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Lifestyle

Syrische Flüchtlinge in Südkorea

#Sie fragen, wir antworten l 2016-06-11

Hörerecke

Q:Auf CNN war in den letzten Tagen öfters ein Bericht mit dem Titel "Migrants stuck in Limbo in South Korean Airport" zu sehen. Frage dazu: Nimmt denn Südkorea keine Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Marocco Algerien etc. auf? Wenn nein, warum nicht? Als UN-Generalsekraeter Ban Ki-moon vor ein paar Tagen im österreichischen Parlament in Wien sprach, kritisierte er die österreichische, Regierung weil sie nicht mehr als 90.000 Flüchtlinge pro Jahr aufnehmen will, und das bei nur ca. 8 Mio. Bevölkerung. Wird an der südkoreanischen Regierung denn auch Kritik von der UNO wegen angeblicher Hartherzigkeit gegenüber Menschen in Not geübt? Oder ist in diesem Fall Ban Ki-moon eher zurückhaltend?


A:UNO-Generalsekretät Ban Ki-moon wurde bereits im September 2015 in der Presse vorgeworfen, dass er nicht reiche Staaten wie Qatar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi Arabien, Kuwait und Bahrain dazu aufgerufen hat, den syrischen Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren. In diesem Zusammenhang wurden dann auch Russland, Japan, Singapur und Südkorea genannt. Kritik an Südkoreas Haltung kommt dann aber weniger von der UNO, also von engagierten südkoreanischen Bürgergruppen. Zunächst einmal ist es aber nicht so, dass Südkorea in der Flüchtlingsfrage nichts tut. Korea ist aber im Gegensatz zu Deutschland kein Land, das ohne weiteres eine „Wir schaffen das!̀̀́̀̀„ Politik proklamieren könnte. Korea ist kein klassisches Flüchtlings- und Asylland und kann es auch nicht so einfach werden. Auf die Gründe dafür bin ich am 3. März 2015 in der HE näher eingegangen, Sie können die Antwort auf unserer Webseite unter den Hörerfragen genauer nachlesen. Kurz zusammengefasst: Gründe sind u.a. die stark homogene und bis vor einigen Jahrzehnten nach außen noch weitgehend geschlossene koreanische Gesellschaft, die vergleichsweise späte wirtschaftliche und industrielle Entwicklung Koreas und damit einhergehend der langsame Aufbau des koreanischen Sozialversicherungssystems, der erst in den 1990er Jahren einigermaßen landesweit und alle Bevölkerungsschichten abdeckend abgeschlossen war. 2014 stand Südkorea unter den 32 OECD-Mitgliedsländern in puncto Ratio von BIP zu Sozialausgaben mit 10,4% aber nur auf Platz 30, vor Chile mit 10,0% und Schlusslicht Mexiko mit 7,9%. Zum Vergleich: Bei Spitzenreiter Frankreich beträgt die BIP-Sozialausgabenratio 31,9%, in Deutschland 25,8%. Es besteht also zum Teil noch Bedarf in der grundlegenden, ich betone hier GRUNDLEGENDEN, sozialen Sicherung für die gesellschaftlich Schwachen in Südkorea, insbesondere angesichts des schnellen demographischen Wandels, der in Korea mit Weltspitzengeschwindigkeit fortschreitet; weiterhin angesichts der zunehmend auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich, steigender Arbeitslosigkeit bzw. prekärer Beschäftigung junger Menschen usw. Diese Realität hinter der Erfolgsfassade Südkorea - eigentlich hinter der Erfolgs- und Glitzerfassade der Vorzeigemetropolen wie Seoul und Busan - wird aber weniger gesehen.

J:Hinzu kommt, dass in Südkorea erst einmal nordkoreanische Flüchtlinge Priorität haben und das Land quasi jederzeit mit einer Flüchtlingswelle aus dem Norden rechnen muss. Auch das ist ein Grund für Zurückhaltung. Nichtsdestoweniger versucht Südkorea sich finanziell in der Flüchtlingshilfe. Es hat 2015 $23,45 Mio. an humanitärer Hilfe für Syrien gezahlt und 2016 noch einmal $12 Mio. zugesagt. Mit Stand von November 2015 sind 200 Syrer auf der Suche nach Asyl nach Südkorea gekommen, Bürgerrechtsgruppen sprechen von über 500. Wenigstens 135 wurde bislang der Aufenthalt aus humanitären Gründen erlaubt, d.h. sie sind nicht offiziell als Flüchtlinge anerkannt, was wiederum bedeutet, das sie keinen Anspruch in Bezug auf Unterstützungsleistungen in puncto Arbeit, Gesundheitsversorgung, Bildung, Unterstützung für Kinder usw. haben. Sie leben in einer Siedlung am Rande von Incheon und müssen ihren Status jedes Jahr erneuern lassen, was es z.B. schwer macht, Arbeit zu finden, bzw. was diese Menschen leichter zu Opfern der Ausbeutung skrupelloser Arbeitgeber auf der Suche nach billigen Arbeitskräften macht. Man geht davon aus, dass sie später wieder in ihre Heimat zurückkehren.

A:Diese Situation wird auch von den koreanischen NGOs öffentlich kritisiert. Kritiker weisen darauf hin, dass dadurch auch Südkoreas Ruf als Mitglied der UNO-Flüchlingskonvention, der es 1992 beigetreten ist, unterminiert wird. Nicht zu reden von seinem Status als erstes Land in ganz Ostasien, - ich betone: erstes Land in ganz Ostasien - das 2012 sein eigenes Flüchtlingsgesetz auf den Weg brachte, verabschiedet 2013. Für nordkoreanische Flüchtlinge gelten in diesem Kontext natürlich andere Regelungen. - Ein weiterer Punkt für die südkoreanische Zurückhaltung in Sachen Aufnahme von Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien ist die Angst vor Terrorattacken. Nach Aussagen des koreanischen Geheimdienstes sollen seit 2010 48 Ausländer im Zusammenhang mit angeblichen Verbindungen zu terroristischen Organisationen wie dem IS ausgewiesen worden sein. Als der IS im August 2015 Südkorea neben Japan, Taiwan und anderen Staaten als Mitglied der von den USA geführten Kreuzritter-Koalition nannte, erhöhte Südkorea die Sicherheitsstufe auf die zweithöchste Stufe, also Vorsicht, und hat die Sicherheitsvorkehrungen angezogen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Flüchtlinge aus, die z.B. aus Syrien in Korea Unterschlupf suchen. Hier besteht wie in vielen anderen Ländern auch das Paradox, dass die Flüchtlinge, die vor dem Terror geflohen sind, als potentielle Terroristen gesehen werden. Das aber tatsächlich Vorsicht geboten ist, machen entsprechende Meldungen aus Europa immer wieder klar.

J:Koreanische Fürsprecher für die Flüchtlinge betonen auch, dass angesichts der starken kulturellen Identität Koreas und der Koreaner kaum mit einer aktiven muslimischen Bewegung in Korea zu rechnen sei. Nicht ausgeschlossen seien aber ernste Konflikte zwischen Menschen aus unterpriviligierten multikulturellen Familien und muslimischen Arbeitern, wenn sich koreanische Arbeitgeber die Not der Flüchtlinge durch ungerechte Behandlung zunnutze machen, um Kosten zu drücken.

A:Was nun die im CNN-Bericht angesprochenen 28 jungen syrischen Männer betrifft, die sich zusammen mit anderen Flüchtlingen im Incheoner Flughafen unter beengten Verhältnissen aufhalten sollen - die Angaben zur Gesamtzahl der Flüchtlinge schwanken zwischen 116 und 180 Personen - so bleibt ihr Schicksal abzuwarten. Ein Punkt ist, dass sie aus sicheren Herkunftsländern nach Korea gekommen sein sollen und nicht aus den Kriegsgebieten. Seit 1994 haben in Korea nur drei Syrer Flüchtlingsstatus zugesprochen bekommen, 668 wurde seit 2014 Aufenthalt aus humanitären Gründen gewährt, was zwar ihre physische Sicherheit garantiert, aber - wie vorhin schon erwähnt - ihnen keinen Anspruch auf bestimmte staatliche Unterstützungen gibt. Es wird, wie gesagt, erwartet, dass sie nach Beilegung des Konflikts in ihre Heimat zurückkehren.

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