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Kultur

Das Theaterstück "Bongseonhwa": Ein vergessenes Stück Geschichte auf der Bühne

2013-12-03

Die 999. Mittwochsversammlung der sogenannten "Trostfrauen". So werden die Sexsklavinnen der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg euphemistisch genannt, die noch immer vergeblich auf eine Entschuldigung und Entschädigung durch die japanische Regierung warten. Die erste dieser Versammlungen fand am 8. Januar 1992 statt, und seitdem versammeln sich die Demonstranten jeden Mittwoch um zwölf Uhr mittags vor der japanischen Botschaft in Seoul. 20 Jahre lang wurde keine Woche ausgelassen, sodass morgen bereits die 1103. Demonstration stattfinden wird. Mit den Jahren haben sich die Mittwochsversammlungen auch auf andere Länder wie Japan, den USA oder Deutschland ausgebreitet. Am 15. August diesen Jahres fand zum Beispiel vor dem Japanischen Generalkonsulat in Los Angeles eine Trauerfeier für das verstorbene Opfer Lee Yong-nyeo statt.

Am 19. September fand auch erstmals eine Mittwochsversammlung in Frankreich statt. Auf dem Platz vor dem Eifelturm machten die Demonstranten auch die Menschen in Europa auf das Schicksal der "Trostfrauen" aufmerksam.

Trotz einer überwältigenden Fülle von Zeugenaussagen und Beweisen versucht die japanische Regierung nach wie vor, sich ihrer historischen Verantwortung zu entziehen. Die Demonstrationen der Betroffenen und ihre Forderungen nach einer Entschuldigung werden ignoriert, die historischen Tatsachen verneint, und in letzter Zeit gab es wiederholt unangemessene Kommentare von japanischen Politikern. Währenddessen werden die betroffenen Frauen immer älter und sterben nach und nach weg.

Viele Gruppen zeigen sich international solidarisch mit den Forderungen der betroffenen Frauen, und auf vielen Ebenen, darunter auch den Vereinten Nationen, wird für sie gekämpft. Auch Kulturschaffende tragen regelmäßig ihren Teil zur Bekanntmachung der Problematik bei. Ein jüngstes Beispiel ist ein Theaterstück, das die tragische Geschichte der Trostfrauen auf realistische Art und Weise auf die Bühne brachte.

Das Theaterstück "Bongseonhwa" wurde ab dem 15. November im Sejong-Kulturzentrum in Seoul aufgeführt.

Der Regisseur Gu Tae-hwan wollte mit dem Stück darauf aufmerksam machen, dass die tragische Geschichte der Zwangsprostituierten aus dem Zweiten Weltkrieg auch heute noch aktuell ist.

Der Kompanieleiter, ich und alle anderen waren uns einig, dass dieses Thema zum jetzigen Zeitpunkt behandelt werden musste. Die Autorin Yun Jeong-mo hat das Thema literarisch am besten verarbeitet. Deswegen entschieden wir uns dafür, mit ihr gemeinsam ein Stück auf die Bühne zu bringen. In letzter Zeit sind die Beziehungen zwischen Südkorea und Japan ja aufs Äußerste gespannt und der Ton ist sehr scharf geworden. Wir fanden, dass wir gerade in der Situation nicht schweigen durften. Im hektischen Alltag denkt man ja leicht, dass das Thema ein Problem vergangener Zeiten ist und einen nicht betrifft. Wir wollten mit dem Theaterstück zeigen, dass das nicht stimmt.



Das Theaterstück "Bongseonhwa" beruht auf dem 1982 erschienenen Roman "Der Name meiner Mutter war Josenpp" von Yun Jeong-mo. Der Begriff "Josenpp" war eine Zusammensetzung aus "Josen", dem japanischen Namen für Joseon beziehungsweise Korea, und dem Buchstaben "P" aus dem englischen Wort für Prostituierte. So wurden die koreanischen Zwangsprostituierten damals von den japanischen Soldaten gerufen. Die Autorin wollte mit dem Buch den Betroffenen eine Stimme verleihen - denn bis zum damaligen Zeitpunkt hatten sich diese versteckt, als seien sie selbst die Täter gewesen.

Der Historiker und Aktivist Im Jong-guk schrieb zwischen 1978 und 1979 ein historisches Werk über das japanische System der Sexsklaverei im Zweiten Weltkrieg. Aber auch danach gab es niemanden, der darüber schrieb, was den Betroffenen wirklich vor Ort passiert war. Deswegen beschloss ich, das Thema aus der Sicht der Betroffenen zu behandeln und auch darüber zu schreiben, welche Auswirkungen diese Geschehnisse bis zur Generation der Kinder hatten. Ich versuchte, mit Betroffenen zu sprechen, aber das war ziemlich schwierig. Denn zum damaligen Zeitpunkt hatte sich noch kaum eine der Frauen öffentlich geoutet. Erst nach dem Erscheinen des Buches habe ich dann viele der Opfer getroffen.

Nach der Veröffentlichung des Buches traten immer mehr der betroffenen Frauen aus der Anonymität heraus und berichteten mit großem Mut über das, was ihnen widerfahren war. Die Berichte schlugen damals gesellschaftlich große Wellen. 30 Jahre später hat die Autorin Yun Jeong-mo nun ihr erstes Drehbuch geschrieben. Ein wichtiger Unterschied zum Originalroman war, dass dort nur der Konflikt zwischen der Mutter und ihrem Sohn behandelt wurde. Im Theaterstück tauchte nun auch noch eine Enkelin auf. So wurde die Problematik über drei Generationen hinweg thematisiert.

Im Jahr 1982 war es vom Alter her richtig, dass es nur eine zweite Generation gab. Aber heute schreiben wir das Jahr 2013, und da muss auch schon die dritte Generation in Form der Enkel auftauchen. Die Figur im Stück studiert Anthropologie, und sie gerät darüber in Konflikt mit ihrem Vater, dem Sohn einer Trostfrau. Ich wollte den Fokus auf die aktuelle Situation richten, gerade in diesem Jahr, wo der japanische Premierminister Abe ja besonders schlimme Kommentare abgegeben hat. Durch diese dritte Generation wurde das möglich. Wenn ein Problem bis zur dritten Generation nicht gelöst wird, dann gerät es in Vergessenheit. Wir wollten daher im Stück betonen, dass die Problematik der Trostfrauen so schnell wie möglich bekannt gemacht und gelöst werden muss.



Für die Bühnenversion wurde der Titel auch in "Bongseonhwa" umgeändert, womit die Zerstörung von Unschuld symbolisiert wurde. Bongseonhwa ist der koreanische Name des Balsam-Springkrauts, mit dem sich koreanische Frauen traditionell die Fingernägel färbten. Die Blütenblätter wurden zerstoßen und mit Alaunsalz zu einer Paste vermischt, mit der dann die Nägel rot gefärbt wurden. Die zerstoßenen Blütenblätter des Balsam-Springkrauts stehen bei dem Titel dafür, wie die Unschuld der jungen Mädchen mit Füßen getreten wurde. Der Regisseur Gu Tae-hwan.

Wir haben den Originalroman zwar als Vorlage genommen, aber für die Bühne wurde nach und nach ein ganz neues Werk daraus. Mit den Blütenblättern färbten sich die Frauen damals ja ihre Fingernägel. Es gab ein Sprichwort, laut dem man einen guten Ehemann finden würde, wenn die Farbe bis zum ersten Schnee des Jahres auf den Nägeln verblieb. Diese Blumen waren damals die einzige Möglichkeit der Frauen, sich zu schmücken, und symbolisierten so ihre bescheidenen Hoffnungen und Träume. Deswegen haben wir den Namen geändert.

In dem Theaterstück wurde der Konflikt zwischen einer ehemaligen Trostfrau, ihrem Sohn Bae Mun-ha und der Enkelin Su-na beschrieben. Der Sohn hat die Vergangenheit seiner Mutter zeitlebens verschwiegen. Dank seines einflussreichen Schwiegervaters kann er Karriere machen und bis zum Universitätspräsidenten aufsteigen.

Doch dann will die Tochter, eine Anthropologie-Studentin, plötzlich zur Trostfrauen-Problematik forschen. Für Bae Mun-ha, der die Geschichte seiner Mutter und damit seinen eigenen Hintergrund immer geheim halten wollte, ist das ein Schock.

Hinter dem Wunsch Baes, die Geschichte ruhen zu lassen, steckt aber noch mehr. Als Kind hatte er miterleben müssen, wie der eigene Vater die Mutter als "Nutte" beschimpfte und misshandelte. Bae, der seinen Vater aufgrund dieser Erfahrungen zutiefst verachtet, will seine Tochter vor dieser schmerzlichen Familiengeschichte schützen und ist daher strikt dagegen, dass sie sich mit dem Thema beschäftigt.

Aus dem verzweifelten Widerstand des Vaters lässt sich erahnen, welch schwere Kindheit er durchgemacht hat. Er zeigt, wie lange die koreanische Gesellschaft sich von den Opfern der Zwangsprostitution abwandte.

Die Schauspieler wurden auf der Bühne in ihrer Darstellung noch von dokumentarischen Filmeinspielungen unterstützt. Dadurch wurden die Erfahrungen der Trostfrauen noch nachdrücklicher vermittelt.

Das Stück selbst ist Fiktion, aber wir behandeln tatsächliche historische Geschehnisse. Wir wollten, dass das Publikum die Handlung nicht als Fiktion wahrnimmt, sondern als historische Wahrheit versteht. Deshalb habe ich dieses dokumentarische Format gewählt. Zwischendurch werden Zeugenaussagen und historische Filmaufnahmen gezeigt. So können die Zuschauer die Ereignisse mit eigenen Augen sehen und nachfühlen. Und nach Ende des Stückes sind die Stimmen von lebenden und verstorbenen Opfern zu hören. Dadurch soll dem Publikum deutlich gemacht werden, dass dieses geschichtliche Problem nach wie vor ungelöst ist.

Am Ende des Stückes steht der Versuch einer Versöhnung. Die Tochter, die gegen den Vater, der seine Vergangenheit verbergen wollte, aufbegehrt; der Vater, der um Verständnis für seinen Schmerz bittet; und die Mutter, die zuliebe ihres Sohnes, der sich für sie schämt, das Haus verlässt; sie alle sprechen sich aus und versuchen so, einander wieder näher zu kommen.

Das realistische Spiel der Darsteller und die Zeitzeugenberichte der betroffenen Frauen in den Filmeinspielungen hinterließen tiefen Eindruck bei den Zuschauern.

Mir ist nach diesem Stück das Herz schwer geworden. Ich hatte natürlich von dem Thema gehört, aber wusste nicht viel darüber. Ich habe es immer nur im Vorbeigehen wahrgenommen. Doch die Vorführung hat einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Ich war zu desinteressiert und habe immer nur gedacht, dass mich das Thema nicht betrifft. Und das bin nicht nur ich, in der gesamten Gesellschaft gerät diese Geschichte immer mehr in Vergessenheit. Das hat mich sehr betroffen gemacht.

Die zunehmend gespannten Beziehungen zwischen Südkorea und Japan haben auch Auswirkungen auf das Schicksal der ehemaligen Zwangsprostituierten, denn sie machen eine Lösung der Frage schwieriger. Doch je länger der Konflikt um das Thema ungelöst bleibt, desto mehr Betroffene sterben, ohne je ein Wort der Entschuldigung gehört zu haben, und desto mehr gerät dieses dunkle Kapitel der Geschichte in Vergessenheit. Das Theaterstück "Bongseonhwa" machte vor diesem Hintergrund eindrucksvoll deutlich, dass die Verletzungen der Opfern auf die nachfolgenden Generationen vererbt werden und das Schicksal der Trostfrauen ein Thema ist, das uns alle angeht.

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