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Lifestyle

Selbstmord in Korea und Selbstmorde auf der Mapo-Brücke

#Sie fragen, wir antworten l 2015-10-10

Hörerecke

Q:: Einer der Hörerfreunde ist auf einen Bericht gestoßen, nach dem die Stadtregierung Seoul 2012 die Mapo-Brücke, die die Insel Yoido, wo sich KBS World Radio befindet, mit dem Stadtteil Mapo-gu auf der Nordseite des Han-Flusses verbindet zur „Brücke des Lebens“ deklariert hat.

Einst war diese Brücke eine Brücke der Traurigkeit, auf der verzweifelte Menschen sich das Leben nahmen. Jetzt ist es ein Platz der Hoffnung - heißt es in dem Bericht. Nachdem die Stadtregierung Aussichtsplattformen und höhere, illuminierte Absperrvorrichtungen installierte, die mit Fotos, die auf den Wert des Lebens aufmerksam machen, sowie aufmunternden Sprüchen dekoriert sind, ist die Zahl der Selbstmorge gesunken.

Ich habe von dieser Art der Prävention noch nichts gehört. Eigentlich ist es doch ein einfaches Rezept, wenn man an allen noralgischen Punkten solche Maßnahmen treffen würde, dann müsste doch die Rate der Selbstmorde zurückgehen, oder? Ich denke, dass sich die Zahl der Selbstmorde in Korea nur unwesentlich von denen der restlichen Welt unterscheidet, oder?


A:In beiden Fällen nein. Südkorea hat nach wie vor eine der höchsten Selbstmordraten, nicht nur unter den OECD-Ländern, sondern weltweit. 2012 stand Südkorea nach den Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO in Sachen Selbstmord weltweit auf Platz 2 hinter Guyana. In Zahlen ausgedrückt: 2012 brachten sich in Korea 28,9 von 100.000 Menschen um. Das macht 14.160 Menschenleben und durchschnittlich 39 Selbstmorde pro Tag. Zum Vergleich: in Deutschland waren es 2012 nur 9,2 Selbstmorde auf 100.000 Menschen, was Platz 77 ausmachte.

In den letzten Jahren ist die Selbstmordrate in Korea dank der Kampagnen von Regierungsseite und NGOs und der Einrichtung von Unterstützungszentren und entsprechenden Hotlines zwar etwas gesunken, aber 2014 gab es trotzdem immerhin noch 27,3 Selbstmorde pro 100.000 Personen, ein Rückgang von 4,1% im Vergleich zu 28,5 Selbstmorden 2013. Damit steht bei Menschen mittleren Alters Selbstmord als Todesursache statistisch gesehen an zweiter Stelle hinter Krebs.

Auf die Hintergründe und die Frage der Akzeptanz von Selbstmord in der koreanischen Gesellschaft und die religiöse Sicht auf Selbstmord, die hier auch eine Rolle spielen, sei an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Wer sich dafür interessiert, der klicke sich auf unserer Webseite word.kbs.co.kr/german bis zur Nr. 29 durch. Dort finden Sie unter der Hörerfrage zum 24. März 2009 ausführliche Infos zu diesem Aspekt des Themas.

Die Aktion „Brücke des Lebens“ die von der Seouler Stadtregierung und der Samsung Lebensversicherung 2012 als Selbstmord-Prävention initiiert wurde, hat sich leider als Schuss nach hinten erwiesen. Die Mapo-Brücke, eine von 31 Brücken über den Han-Fluss, ist neben der benachbarten Seogang-Brücke seit jeher die beliebteste Brücke für Selbstmorde. Diese unrühmliche Tatsache brachte die Stadt Seoul dann auf die Idee, oberhalb des Brückengeländers Sensoren-gesteuerte Panelen anzubringen, die aufleuchten, sobald sich ein Passant nähert, und ermunternde Botschaften zeigen. Da kann man dann z.B. lesen: Ich weiß, Sie hatten heute einen harten Tag. Und dann geht es weiter nach dem Motto: Ja, heute sieht alles schwarz aus. Aber morgen ist ein neuer Tag. Warum rufen Sie nicht einmal Freunde an? - Oder: Schwierigkeiten im Leben fließen vorbei genau so wie der Fluss unter ihnen.

Dazwischen sind Fotos von Menschen aller Altersklassen zu sehen, die den Wert von Familie und Freunden beleuchten, sowie Bilder der Lieblingsspeisen der Koreaner.

Nach den Statistiken des letzten Jahre ging die Zahl der Selbstmorde auf der Mapo-Brücke aber entgegen allen Erwartungen nicht zurück, sondern stieg: 2012, als die Brücke zur „Brücke der Hoffnung“ wurde, waren es 15 Selbstmorde, 2013 bereits 93 und 2014 sogar 184. Laut Psychologen macht die Brücke vielen latenten Selbstmördern Selbstmord als Ausweg erst richtig bewusst. Das belegen auch psychologische Experimente, die in diesem Zusammenhang zitiert werden: Einer Gruppe wurde z.B. gesagt, NICHT an einen weißen Bär denken und sich weiter unterhalten. Diese Gruppe dachte gerade DESHALB an den weißen Bären. Der Vergleichsgruppe wurde gesagt, an den weißen Bär zu DENKEN und sich weiter zu unterhalten. Diese Gruppe vergaß den weißen Bären.

Das macht verständlich, warum die Brücke latent Selbstmordgefährdete zum Springen bringen kann: Sie will zwar Hoffnung aufzeigen, macht aber gerade auch bewusst, was im Leben fehlt und bringt damit erst auf den Gedanken, dass Selbstmord ein Ausweg sein könnte. Übrigens gibt es auf der Brücke sowohl Notruf-Telefone, um auf Selbstmord-Kandidaten hinzuweisen, als auch Sorgentelefone, um sich die Nöte von der Seele zu reden.

Erwähnt werden sollte auch, dass die Zahl der Selbstmordversuche auf der Mapo-Brücke zwar gestiegen ist, dass mit der Installation von Überwachungskameras die Zahl derer, die gerettet werden konnten, aber ebenfalls gestiegen ist, was auch für die übrigen Brücken über den Han gilt. Wurden 2012 nur 51,5% der Brückenspringer gerettet, waren es letztes Jahr schon 97,2%. Wenn die Notrufnummer 119 gewählt wird, sollen bereits innerhalb von vier Minuten Rettungsteams vor Ort sein.

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