehr als halbiert hat. Südkoreas Rate von 1,05 im vergangenen Jahr war der niedrigste Wert unter den Ländern der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
Es gibt verschiedene Faktoren, um die Fruchtbarkeitsziffer zu bestimmen. Bevor ein Paar ein Kind hat, berücksichtigen sie zahlreiche Umstände, einschließlich der Schwangerschaft, der Aufzucht und der Erziehung. Insbesondere ein arbeitendes Paar fragt sich, wer auf die Kinder achtgeben kann, während es arbeiten geht, und wer sich die Privatstunden für ein Kind erlauben kann. Viele von ihnen wollen nur ein Kind, oder sie geben es ganz auf, Kinder zu haben.
Statistics Korea nennt als Grund die schrumpfende Zahl der Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, die im gebärfähigen Alter sind, und die rückläufige Zahl der Heiraten, die im vergangenen Jahr bei 260.000 lag. Insbesondere die Zahl der Babys, die von Frauen von Anfang 30 geboren wurden, ist stark gesunken. Die Geburten pro 1000 Frauen in dieser Altersgruppe fielen zum ersten Mal unter 100. Andere Faktoren sind die finanzielle Last für die Kindererziehung, die steigende Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen, die höhere Zahl von Frauen, die sich wirtschaftlich betätigen, sowie die Geschlechter-Diskriminierung im Arbeitsmarkt:
Die niedrige Geburtenrate ist ein extremes Problem. Ökonomen und Soziologen sind besorgt, dass die abnehmende arbeitende Bevölkerung dazu führt, dass die Wirtschaft erlahmt, und das Land in eine Phase des Niedrig-Wachstums stürzt. Eine der Fragen in dieser rasch alternden Gesellschaft ist, wer die steigenden medizinischen Kosten für die Älteren übernimmt. Pensionen sind ein weiteres Problem. Es wird unmöglich sein, das Pensionssystem zu erhalten, wenn die wirtschaftlich Tätigen die finanzielle Last nicht übernehmen. Das System der Sozialversicherung wird dann bedeutungslos. Die Regierung müsste mehr Steuern einnehmen, um die verschiedenen sozialen Probleme zu beheben, einschließlich der älteren Menschen in Armut. Es ist jedoch schwierig, die Mittel durch höhere Steuern herbeizuschaffen.
Mindestens 400.000 Babys müssen in einem Jahr zur Welt kommen, um den Schock der niedrigen Geburtenrate zu überwinden. Hinzu kommt in Südkorea, dass die Bevölkerung im Arbeitsalter im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2016 um 1,6 Prozent gesunken ist. Wenn sich der Trend fortsetzt, wird die Bevölkerung in fünf Jahren schrumpfen:
Die Regierung hat bisher mehr als 100 Billionen Won, oder 89 Milliarden Dollar, ausgegeben, um die Geburtenrate zu heben. Doch die Anstrengungen blieben fruchtlos. Auch wurde die Regierung dafür kritisiert, das Geld in andere, nicht damit zusammenhängende Bereiche zu stecken. Ein anderes Problem war, dass die Politik auf die Förderung des dritten oder zweiten Kindes einer Familie fokussiert war, obwohl sie schon beim ersten Kind beginnen sollte. Die Regierung hat lediglich die jungen Leute gedrängt, zu heiraten, und Steuervergünstigungen verteilt. Doch das war nicht effektiv.
Im Jahr 2006 legte die Regierung zum ersten Mal einen Plan vor, etwas gegen die fallende Geburtenrate zu unternehmen und sich auf die alternde Gesellschaft vorzubereiten. Seitdem wurden die zweiten und dritten Pläne auf einer Fünf-Jahres-Basis erstellt. Seit 2013 wurde eine Geburten-Unterstützung für alle Familien mit Kindern von 0 bis fünf Jahren bereitgestellt. Doch die Geburtenpolitik ist nicht nur eine Frage des Geldes, es geht auch um Wohnungen und Fortbildung:
Es ist unmöglich, die Fruchtbarkeitsrate in Kürze drastisch zu erhöhen, etwa auf 2,0. Deutschland gibt ein Kindergeld von 360 Dollar monatlich. Auch gibt es verschiedene Unterstützungsprogramme, wie etwa Erziehungsurlaub. Trotzdem liegt die Fruchtbarkeitsziffer bei 1,4, was zeigt, wie schwierig es ist, die Geburtenrate zu erhöhen. Die Regierung sollte nicht nur eine einzige Politik verfolgen, sondern verschiedene gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen. Auch sollte sie spezifische Programme entwickeln, um die Menschen zu ermutigen, mehr Kinder zu haben.
Es scheint nötig zu sein, die bisherige Denkweise zu ändern und langfristige Pläne zu entwickeln, um die Zahl der Neugeburten zu steigern.