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Kultur

Mediacity Seoul 2014, das Festival der Medienkunst

2014-09-23

Wenn man etwa 200 Meter an der Steinmauer des Deoksugung-Palastes in Seoul entlang geht, sieht man links einen engen Weg zum Seouler Kunstmuseum, dem Seoul Museum of Art. Normalerweise ist dies eine friedvolle, in einem Stadtwäldchen eingebettete Insel der Kunst und Kultur. Derzeit berichten Besucher aber von merkwürdigen Geräuschen, die aus dem Vorzeigemuseum der Stadt kommen.

Es hört sich an wie eine Flöte oder ein anderes Blasinstrument. Die unheimlichen Geräusche, die eine Gänsehaut auf dem Arm verursachen, kommen aus dem Video „The Spectre and the Sphere“ (etwa „Das Schreckgespenst und seine Domäne“) des irischen Künstlers Jesse Jones. Das Video gehört zur Ausstellung „Mediacity Seoul“, die alle zwei Jahre stattfindet und zurzeit im Seoul Museum of Art besucht werden kann.

Mediacity Seoul 2014 ist eine international Biennale der modernen Kunst im Seoul Museum of Art. Dies ist das achte Festival dieser Art seit seiner Eröffnung im Jahr 2000. Die Biennale will durch visuelle Medienkunst die ästhetischen und humanistischen Seiten der rapiden Veränderungen in Seoul erkunden. Der künstlerische Direktor der Biennale, Park Chan-kyong, erzählt uns mehr darüber:

Mediacity Seoul ist die größte Biennale in Seoul. Über tausend Künstler haben schon an dem Festival teilgenommen, viele von ihnen sind inzwischen weltweit bekannte Künstler geworden. Die Medien sind als Konzept nicht schwer zu begreifen. Jeder benutzt heutzutage ein Smartphone, die Leute sehen darauf Filme und hören damit Musik. Solche elektronischen Geräte werden auf verschiedene Art und Weise benutzt, um die Kommunikation zwischen Menschen zu erleichtern, und dazu gehört auch die Medienkunst. Medienkunst ist ein kommunikationsorientiertes Genre, eine Kombination aus Kunst und moderner Technologie.

Mediacity Seoul hat sich in den letzten vierzehn Jahren als eine international renommierte Veranstaltung etabliert. Das Thema dieses Jahr ist Asien. Hier noch einmal der künstlerische Direktor Park Chan-kyong:



Dieses Jahr haben wir uns auf die Kultur, das Erbe und die Geschichte Asiens konzentriert. Die geographisch eng beieinander liegenden Länder Asiens haben in der Vergangenheit gemeinsame Erfahrungen über den Kolonialismus und den Kalten Krieg gemacht. Über diese gemeinsam erlebte Geschichte Asiens gab es noch nicht viele Ausstellungen, daher hat Mediacity Seoul sich dieses Jahr dazu entschlossen, Asien in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Geschichte der asiatischen Länder wird durch drei Schlüsselwörter charakterisiert: Geister, Spione und Großmütter. Etwa 340 Kunstwerke von 42 Teams aus 17 Ländern werden auf den drei Etagen des Museums ausgestellt.

Geister stehen für die Geschichte, aber nicht die Geschichte, die aus Schulbüchern gelernt wird, sondern die vergessene oder übersehene Geschichte. Wer kennt solche Geschichten? Geister. Das Wort „Geist“ ist ein Ausdruck für Menschen, die sich mit den verborgenen Aspekten der Geschichte auskennen. Es soll uns an die Dinge erinnern, die wir vergessen haben. Der Begriff „Spion“ ist ein Symbol für den Kalten Krieg, der in den asiatischen Ländern einzigartige und bis heute andauernde Prägungen hinterlassen hat. Das Schlüsselwort „Großmutter“ schließlich steht für die Anstrengungen und das Leiden der Frauen in der Zeit der Geister und Spione und wie sie es geschafft haben, eine eigenständige Kultur hervorzubringen.

Im Erdgeschoss des Seoul Museum of Art sind die Erinnerungen an die Gegenwart und Vergangenheit Asiens ausgestellt. Gleich beim Betreten der Lobby sieht der Besucher „Das Schreckgespenst und seine Domäne“ von Jesse Jones. Das Video zeigt ein altes, verfallenes europäisches Theater. Die Kuratorin Jang Hyejin erzählt uns mehr über das Werk.

Die Szene spielt in einem Theater in Europa zu der Zeit, als sich der Kommunismus rapide über den Kontinent verbreitete. Dieses Theater gab es wirklich, dort hatten sich viele europäische Kommunisten und Sozialisten versammelt, um ihre Erklärungen vorzulesen. Auf dem Video ist das Theater aber leer und ganz heruntergekommen, es hat seine Bestimmung komplett verloren. Auf dem Video hört man nur Gemurmel, ein Geräusch wie von Gespenstern. Diese Gespenster sind diejenigen, die unter den kommunistischen Regimen in Europa gelitten haben. Das körperlose Flüstern und Murmeln symbolisiert das Verschwinden des Kommunismus.

Nach der schauerlichen Vorführung trifft der Besucher mehr in der Mitte der Ausstellung auf eine baumähnliche Ansammlung von goldenen Glocken des koreanischen Künstlers Yang Haegue mit dem Namen „Sonic Full Moon“ (etwa „Klangvollmond“). Wer die hervorstehenden Handgriffe im Zentralbereich betätigt, versetzt die Konstruktion in Bewegung und lässt die Blechglocken hüpfen und erklingen. Die Kuratorin Jang Hyejin erzählt uns mehr darüber:

Die Glockenskulptur von Yang Haegue ist von den traditionellen koreanischen Schamanen inspiriert, die mithilfe der Glocken mit den Geistern kommunizieren. Wollen Sie es einmal hören?

Als nächstes kommt der Besucher zu einer gerichtsartigen Anlage des japanischen Künstlers Yuichiro Tamura. Frau Jang Hyejin erklärt dazu:



Das sieht aus wie eine alte Schule. Diese Linie hier auf dem Fußboden zeigt an, wo sich einst ein Gerichtshaus befand. Hier, wo jetzt das Museum steht, befand sich in den 1920ern das alte Oberste Gericht Koreas, das vom japanischen Generalgouverneur eingesetzt war. Herr Tamura wollte die Geschichte des Museums darstellen und rekonstruierte den Gerichtssaal mit Hilfe eines Bühnendirektors. Mehr als ein Jahr lang studierte er die Geschichte des Gerichts, sammelte alte Aufzeichnungen, kam oft zu Besuch hierher und baute den Ort schließlich auf Basis der Originalzeichnungen nach. Es kommt einem vor, als sei man mit einer Zeitmaschine zurück in die 1920er versetzt worden.

Das Oberste Gericht Koreas befand sich einst an der Stelle, wo heute das Seoul Museum of Art steht. Der japanische Künstler Yuichiro Tamura rekonstruierte den Gerichtssaal aus der Kolonialzeit von 1928, um einen Mordprozess nachzustellen, der in der japanischen Edo-Zeit stattfand. Im Jahr 1764 war ein Mitglied einer diplomatischen Delegation aus Joseon von einem japanischen Krieger niederen Ranges getötet worden. Tamura hat uns die düstere Atmosphäre des Verfahrens übermittelt, um uns daran zu erinnern, wie schwierig es ist, die Wahrheit herauszufinden. An der Wand in der Mitte hängt ein Ölgemälde des koreanischen Künstlers Joo Jae-hwan mit dem Titel: „Die Welt hat ihre Farben verloren; Sonne und Mond haben ihre Leuchtkraft verloren“. Das Bild zeigt den Vollmond vor einem dunkel-grünblauen Himmel über einem dunklen Wald. Der Maler sagt, der dunkle Farbton dieses Kunstwerks soll die Wirklichkeit in Asien repräsentieren. Der Koordinator der Ausstellung, Lee Hyun-in, erklärt uns mehr über das Bild:

Joo Jae-hwan ist Gründungsmitglied von „Wirklichkeit und Ausdruck“, einer populären Künstlergruppe, die 1979 gegründet wurde. Er ist ein sehr aktiver Maler, der versucht, soziale Zustände in seinen Bildern satirisch auszudrücken. Das Bild für die Ausstellung Mediacity Seoul soll Asiens heutige Situation darstellen, wo fast täglich Katastrophen zu vermelden sind, und trägt den Titel: „Die Welt hat ihre Farben verloren; Sonne und Mond haben ihre Leuchtkraft verloren“.

Und dann gibt es „Das parallele Leben der Anderen – Begegnungen mit dem Spionagering Sorges” von Tomoko Yoneda, eine Serie von Fotografien, die von den Eindrücken japanischer und russischer Spione im Oktober 1941 erzählen, unmittelbar vor dem Ausbruch des Kriegs im Pazifik. Auch die „Natürliche Telefonzelle“ von Nilbar Gure hinterlässt mit seinen Bildern kurdischer Flüchtlinge, die gezwungen sind, in den Bergen ihre Mobiltelefone zu benutzen, unvergessliche Eindrücke beim Besucher.

Auf dem Weg in den ersten Stock kann man ein Bild von einem Boot sehen, das auf dem Festland gestrandet ist. Es stammt von Jo Hae-jun und Lee Kyeong-soo und trägt den Titel: „Ein Schiff hält das Meer für Land“. Es ist Ausdruck eines kollektiven Erinnerungsstücks koreanischer Väter. Frau Jang Hye-jin erzählt uns mehr dazu.

Das Boot besteht aus Schichten von geschmolzenem Paraffin und Kerzenwachs. Und das Bild, das das Boot und die Treppe miteinander verbindet, wurde von Jo Hae-jun und seinem Vater mit Stift und Tinte gemalt. Der Sohn des Künstlers zeichnete die Erinnerungen seines Vaters, und der Vater füllte das mit Farbe und Pinsel aus. Das Stück zeigt die alten Erinnerungen des Vaters an den Krieg, die japanische Besetzung und andere geschichtlichen Ereignisse.

Der erste Stock der Ausstellung enthält eine Reihe von religiösen Bildern und Videos aus Asien. Der Fotograf Kim Soo-nam hat Szenen der alten koreanischen religiösen Zeremonie namens „gut“ festgehalten, um den verloren gehenden lokalen Glauben zu dokumentieren.

Kim Soo-nam untersuchte die koreanische Kultur des Schamanismus aus einer akademischen Perspektive. Er hat die alte Religion, die durch andauernde Verleugnung und Herabwürdigung fast verschwunden war, mit seinen Fotografien wieder zurückgeholt. Interessant ist auch, die Bilder koreanischer und japanischer Künstler miteinander zu vergleichen, die in derselben Zeit ganz ähnliche Rollen gespielt haben.

Der Videokünstler Jawshing Arthur Liou hielt die 2.300 Kilometer lange Pilgerreise von der tibetanischen Hauptstadt Lhasa zum Berg Kaliash fest, um zu zeigen, wie sich der Buddhismus über den Rest der Welt verbreitet hat. Während der Besucher die visuellen Ausflüge in verschiedene asiatische Kulturbereiche auf sich wirken lässt, springen ihm die auffälligen Töne aus „Großmutters Salon: Von der anderen Seite der Stimmen“ in die Ohren.

Man kommt einfach nicht dran vorbei. Der Titel ist: „Großmutters Salon: Von der anderen Seite der Stimmen“. Wer sich auf dem ersten Stock aufhält, wird davon ganz eingenommen. Wollen Sie es einmal hören?

Die Audio-Clips von singenden und erzählenden Großmüttern erzeugen bei den Leuten ein Gefühl der Nostalgie und erinnern sie an ihre eigene gliebte Oma.

Auf dem zweiten Stock ist das Video „Sea Women“ („Meerfrauen“) von Mikhail Karikis über ein Dorf tauchender Frauen auf der Jeju-insel zu sehen. Das Geräusch, das man hier hört, nennt man „sumbi-sori“, und es stammt von den tauchenden Frauen, die „haenyeo“, wenn sie aus dem Meer auftauchen. Der Koordinator Lee Hyun-in erzählt uns mehr darüber.

Mikhail Karikis lebte eine Zeit lang auf der Jeju-Insel, um diesen Film zu drehen. Das typische an diesem Film ist das einzigartige Geräusch der haenyeos von Jejudo. Die Taucherinnen dieser Insel machen das nicht nur, um Luft zu holen, sondern es dient auch der Kommunikation in der rauen See. Traditionell war Korea eine patriarchalische Gesellschaft, nur auf der Jeju-Insel besaßen die Frauen mehr Macht als ihre Männer. Leider nimmt die Gruppe der tauchenden Frauen an Zahl und Einfluss ab, und das versuchte der Künstler festzuhalten. Sein Video zeigt die Bedeutung der „Großmütter“, eines der Schlüsselwörter der Biennale.

Ferner befindet sich die „Meisterklasse Mansudae“ von Che Onejoon im zweiten Stock. Man sieht hier gigantische Statuen afrikanischer Führer, die von nordkoreanischen Künstlern erbaut worden sind, um das Image Nordkoreas und seiner Juche-Ideologie aufzuwerten. Die Tatsache nordkoreanischer Strukturen in Afrika lässt uns bewusst werden, dass der Kalte Krieg immer noch nicht ganz zu Ende ist. Frau Jang Hye-jin erklärt dazu:

Das Video zeigt die Beziehung zwischen Nordkorea und Afrika sowie die künstlerischen und soziopolitischen Implikationen der Arbeiten nordkoreanischer Künstler in Afrika. Man kann hier drei Dokumentationen und auch nordkoreanische Architekturbücher sehen sowie Pläne für Gebäude und Zeitkarten nordkoreanischer Arbeiter.

Der australische Videokünstler Pilar Mata Dupont steuerte ein Video mit dem Titel „Die Umarmung“ bei, in dem man zwei Menschen in einer Umarmung sieht, deren Blicke aber unbeholfene Hilflosigkeit ausdrücken. Das Video soll die gegenwärtige Beziehung zwischen Nord- und Südkorea ausdrücken. Der Maler Choi Gene-uk will mit seinen Acrylbildern „Nordkorea A“ und „Nordkorea B“ ein friedfertiges Nordkorea darstellen. Und der vietnamesische Medienkünstler Truong Cong Tung versucht in seinem Werk „Der Zaubergarten“ zu zeigen, wie das vietnamesische Volk durch seinen Glauben körperlich und geistig geheilt werden kann.

Die diesjährige Biennale Mediacity Seoul im Seoul Museum of Art befasst sich mit den alltäglichen Erlebnissen Asiens und orientiert sich an den Stichwörtern „Geister, Spione und Großmütter“. Dabei kommen die eigentümlichen Persönlichkeiten, Perspektiven und Intentionen der teilnehmenden Künstler zum Ausdruck, um Asien vertrauter und liebenswerter erscheinen zu lassen.

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