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Nordkorea

Dating- und Hochzeitstrends in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2023-07-19

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ KBS News
In Südkorea findet sich der neue koreanische Ausdruck „Bihon“. Er ist auf Personen gemünzt, die unverheiratet beziehungsweise im „Single-Zustand“ bleiben. Für sie ist die Eheschließung eine individuelle Wahl und nicht mehr ein Vorgang, den jemand in seinem Leben durchlaufen muss. Auch in Nordkorea erhöht sich die Zahl derjenigen, die mit jemand anderem ohne Vermählung zusammenleben oder eine Heirat komplett ausschließen. Auch wird gesagt, dass sich dort südkoreanische Dating- und Heirats-Gepflogenheiten immer mehr verbreiten. Hintergrund dafür ist die Verbreitung südkoreanischer Kulturinhalte, wie das etwa durch Fernsehserien und Filme geschieht, und gegen die die nordkoreanischen Behörden vorgehen. Die nordkoreanischen Staatsmedien zeigen häufig verheiratete Paare, die Heiratsfotos mit dem Zuspruch ihrer Verwandten und Freunde unter freiem Himmel machen lassen. Es wird jedoch berichtet, dass die Behörden diese Art von Gepflogenheiten auf der Grundlage des Gesetzes zur Garantie der Jugenderziehung, das im September 2021 verabschiedet wurde, immer mehr regulieren wollen. Der vierte Abschnitt des Artikels 42 des Gesetzes verbietet außerordentliche Hochzeitszeremonien. Zum Thema sagt Yee Ji Sun vom Korea-Institut für Nationale Vereinigung in Seoul: 

Früher lag es im Trend, besonders unter wohhabenden Bürgern aus Pjöngjang und Bewohnern größerer Städte, Hochzeitszeremonien in berühmten Restaurants wie dem Okryugwan und dem Kyunghunggwan abzuhalten. Einige organisierten Hochzeitszeremonien im Restaurant der “Rainbow Boat”, einem Ausflugsboot auf dem Fluss Taedong in Pjöngjang. Bis 2017 wurde in den Staatsmedien ein Hochzeitsempfang in einem Restaurant mit wohlhabenden Leuten in Pjöngjang verbunden. Da waren auf Fotos Bräute zu sehen, die Hochzeitskleider aus China trugen, während schicke Restaurants, die auf Hochzeitsfeiern spezialisiert waren, Mahlzeiten für fünf Dollar pro Gast anboten. Das ist sehr teuer. Seit 2018 jedoch reguliert Nordkorea das Hochzeitsgeschäft, das als Teil großbürgerlichen Lebensstils beschrieben wurde, und geht stärker gegen ausländische Kultureinflüsse vor, die das Wohlstandsgefälle im Land offenbaren und die sozialistische Kultur verdrängen. Nordkorea ging so weit, die entsprechenden Praktiken per Gesetz zu verbieten. 

Das nordkoeranische Familiengesetz erlaubt die Verheiratung ab 18 Jahre für Männer und ab 17 für Frauen. Bis Anfang der 2000er Jahre galt als ideales Heiratsalter für Frauen 23 bis 25 Jahre und für Männer 27 bis 30 Jahre. Doch das durchschnittliche Heiratsalter ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Ein nordkoreanischer Flüchtling sagt:

Heutzutage hoffen viele Nordkoreaner, jemand heiraten zu können, den sie wirklich lieben. Das ist im Vergleich zu früher eine große Veränderung. Vorher galten Leute, die noch in ihren Dreißigern unverheiratet waren, als solche, die außerhalb der Norm leben. Doch jetzt zögern viele, Kinder zu bekommen, und sie wollen den “You Only Live Once”-Lebensstil genießen. Sie glauben, ein glückliches Leben können sie nur führen, wenn sie unverheiratet bleiben. 

Früher wurden die Ehen normalerweise noch arrangiert. Nordkoreanische Flüchtlinge sagen jedoch, dass sich die Dating-Trends komplett gewandelt hätten: 

Junge Paare sind im Vergleich zu früher viel mutiger. Sie umarmen sich auf der Straße oder küssen sich, nachdem es dunkler geworden ist. Ältere Menschen missbilligen das öffentliche Ausstellen von Gefühlen, doch laufen jetzt viele Hand in Hand. 

Die jüngeren Nordkoreaner und Nordkoreanerinnen wünschen sich eine romantische Beziehung: 

Früher entschlossen sich die Nordkoreaner für eine arrangierte Heirat, die von ihren Familien geplant wurde. Doch heute ist es zur Gewohnheit geworden, sich mit jemandem zu verabreden, den man liebt, und dann diese Person zu heiraten. Bis Anfang der 2000er Jahre verabredete sich ein junger Mensch mit einer Person, die eine andere war als die, die sie heiraten und die für sie ausgewählt wurde. Während Liebesheiraten zur Normalität wurden, bevorzugen Leute aus der Oberschicht noch immer verabredete Ehen, bei denen der soziale und wirtschaftliche Status des Ehepartners berücksichtigt wird. Besonders Frauen, die finanziell stabil und eigenständig sind, sind aktiver geworden, was Dating und die Vermählung betrifft, und die zu den wechselnden Trends bei den Liebesheiraten beitragen. Leistungsfähige Frauen haben eine Beziehung zu Männern, die Aussicht auf Erfolg haben und diese dabei unterstützen können. Nach der Heirat streben die Frauen einen größeren Wohlstand und Macht an. Streng gesehen kann das eher als Investition in die Zukunft als eine Liebesheirat gesehen werden. Das heißt, einige Leute sehen die Partnersuche und Heirat als Mittel dazu, Wohlstand und Macht zu erwerben. 

Eine nordkoreanische Kurzgeschichte mit dem Titel „Talent“ von 2022 zeigt, dass Liebesheiraten zu einer Art Norm geworden sind: 

In der Geschichte haben ein älterer Mann mit dem Vornamen Ko und seine Frau ein Kind. Ihr einziger Sohn ist klein und trägt eine Brille mit dicken Gläsern, weil er kurzsichtig ist. Schlimmer noch: Er wird vom Militärdienst ausgeschlossen, was bedeutet, dass er einen ernsthaften Mangel hat. Doch ist er geschickt mit den Händen, und er erhält Preisgelder und Auszeichnungen. Seinen Eltern stellt er eine mögliche Schwiegertochter vor, die schön und größer ist als er selbst. Die Eltern sind bereit, die Liebesheirat zu akzeptieren. Sie sind glücklich darüber, dass ihr Sohn ein Mädchen trotz seiner Mängel heiratet. Das wäre bei einer arrangierten Hochzeit nicht möglich. 

Mit Ausnahme großer Städte finden Hochzeitsfeiern in Nordkorea meistens noch im kleineren Nachbarschaftskreis statt. Das Gedicht „Eine Geschichte von Heirat und Segnung“ von Ryom Hyung-mi porträtiert eine Dorfgemeinschaft, die den Hochzeitstisch vorbereitet:

Während Menschen in den großen nordkoreanischen Städten ein Restaurant für eine Hochzeitszeremonie buchen, halten sich Bewohner in den Bauerndörfern noch an traditionellen Heiratsritualen. Eine Hochzeitszeremonie wird im Haus der Braut oder des Bräutigams abgehalten. Die Dorfbewohner bereiten gemeinsam das Festessen zu und gratulieren dem verheirateten Paar. Im Mittelpunkt stehen dabei Pfannkuchen. Das Gedicht beschreibt Dorfbewohner, die sich auf einem Platz versammeln und verschiedene Gemüse, darunter Zucchini und selbst Blumen, braten. Das Gedicht beschreibt, wie der Dampf aus dem Reiskocher kommt und große Schüsseln und Körbe mit Reiskuchen und anderem Essen gefüllt sind. Es ist nicht nur eine Familienfeier, sondern ein Fest für das ganze Dorf. 

Am Ende der Feier stellen sich die Familienmitglieder zu Fotos zusammen. Das ist offensichtlich der wichtigste Teil der Hochzeit, obwohl das neuvermählte Paar sein Hochzeitsfoto eigentlich vor Statuen der früheren Machthaber Kim Il-sung und Kim Jong-il machen müsste:

Wenn eine Hochzeitszeremonie im Haus der Braut oder des Bräutigams stattfindet, werden Decken auf dem Boden gestapelt, und das Paar sitzt auf ihnen hinter einem Hochzeitstisch, so dass der Blick auf sie nicht durch die Speisen auf dem Tisch blockiert wird. Die Paare machen vielleicht Fotos in einem Fotostudio an ihrem Verlobungstag, aber üblichlicherweise werden Bilder am Hochzeitstag vor dem Hochzeitstisch gemacht. Sie können dafür einen Fotografen bestellen, der Bilder von ihnen und zusammen mit der Familie macht. Einige machen auch mit ihren Handys Videos. Fotos werden innerhalb und außerhalb des Hauses, etwa an touristischen Orten in der Nähe, gemacht. 

Für viele ist die Hochzeit der Höhepunkt ihres bisherigen Lebens. Nach der Vermählung beginnt jedoch für einige ein schwieriges Leben. Der nordkoreanische Film „Unsere Nachbarn“ von 2013 behandelt dieses Thema. Die Heldin des Dramas hat wie ihr Mann eine Arbeit. Doch wird sie wegen Vernachlässigung ihrer Pflichten entlassen, weil sie sich auch um den Haushalt kümmern muss. In Nordkorea ist diese Szene Teil einer sozialen Wirklichkeit, die viele Menschen von einer Heirat abhalten kann. Einige Menschen, die heiraten, wollen ihre Ehe nicht registrieren lassen:

In Nordkorea wird die Familie als „Zelle“, oder als Basiseinheit der Gesellschaft, gesehen. Doch die jüngere Generation hält nicht viel von dem traditionellen Heirats- und Familienkonzept. Viele von ihnen wollen erst gar nicht heiraten. Besonders Frauen mussten seit dem „mühsamen Marsch“ in den 1990er Jahren ihre Familien ernährn. Das ist im Vergleich zu früher, als die Ehemänner Rationen für die Familie erhielten, eine große Veränderung. Auch schließen sich Frauen automatisch nach der Heirat dem Nachbarschaftskontroll-Programm, Inminban genannt, an, das die niedrigste Verwaltungseinheit ist, sowie der Sozialistischen Frauenunion Koreas. Verheiratete Frauen werden für verschiedene Arbeitskampagnen mobilisiert. Wenn sie die Kampagnen umgehen, um stattdessen auf dem Markt Geld zu verdienen, müssen sie Geld geben. Eine Scheidung ist schwierig. Das ist der Grund, warum viele Frauen mit Männern leben, ohne verheiratet zu sein. Selbst wenn sie eine Hochzeitszeremonie abhalten, zögern sie das Kinderkriegen hinaus. Und wenn sie Kinder gebären, zögern sie, die Geburt anzumelden. Immer mehr junge Nordkoreaner tendieren dahin, das legale System zu umgehen, das ihre individuelle Freiheit einschränken könnte. 

Im Februar dieses Jahres berichtete die nordkoreanische Propaganda-Website DPRK Today, dass Korea traditionell als das Land im Osten mit den guten Manieren bezeichnet worden sei. Es wurde betont, dass die Koreaner glaubten, dass sie ihre Freude und Trauer mit ihren Ehepartnern teilen und für immer zusammenleben sollten. Doch diese Denkwese scheint bei den jungen Nordkoreanern nicht mehr auf großen Zuspruch zu stoßen. 

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