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Kultur

Eine neue Männlichkeit: Metrosexualität in Korea

2014-02-18

Meine Unreinheiten machen mir Stress, vor allem vor den Mädchen in der Schule. Deswegen gehe ich zum Kosmetiker. Danach fühl ich mich frisch und sauber. Natürlich gibt es auch Freunde, die sich darüber lustig machen, dass ich als Mann zum Kosmetiker gehe. Aber die, die selber schlechte Haut haben, verstehen mich. Ich hör nicht auf das Gerede, es ist meine Entscheidung.

Der Oberschüler Lee Dong-jin geht heute regelmäßig zur medizinischen Hautpflege, nachdem sein Hautarzt ihm das wegen seiner Akne empfohlen hatte. Und damit ist er nicht allein. Seit unter den koreanischen Männern das Interesse an Mode, Make-up und Schönheitspflege zugenommen hat, sind Männer beim Kosmetiker kein seltener Anblick mehr. Die Kosmetikerin Lee Jae-ran.



Unter unseren Kunden sind zum einen viele Hochschulabsolventen, die sich wohl wegen der Arbeitssuche um ihr Aussehen kümmern. Aber auch viele Oberschüler in der Pubertät kommen zu uns. Entweder aus eigenem Antrieb oder weil die Mütter wollen, dass sie wegen der Akne behandelt werden. Früher war das Verhältnis von Frauen und Männern acht zu zwei, heute ist es teilweise sogar sechs zu vier.

Die Zeiten, in denen Männer mit Interesse an Schönheitspflege für Verwunderung sorgten, sind auch in Korea vorbei. Auch das starke Geschlecht will heute elegant und gepflegt aussehen und wünscht sich eine gute Haut.

Für Männer muss eine gute Haut weiß sein. Sie fragen immer nach einer aufhellenden Behandlung. Vielen Männern ist eine gute Haut heute wichtiger als den Frauen. Auch die Pflege der Stellen mit Bartwuchs wird häufig verlangt.

Diese neue Art von Mann läuft im Westen meist unter dem Begriff "metrosexuell". In Korea haben sie ein eigenes Wort erfunden: Nach dem englischen Begriff "Grooming" für Schönheitspflege wird diese Gruppe von Männern als "Grooming-Volk" bezeichnet. Und dieses Volk hat regen Zulauf. Der Kulturkritiker Kim Heon-sik.

Auch für Männer ist ein Interesse an Mode und Kosmetik jetzt Pflicht. Vor dem Schlafengehen gibt es eine Maske, vor dem Ausgehen wird das Make-up aufgetragen, und die Kleidung wird passend zur Jahreszeit ausgewählt. Heute wollen nicht nur Frauen hübsch sein, sondern auch Männer. Dafür steht das "Grooming-Volk". "Grooming" bezeichnete ursprünglich die Mähnen- und Schweifpflege beim Pferd. Heute steht es für all diejenigen, die viel für ihr Aussehen tun.

Diese Männer scheuen beim Thema Schönheitspflege und Mode keine Kosten, gehen regelmäßig zur medizinischen Hautpflege und sind Stammkunden bei berühmten Friseuren. Laut Kim Heon-sik ist diese Entwicklung mit der zunehmend pluralistischen koreanischen Gesellschaft, vor allem aber mit der Wirtschaftslage zu erklären.

Die wirtschaftliche Krise hat das Interesse der Männer an Mode und Kosmetik gesteigert. Der eigentliche Beginn dieses Trends kann auf das Jahr 2000 datiert werden, nach der asiatischen Finanzkrise. Wer sich seitdem als Mann nicht um sein Äußeres kümmert, der verliert im gesellschaftlichen Überlebenskampf. Das starke Interesse der koreanischen Frauen an Schönheitsoperationen, Kosmetik und Mode kann damit erklärt werden, dass die äußerliche Erscheinung als ein Mittel für das gesellschaftliche Überleben gesehen wird. Diesem Druck sind jetzt auch die Männer ausgesetzt.



Auch in den Medien transportierte veränderte Schönheitsideale trugen ihren Teil zu dieser Entwicklung bei.

Im Fernsehen, in Magazinen und in Filmen tauchen immer mehr hübsche Jungs auf. Die Medien leben gewissermaßen vor, wie ein idealer Mann heute auszusehen hat, und die Frauen zeigen eine eindeutige Präferenz für diesen Typ Mann. Dies führt zu Imitationseffekten, bei denen normale Männer versuchen, dem in den Medien transportierten Schönheitsideal nachzueifern. Entsprechende Rollen in Film und Fernsehen boten so gewissermaßen den Impuls für die Männer, sich mit Mode und Kosmetik zu beschäftigen.

Irgendwann waren harte Männer aus den koreanischen Fernsehserien verschwunden. Während früher Machos, wortkarge Männer mit gestählten Muskeln und viel Testosteron die Hauptrolle spielten, füllen heute Männer mit weichen und klaren Gesichtszügen und strahlender Haut die Bildschirme.
Ein Beispiel war die KBS-Serie "Boys over Flowers" aus dem Jahr 2009. Die Hauptfiguren der Serie, vier junge Männer aus gutem Hause, machten vor allem mit ihrem gepflegten Äußeren und ihrem auserwählten Modegeschmack von sich reden.

Bei einer Ende letzten Jahres auf KBS ausgestrahlten Serie war dann der Name gleich Programm: "Hübsche Männer" beruhte auf dem gleichnamigen Manhwa der koreanischen Autorin Cheon Gye-yeong. Die Männer in der Serie zählten alle zum neuen Typ Mann und waren zusätzlich auch noch beruflich erfolgreich. Damit eroberten sie die Herzen der Zuschauerinnen.

In letzter Zeit sind hübsche Männer wie Kim Su-hyeon im Trend. Ich find sie toll!

Ich stehe nicht besonders auf Männer mit vielen Muskeln. Ich mag Männer mit weißer Haut, die niedlich sind und die ich am liebsten in den Arm nehmen möchte.


Am schnellsten hat der Kosmetikmarkt auf diesen gesellschaftlichen Trend reagiert. Herr Jeon Sang-gu, der Geschäftsführer der Kosmetikfirma Iljin Cosmetics.

Ab dem Jahr 2005, 2006 stieg die Nachfrage nach Kosmetikprodukten unter Männern plötzlich an. Da wurde nicht mehr nur nach After Shave und Hautcreme gesucht, sondern auch nach anderen Produkten. Die Haut ist für Männer ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Früher waren kernige Männer in, heute geht der Trend mehr hin zur Metrosexualität. Deswegen haben wir für diese Männer neue Produkte entwickelt, die reißenden Absatz finden.

Immer mehr Männer wünschen sich also immer vielfältigere Pflegeprodukte. Das Angebot für Männer kann mit dem für Frauen daher inzwischen durchaus mithalten.

Sonnenschutz gehört zur Grundpflege, und auch getönte Tagescreme wird verwendet. Die Männer wünschen sich eine strahlende, helle und glatte Haut. Je älter sie jedoch werden, desto mehr Falten haben sie und desto dunkler wird der Hautton. Daher entwickeln wir auch Faltencremes und aufhellende Produkte für Männer. Und auch reichhaltige Cremes und Reinigungsprodukte werden gesucht. Nicht einfach nur Seife, sondern Reinigungsprodukte mit speziellen Eigenschaften.

Der südkoreanische Kosmetikmarkt hat dank diesem Trend auch in der Rezession konstante Wachstumsraten verzeichnen können. Laut dem britischen Forschungsinstitut Euromonitor ist die Konsumkraft der koreanischen Männer in Bezug auf Kosmetika weltweite Spitze. Herr Jeon.

Der koreanische Markt für Männerkosmetik wächst derzeit rapide an, 10 bis 15 Prozent im Jahr. Momentan hat er eine Größe von 1,1 Billionen Won, knapp 800 Millionen Euro, und ich denke, er wird weiter wachsen. Das ist erst der Anfang. Der südkoreanische Markt für Männerkosmetik hat derzeit die höchste Wachstumsrate der Welt, gefolgt von China und Japan. Wenn man das Verhältnis zur Gesamtbevölkerung berücksichtigt, hat Südkorea sogar unangefochten den größten Markt.

Neben der Kosmetik zeigen die Männer von heute vor allem Interesse am Hairstyling. Viele fangen früh an, etwas gegen Haarausfall zu tun, und auch die richtige Frisur ist wichtig.

Die Männer sind vor allem an Kopfhautpflege, einer klaren und jungen Haut und einem eleganten Stil für ergrauende Haare interessiert. Früher färbten sich viele ihre weißen Haare einfach schwarz, aber in Zukunft wird wahrscheinlich ein origineller und individueller Umgang mit Farbe bevorzugt werden. Deswegen sind wir dabei, Haarfärbeprodukte für Männer zu entwickeln. Auch Faltenpflege ist gefragt. Wir müssen also Produkte entwickeln, die den Mann gleichzeitig schön machen und seine Männlichkeit betonen.

Eine weitere Auswirkung des gesteigerten Interesses der koreanischen Männer an Mode und Schönheit ist das Aufkommen von Bloggern, die sich ganz auf dieses Thema konzentrieren. In ihren Blogs tragen sie entsprechende Infos für interessierte Männer zusammen. Einer von diesen Bloggern ist Lee Sang-min, der den Blog "Aura M" betreibt.

Ich betreibe den Blog seit ungefähr drei Jahren. Damals war ich auf der Suche nach Informationen zur richtigen Pflege für schlechte Haut, aber alle Blogs richteten sich nur an Frauen. Daher entschloss ich mich, selbst einen Blog für Männer wie mich zu gründen.

Laut Lee Sang-min wurden damals Blogger für Männermode und -kosmetik noch von vielen schräg angeschaut. Aber heute kann er sich vor Anfragen kaum noch retten. Und auch in Männermagazinen nehmen solche Themen einen immer größeren Raum ein. Shin Dong-hyeon, der Chefredakteur des Männermagazins Leon.



In den herkömmlichen Männermagazinen gab es vor allem Artikel zu gesellschaftlichen Themen, Musik oder Mode im Allgemeinen. Unser Magazin gibt es jetzt seit drei Jahren, und wir geben auch konkrete Stilberatung. Wir sagen den Männern, was gerade in ist, welches Stück wo wieviel kostet, was zu welchem Hautton und zu welcher Körpergröße passt. Das kommt gut an. Früher haben Männer ihr ganzes Leben lang das getragen, was ihnen ihre Mutter, ihre Freundin oder ihre Frau herauslegten. Die Männer von heute suchen ihren eigenen Stil, und das spiegelt unser Magazin wider.

Das Männerbild in Korea hat sich also grundlegend gewandelt. Das Aufkommen der "hübschen", metrosexuellen Männer lässt natürlich auch besorgte Stimmen laut werden, die von einem Aussterben der Maskulinität und einer Feminisierung der Männer reden. Aber letzlich ist dieser Trend wohl nur ein weiterer Ausdruck einer gesellschaftlichen Atmosphäre, in der gutes Aussehen alles ist.

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