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Im Spiegel der Zeit  Auf der Suche nach den vermissten Familienangehörigen

Am 30. Juni 1983 begann um 22.15 Uhr eine ganz besondere KBS-Livesendung mit dem Titel „Auf der Suche nach vermissten Angehörigen“. Die Moderatoren begannen mit einer Reihe von herzzerreißenden Geschichten darüber, wie Familien durch den Krieg getrennt wurden und nicht wussten, ob ihre Angehörigen noch lebten oder nicht. Nach einer halben Stunde Sendezeit kam es zur ersten Familienzusammenführung. Nicht nur die vom Krieg auseinander gerissenen Familien, sondern auch Fernsehzuschauer im ganzen Land weinten, als die tragischen Geschichten unter Schluchzen und Jammern erzählt wurden, und als sich getrennte Familienmitglieder schließlich wieder begegneten, brach alles in Tränen der Freude aus. So begann der Sommer 1983.

Die Livesendung über Menschen, die versuchten, ihre Familienmitglieder wiederzufinden, war eigentlich nur als einmalige Sondersendung geplant, um an den 33. Jahrestag des Koreakriegs und den 30. Jahrestag des Waffenstillstands zu gedenken. Doch der Sender KBS wurde von Beginn der Sendung an mit so vielen Anfragen überflutet, dass es fast unmöglich war, etwas anderes als die Anrufe zu bearbeiten, und das ganze KBS-Gebäude war voller Familien aus dem ganzen Land auf der Suche nach verschollenen Angehörigen. Die Klagen der verzweifelten Familienmitglieder veranlassten KBS, die ursprünglich auf 100 Minuten geplante Sendezeit mehrfach zu verlängern. Hier ist die KBS-Moderatorin Lee Ji-yeon, die die Show damals moderiert hatte.

Als wir die Show vorbereiteten, fragten wir uns, ob auseinander gerissene Familien tatsächlich kommen würden und ob wir die verlorenen Familienmitglieder finden könnten. Aber sobald die Show ausgestrahlt wurde, riefen uns so viele Leute an, dass wir völlig überrascht waren. Ursprünglich sollte die Show nur bis Mitternacht laufen, aber dann wurde sie erst bis Viertel nach eins, dann weiter bis halb drei morgens verlängert. Am Ende wurde sie die ganze Nacht hindurch ausgestrahlt, fast neun Stunden lang. Die längste Live-Übertragung am Stück war aber die Sendung am zehnten Tag. Sie begann abends um fünf nach zehn und ging bis zwanzig nach sieben am nächsten Abend.

Als sich immer größere Mengen betroffener Familien bei KBS versammelten, sagte der Sender alle anderen geplanten Programme ab und strahlte die Anrufe direkt aus, die aus allen Teilen des Landes eintrafen. Die regionalen KBS-Sendestationen waren über ein landesweites Netzwerk miteinander verbunden. Seit 1980 wurden die Fernsehprogramme farbig ausgestrahlt, was dazu beigetragen hat, dass die Veranstaltung emotionaler und ergreifender wurde, als jeder es sich hatte vorstellen können. Hier ist erneut die Moderatorin Lee Ji-yeon.

Es gab viele Faktoren, die die Show zu einem großen Erfolg machten, aber ich glaube, am wichtigsten war das Farbfernsehen. Seit der Einführung farbig ausgestrahlter Programme konnten die Menschen selbst kleinste Merkmale einer Person auf dem Fernsehschirm erkennen, wie ein winziges Muttermal im Nacken oder eine Narbe auf der Ferse. Außerdem machte es das landesweite KBS-Netzwerk möglich, dass sich weit voneinander entfernte Menschen gegenseitig erkennen konnten. So musste jemand, der in einer abgelegenen ländlichen Gegend lebte, nicht erst den ganzen Weg nach Seoul reisen. Alles, was wir tun mussten, war, unsere lokale Station zu benachrichtigen und die Bilder auf dem Bildschirm nebeneinander zu zeigen, damit sie von den Menschen verglichen werden konnten.

Der dreijährige Koreakrieg hatte zehn Millionen Familienangehörige voneinander getrennt. In den beiden durch die entmilitarisierte Zone voneinander getrennten Koreas lebten viele auseinander gerissene Familien, die nicht wussten, ob ihre Angehörigen noch lebten oder bereits tot waren. Im Jahr 1971 schlug das südkoreanische Rote Kreuz Nordkorea vor, betroffene Familien zu finden, und begann Gespräche über Familienzusammenführungen. Doch es kam damals nicht zu innerkoreanischen Familienzusammenführungen. 12 Jahre später, im Jahr 1983, kam das jahrelang unterdrückte Elend der Trennung schlagartig zurück, als betroffene Familien die inzwischen legendäre Fernsehsendung sahen.

Dreiunddreißig Jahre waren eine zu lange Zeit, um über den Verbleib von Familienmitgliedern gar keine Informationen zu erhalten. So wurde der Kummer der betroffenen Familien nur noch größer, als ihre psychischen und emotionalen Wunden der ganzen Nation offen vorgelegt wurden. Die Menschen im ganzen Land waren von der Geschichte einer Frau bewegt, die sich nicht an die Namen ihrer Eltern erinnern konnte, weil sie damals noch zu jung war, als sie voneinander getrennt wurden; dennoch wollte sie sie wiederfinden. Eine Frau sang ein Lied, das sie in einem Waisenhaus gelernt hatte, um ihren älteren Bruder zu finden. Die Menschen, die ihr dabei zusahen, weinten mit ihr. Die Zusammenführung von Puzzelstücken verschwommener Erinnerungen zu einem Gesamtbild brachte schließlich viele der verstreuten Familien wieder zusammen.

Die Leute hatten ihre Erinnerungen an das Leben vor dem Krieg hinter sich lassen müssen, um die Nachkriegszeit zu überleben. Doch sie konnten ihre Angehörigen immer noch durch einen bloßen Blick auf sie erkennen. Die unbeschreibliche Freude, mit den Angehörigen wieder vereint zu sein, wurde nicht selten vom Schmerz an die Erinnerung des Elends, das sie hatten ertragen müssen, überschattet. Heo Hyeon-ok etwa verlor ihre Eltern während des Kriegs und ist von einem Waisenhaus ins andere verschoben worden. Sie hatte sich in den vergangenen dreiunddreißig Jahren an eine einzige Hoffnung geklammert: die Suche nach ihrem älteren Bruder, den sie aus den Augen verloren hatte, als sie noch klein war. Sie hatten mehr als drei Jahrzehnte in verschiedenen Städten in Südkorea gelebt, in Daejeon und auf der Jeju-Insel, doch sie erkannten sich sofort gegenseitig, als sie sich endlich in die Augen sahen.

Das tragische Schicksal zweier weit voneinander entfernter Geschwister erinnerte die ganze Nation an den Terror und das große Unglück des Krieges. Heo Man-cheol bedauerte seine Schwester, die bei ihren Adoptiveltern gelebt hatte, ohne ihren richtigen Namen zu kennen, so sehr, dass er ihr elendes Schicksal nur beklagen konnte. Wer die Vereinigungen im Fernsehen gesehen hatte, dem wurde wieder klar, wie schrecklich der Koreakrieg war, und der fühlte unmittelbar den lang anhaltenden Schmerzen der Teilung.

Frau 1: Als die Sendung ausgestrahlt wurde, weinten wir alle. Wir weinten, weil wir so froh darüber waren, dass die Leute endlich ihre verlorenen Familienmitglieder gefunden hatten, aber auch, weil wir traurig darüber waren, dass so viele andere sie nicht finden konnten.

Frau 2: Ich weinte wirklich viel. Die Leute hatten nichts mit mir zu tun, aber die ganzen Familienzusammenführungen waren wie ein Wunder.


Es gab so viele Geschichten von Verwandten, die in der Nähe lebten, sich aber nie begegnet waren und sich erst im Fernsehsender wieder trafen. Der ehemalige Reporter der Zeitung Dong-a-Ilbo, Kim Ki-Mann, berichtete damals über die Sendung.

Es gab einen Mann und eine Frau, die feststellten, dass sie die gleiche Person suchten, als sie ihre Beschreibungen abgaben. Es stellte sich heraus, dass der Mann der Neffe der Frau war. Viele Leute fanden ihre Angehörigen, bevor ihre Geschichte ausgestrahlt wurde, und sogar Kollegen, die mehrere Jahre zusammen gearbeitet hatten, entpuppten sich als lange verlorene Geschwister. Sie hatten sich niemals vorstellen können, miteinander verwandt zu sein. Es gab auch den Fall von einem Mann, der herausfand, dass die Frau seines besten Freundes eigentlich seine Schwester war. Es gab so viele Geschichten wie diese. Es gab einen Fall, in dem sieben von acht Cousins und Cousinen auf einmal in Busan wieder vereint waren.

Jede verfügbare Fläche des KBS-Gebäudes wurde mit Beschreibungen vermisster Personen gepflastert. Als es keinen Platz mehr dafür gab, legten die Menschen ihre Beschreibungen auf dem Boden des Yeouido-Parks aus. Hier ist erneut Lee Ji-yeon, eine der Moderatorinnen der Sendung damals.

Das KBS-Hauptgebäude war sechs Etagen hoch und die Beschreibungen reichten fast bis ganz nach oben. Die Leute brachten Leitern mit, um die Flächen hoch oben zu nutzen. Als es nicht mehr genügend Platz gab, wurden die Beschreibungen auf dem Boden des Yeouido-Parks ausgelegt. Bemerkenswert war, dass sich die Beschreibungen nicht gegenseitig überlagerten und niemand auf sie drauf trat. Der Grund dafür war, dass jede Geschichte, jede Beschreibung so kostbar war und eine verzweifelte Botschaft darstellte. Die Leute ermutigten sich gegenseitig und beteten füreinander, ihre Angehörigen zu finden.

Am Ende wurden über 100.000 Beschreibungen auf dem Boden des Yeouido-Parks ausgelegt. Um die Aufmerksamkeit zu steigern, hatte jemand eine Schaufensterpuppe neben seine Beschreibung gelegt, ein anderer trug eine goldene Krone und ein weiterer spielte Akkordeon. Ihre verzweifelten und herzzerreißenden Versuche rührten sogar Fremde und die Nachkriegsgeneration. Hier ist erneut der ehemalige Zeitungsreporter Kim Ki-Mann.

Die wiedervereinigten Familien machten nur einen kleinen Prozentsatz diejenigen aus, die ihre Angehörigen wiederfinden wollten. Es war herzzerreißend zu sehen, wie einige ältere Leute die ganze Nacht neben ihren Postern verbrachten, um ihre Verwandten bloß nicht zu verpassen. Wir waren überglücklich, wenn Familien wieder zusammen kamen, aber unendlich trauriger, so viele arme Leute zu sehen, die bedrückt wieder abzogen, ohne ihre Familien gefunden zu haben. Mir wurde klar, dass die Wunden des Koreakriegs tief und schmerzhaft waren.

Als sich der Yeouido-Park in einen Ort des Wiedersehens verwandelte, trafen Essen und Getränke sowie ermutigende Botschaften aus allen Teilen des Landes ein. Auch Freiwillige vom koreanischen Roten Kreuz und von anderen Wohltätigkeitsorganisationen haben viel geholfen. Hier ist Frau Sohn Gwang-ja, die damals eine Gruppe von Freiwilligen des Roten Kreuzes leitete.

Es gab damals noch keine Bäume im Yeouido-Park. Die ganze Anlage war komplett eben, nur das KBS-Gebäude ragte in der Mitte heraus. Ich wusste nicht, dass es so viele getrennte Familien gab, bis ich als Freiwillige hinzu kam. Wir machten ab dem 9. Juli 138 Tage lang Dienst. Da wir nicht die ganze Zeit im Freien arbeiten konnten, bauten wir drei vorübergehende Zentren für freiwillige Helfer, wo wir Wasser, Nahrung und Plätze zum Ausruhen zur Verfügung stellten und eine Liste von Bewerbern aushingen.

Die Geschichten über die dramatischen Familienzusammenführungen wurden von der ausländischen Presse aufgenommen und koreanische Emigranten in den USA, Japan und China organisierten ihre eigenen Anfragen nach Angehörigen. Dank einer Satellitenverbindung zwischen Seoul und Los Angeles konnten eine Mutter und ihre Tochter über den weiten Pazifik wieder zusammengebracht werden. Der Ruf der mittlerweile erwachsenen Tochter nach ihrer Mutter zum ersten Mal seit 32 Jahren war äußerst berührend.

Die Live-Übertragung von „Auf der Suche nach vermissten Angehörigen“ dauerte vom 30. Juni 1983 bis zum 14. November. In diesen 138 Tagen wurden über 100.000 Anfragen und Gesuche gestellt, 53.536 Familien wurden im Fernsehen gezeigt, 11.089 Familien wurden wieder vereint, und mit 453 Stunden und 45 Minuten wurde der Rekord für die längste durchgehende Live-Übertragung aufgestellt. Hier ist noch einmal die Moderatorin, Frau Lee Ji-yeon:

Wir sahen in der Sendung die Gesichter der tragischen Geschichte Koreas. Die durch den Koreakrieg zerrissenen Familien erinnerten uns an den Schmerz des Krieges. Die japanische Besatzung und die daraus resultierende Armut stellt einen der traurigsten Abschnitte der koreanischen Geschichte dar, und der Koreakrieg war eine Verlängerung des Leids. Viele Kinder landeten in Pflegefamilien oder Waisenhäuser, was uns daran erinnert, wie glücklich wir sind, dass es uns heute so gut geht. Es war auch eine Gelegenheit, intensiv darüber nachzudenken, was Familie für uns bedeutet und wie ein Volk so brutal miteinander kämpfen konnte.