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Kultur

22 Jahre Mittwochsdemonstrationen

2014-08-12

Wie jeden Mittwoch versammelten sich auch am 30. Juli Demonstranten vor der Japanischen Botschaft in Seoul. Sie forderten Japan zu einer Lösung der Trostfrauenproblematik auf. Mit den „Trostfrauen“ sind die Frauen gemeint, die während dem Zweiten Weltkrieg von der japanischen Armee als Sexsklavinnen verschleppt wurden. Ihre Mittwochsdemonstrationen begannen im Jahr 1992, 22 Jahre später haben insgesamt 1.137 dieser Versammlungen stattgefunden. Frau Yun Mi-hyang, die Vorsitzende des „Koreanischen Rates für Maßnahmen in der Trostfrauenproblematik“, zu den Demonstrationen.

Die Demonstrationen begannen am 8. Januar 1992, als der damalige japanische Premierminister Kiichi Miyazawa Korea besuchte. Bis zu dem Zeitpunkt vertrat die japanische Regierung offiziell die Position, dass Japans Militär und Regierung nichts mit der Zwangsprostitution zu tun gehabt hätten. Japan beharrte darauf, dass das über private Vermittler stattgefunden hätte. Unser Rat entschied sich daraufhin, jeden Mittwoch um 12 Uhr mittags einen Protest zu organisieren. Das ist die Tageszeit, zu der am meisten los ist und zu der alle Angestellten Mittagspause haben. Wir wollten so sicherstellen, dass mehr Menschen teilnehmen konnten.



In wenigen Tagen, am 15. August, feiert Korea wie jedes Jahr seine Unabhängigkeit von der japanischen Kolonialherrschaft. Doch die Opfer der japanischen Sexsklaverei im Zweiten Weltkrieg haben auch dieses Jahr nicht viel zu feiern. Vor allem in den letzten Monaten sind hochrangige japanische Politiker immer wieder mit erschreckenden Bemerkungen über die früheren Sexsklavinnen des japanischen Militärs aufgefallen, und ihre Leiden wurden von japanischer Seite bislang weder anerkannt noch entschädigt.

Es verletzt mich, dass Abe ständig Unsinn von sich gibt. Wir alleine können das nicht schaffen. Auch die Japaner müssen endlich realisieren, was sie getan haben. Belege dafür soll es in Japan genug geben.

Die japanische Regierung war schon immer gut im Lügen. Sie beschuldigen einfach uns, dass wir uns alles ausgedacht haben. Die Japaner sollten endlich aufwachen und sich entschuldigen. Jeder kann einen Fehler machen, aber wer ein wahrer Mann ist, zeigt Reue und entschuldigt sich. Wenn sie einfach so tun, als wäre nichts passiert, wird sich nichts lösen.


Seit 22 Jahren stellen die Demonstranten die immer gleichen Forderungen. Sie wollen ein Eingeständnis der japanischen Regierung, dass die organisierte Sexsklaverei durch Japan stattgefunden hat, eine offizielle Entschuldigung und angemessene Entschädigungen. Doch Japan ist auf diese Forderungen bislang nicht eingegangen. Und so gehen die immer älter werdenden Frauen nach wie vor jede Woche auf die Straße, um zu demonstrieren. Eine der Betroffenen, Gil Won-ok.

Mir tut jeder Knochen weh. Aber sie müssen Reue zeigen und sich für ihr Verbrechen entschuldigen. Ich muss am Leben bleiben, bis das geschehen ist.

Bei den Demonstrationen sind nicht nur Erwachsene dabei, auch Kinder und Jugendliche sind zu sehen. Ihre Unterstützung gibt den alten Frauen Kraft. Frau Kim Bok-dong, ebenfalls eines der Opfer.

Viele junge Menschen, von Grundschülern bis zu Studenten, haben sich unserem Kampf angeschlossen, nachdem sie die Wahrheit erfahren haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sie uns hier unterstützen, bei Hitze und bei Kälte. Alleine für sie wünsche ich mir, dass sich bald eine Lösung findet.

Es dauerte lange, bis die Mittwochsdemonstrationen von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Zu Beginn wurden die Demonstranten von manchen sogar ausgelacht. Frau Yun Mi-hyang.

Bei der ersten Demonstration war keine der eigentlichen Betroffenen dabei. Damals hatten sich gerade einmal zwei oder drei der Opfer zu erkennen gegeben und von ihren Erlebnissen berichtet. Die erste Demonstration wurde also von den Mitgliedern von Frauenrechtsorganisationen bestritten. Erst bei der zweiten Demonstration nahmen die ersten Betroffenen selbst teil. Wir hatten damals 15 bis 20 Teilnehmer, ausschließlich Frauen. Damals konnte man sich noch nicht einmal vorstellen, dass später sogar Kinder auftauchen würden. Wir wurden von Büroangestellten beschimpft, weil wir die schamvolle Vergangenheit ans Licht zerrten. Manche der Frauen versteckten ihr Gesicht hinter Protestschildern oder Sonnenbrillen.


Diese Frauen waren Opfer, aber jahrzehntelang mussten sie sich verstecken, als hätten sie etwas verbrochen. Erst am 14. August 1991 wagte sich das erste Opfer an die Öffentlichkeit: Frau Kim Hak-sun sprach als erste Betroffene über ihren Leidensweg als Sexsklavin der japanischen Armee. Damit machte sie anderen Opfern Mut, und nach und nach machten immer mehr Frauen ihre Geschichte öffentlich. Auch die Mittwochsdemonstrationen fanden immer mehr Zulauf. Frau Yun.

Heute schließt sich auch die junge Generation an. Sie singen mit den alten Frauen Friedenslieder und sagen ihnen, wie beeindruckend sie den Mut und die Ehrlichkeit der Frauen finden. Das bringt ein Strahlen in die Gesichter der ehemaligen Trostfrauen. Heute tragen die Opfer keine Sonnenbrillen mehr oder verstecken nicht ihre Gesichter hinter den Schildern. Sie sehen sich als Friedensaktivistinnen und Verfechterinnen der Menschenrechte. Sie fungieren hier als Geschichtslehrerinnen für die kommenden Generationen. Die Frauen ziehen viel aus diesen Protesten. Am Anfang fiel es ihnen schwer, hierher zu kommen, aber sie gaben nicht auf und blieben trotz allem dabei. Das macht diese Mittwochsdemonstrationen so bedeutungsvoll.

Die Demonstration am 30. Juli fand während der Sommerferien statt. Es waren viele Jugendliche aus dem ganzen Land da und hielten selbstgemachte Schilder hoch. Eine Mittelschülerin, die mit dabei war.



Wir haben im Geschichstunterricht das Thema Trostfrauen durchgenommen. Während dem Schuljahr haben wir keine Zeit, an den Demonstrationen teilzunehmen, deswegen sind wir in den Ferien gekommen. Ich hoffe, dass die Betroffenen bald von Japan entschädigt werden. Wir Schüler werden unseren Teil dazu beitragen, dass das passiert.

In den 22 Jahren ihrer Existenz haben die Demonstrationen auch Unterstützung in aller Welt gewonnen. Die erste Statue in Erinnerung an die Trostfrauen wurde zum Beispiel 2010 im US-Staat New Jersey errichtet. Bis zum 6. August diesen Jahres sind sechs weitere dazugekommen. Auch in Europa ist das Thema auf Interesse gestoßen. Und vor kurzem kritisierte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Japans Haltung zu dem Thema und drängte die japanische Regierung, eine dauerhafte Lösung in der Frage zu finden. Frau Yun.

Das US-Repräsentantenhaus hat bereits vor sieben Jahren eine Resolution zu dem Thema verabschiedet. Auch die Europäische Union, Kanada, und andere Länder in aller Welt haben Resolutionen angenommen, und die Vereinten Nationen haben jedes Jahr Resolutionen verabschiedet und Empfehlungen ausgesprochen. Die internationale Gemeinschaft hat also ein großes Interesse an dem Schicksal der Sexsklavinnen und fordert von Japan, das Richtige zu tun. Für eine Lösung des Problems muss die japanische Regierung ihre Haltung ändern.

Dieses internationale Interesse ist leicht nachvollziehbar. Denn nicht nur Korea ist betroffen. Insgesamt wurden rund 200.000 Frauen aus zwölf Ländern wie Korea, China, den Philippinen und Indonesien im Zweiten Weltkrieg von Japan dazu gezwungen, sich für seine Soldaten zu prostituieren. Diese Verbrechen sind in zahlreichen historischen Dokumenten belegt, und noch gibt es Opfer, die am Leben sind und bereitwillig von ihren traumatischen Erfahrungen berichten. Doch Japan selbst tut nach wie vor nichts für eine Lösung des Problems - und die Zeit wird knapp. Nur noch zwei von ursprünglich 22 Betroffenen, die an den Mittwochsdemonstrationen teilnahmen, sind auch heute noch dabei, und von den ursprünglich 237 bei den südkoreanischen Behörden registrierten Betroffenen leben nur noch 54.

Auch in Japan findet das Anliegen der früheren Trostfrauen Unterstützung. Vom 2. bis 20. Juli wurde zum Beispiel das Theaterstück “Yeong-ja, die Lügnerin” aufgeführt. Es handelt von der 14-jährigen Yeong-ja, die von einem Mann getäuscht und als Sexsklavin verschleppt wird. Das Stück wurde von dem japanischen Theaterautor Asaya Fujita geschrieben, der früher Vorsitzender des Verbandes japanischer Regisseure war. Warum sich ein japanischer Autor dazu entschlossen hat, ein Stück über die Trostfrauenfrage zu schreiben? Herr Fujita.

Das lag daran, dass die japanischen Politiker lügen. Ich wollte zeigen, dass es auch Menschen gibt, die die Wahrheit ans Licht bringen wollen, selbst wenn die Politiker lügen. Wir zeigen auch ein Foto von Premierminister Shinzo Abe auf der Bühne. Ich bin gegen Abes Positionen, und es gibt viele wie mich. In Japan demonstrieren viele vor dem Parlamentsgebäude. Wenn ich in Japan wäre, würde ich auch daran teilnehmen, aber ich arbeite ja gerade in Korea.

Das Theaterstück wurde 1995 uraufgeführt und seitdem in Tokyo und Kagoshima gezeigt. Neunzehn Jahre später wird es immer noch in seiner Originalfassung aufgeführt - denn die japanische Regierung hat ihre Haltung in der Trostfrauenfrage nicht geändert. Dieses Jahr wird das Theaterstück in Korea auf Tour gehen, nächstes Jahr ist eine Tournee in Japan geplant.

Am 19. Juni wurde im Museum der Hanyang-Universität in Seoul eine Ausstellung über die Opfer der Sexsklaverei der japanischen Armee eröffnet. Unter dem Titel „Ullim: Die Geschichten der Opfer der Sexsklaverei des japanischen Militärs“ werden hier Zeichnungen und persönliche Gegenstände der Opfer sowie Artikel über die organisierte Zwangsprostitution des japanischen Militärs gezeigt. Die Kuratorin Kim Eun-yeong.

Das Wort „Ullim“ beschreibt, wie ein Ton sich langsam ausbreitet und widerhallt. Mit dem Titel wollten wir symbolisieren, dass der Aufschrei der Frauen in weite Ferne getragen werden soll. Wir zeigen die Werke von zwei künstlerisch begabten Opfern, die ihren Schmerz, ihre Wut und ihre Frustration auf die Leinwand gebannt haben. Zu Beginn malten sie nur in Schwarz und Rot, aber mit zunehmender Heilung wandelten sich die Farben in Pastelltöne. Ihre Bilder zeigen ihre tragischen Lebensgeschichten.


Es hat sich also viel bewegt, und es gibt viele Menschen, die sich für das Schicksal der früheren Trostfrauen interessieren. Doch solange Japan seine Haltung in der Sache nicht ändert, wird es keine Lösung geben.

Morgen um 12 Uhr mittags, zwei Tage vor dem diesjährigen Tag der Koreanischen Unabhängigkeit, wird wieder eine Mittwochsdemonstration vor der Japanischen Botschaft in Seoul stattfinden. Es wird die 1.139. sein. Aus Anlass des 15. Augusts werden gleichzeitig auch Proteste in den USA und auf den Philippinen stattfinden. Und so wird es wohl jeden Mittwoch weitergehen - bis sich Japan zu einer aufrichtigen Entschuldigung durchringen kann.

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