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Lifestyle

Die Mudang (Schamanin) und der Gut (schamanistisches Ritual)

#Sie fragen, wir antworten l 2006-08-02

Hörerecke

Frage: Egon Lemke aus Gelsenkirchen fragt nach den koreanischen Schamanen und dem Gut. Wird der Gut heute noch durchgeführt?

Antwort: Der Schamane ist der professionelle spirituelle Vermittler zwischen den Menschen und den Geistern sowie den Menschen und den Seelen der Verstorbenen. Diese Vermittlung geschieht im Gut, bei dem sich die Schamanen in Trance versetzen. Sie nehmen Kontakt zu den Geistern auf und werden zu deren Sprachrohr, indem sie den Willen der Geister an die Menschen, die den Gut in Auftrag gegeben haben, weiterleiten. Umgekehrt spricht der Schamane aber auch für die Menschen zu den Geistern und überbringt ihnen die menschlichen Wünsche, Sehnsüchte und Nöte. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Schamanen unterscheiden.

Zum einen Gangshinmu. Das sind Schamanen, von denen ein Geist oder eine Gottheit Besitz ergriffen hat und die auf diese Weise zum Schamanen berufen sind. Der Körper des Schamanen wird dabei zum Schrein eines bestimmten Geistes oder einer bestimmten Gottheit. Die Gangshinmu machen alle das so genannte Shinbyong durch. Das ist ein unvermeidbarer Initiationsprozess, der sich als Krankheit äußert, weil der auserwählte Mensch der Berufung durch die Geister zunächst widersteht. Der Kandidat, der oft ein traumatisches Erlebnis wie den Tod eines geliebten Menschen hinter sich hat, leidet unter Ohnmachten, Visionen und medizinisch meist unerklärlichen körperlichen und seelischen Schmerzen und Symptomen, die mehrere Monate bis mehrere Jahre anhalten sollen. Seine psychische Verfassung ist extrem instabil und grenzt an Irrsinn. Schließlich erscheint ihm der Geist, der ihn auserwählt hat, und teilt ihm diese Tatsache mit, wodurch der künftige Schamane dann seine besonderen Kräfte erlangt. Der Kandidat fügt sich in sein Auserwähltsein und seine Berufung und der Naerim-gut, der von einem älteren und erfahrenen Schamanen durchgeführt wird, bringt die Heilung. Der ältere Schamane übernimmt dann die Rolle des Paten und Tutors und bringt dem Schüler alle Fähigkeiten, Rituale und Tänze bei, die er kennen muss. Die Lehrzeit dauert im Schnitt drei Jahre.

Neben den Gangshinmu, den Schamanen aus Berufung, gibt es die Seseupmu, die ihr Amt ererbt haben und die keine besonderen transzendentalen Kräfte besitzen. Sie verehren keine bestimmten Geister und fallen bei den Riten nicht in Trance, d.h. die Geister nehmen nicht Besitz von ihnen, auch wenn sie bei den Zeremonien herabsteigen. Die Rolle der Seseupmu beschränkt sich auf die Zelebrierung der Rituale. Ihre Kostüme sind einfacher, die Musik bei den von ihnen durchgeführten Ritualen ist klangvoller, da neben den Percussion-Instrumenten auch Saiten- und Blasinstrumente eingesetzt werden, und Tanz und Musik sind wesentlich langsamer als bei den besessenen Schamanen.

Interessanterweise gibt es in Korea mehr Mudang, Schamaninnen, als Baksu, Schamanen. In Sibirien, wo der koreanische Schamanismus seine Wurzeln haben soll, ist es genau umgekehrt. Der Grund für diese umgekehrte Geschlechterratio dürfte mit den Machtverhältnissen zwischen Konfuzianismus und Schamanismus in Korea zusammenhängen. Der Konfuzianismus gilt als maskulin und partiarchalisch, hierarchisch, formell, disziplinbewusst, verstandesbetont und gemeinschaftsorientiert. Der Schamanismus kann hingegen als weiblich, egalitär, informell, nach Freiheit von äußeren Zwängen strebend, emotional und familienorientiert beschrieben werden. Im Konfuzianimus in seiner strengen Form zählt z.B. nur der Tod eines männlichen Erwachsenen, der einen männlichen Nachkommen hat, der die Seele des Verstorbenen in entsprechenden Ahnenverehrungszeremonien tröstet und verehrt. Frauen und Kinder, aber auch unverheiratete Männer oder Männer ohne Söhne bleiben unbedacht, da der Konfuzianismus dafür keine Rituale vorsieht. Die Seelen der Verstorbenen und die Hinterbliebenen finden keinen rituellen und spirituellen Trost im Konfuzianismus. Hier bietet die Schamanin mit ihren Ritualen, die die Verbindung zu den Seelen der Verstorbenen herstellen, emotionalen, informellen und egalitären Trost.

Noch kurz zu den Sillyeong, den Geistern oder Gottheiten des Schamanismus: Niemand kann sagen, wie viele es gibt, zumal sie je nach Region andere Namen tragen und die Zuständigkeitsbereiche sich überschneiden können. Es gibt Gottheiten, die für das materielle Wohlergehen zuständig sind, die Krankheiten abwehren oder vor Unglück schützen, um nur einige zu nennen. Dann gibt es auch keine klare Unterscheidung zwischen guten und bösen Gottheiten oder Geistern. Ob ein Geist gut oder böse ist, hängt vielmehr davon ab, wie die Menschen ihn behandeln. Fühlt sich ein Geist vernachlässigt, weil der Glaube der Menschen an ihn nicht echt erscheint oder ihm zu wenig gedacht wird, kann er ärgerlich werden und entzieht den Menschen seinen Schutz. Das kann Unglück und Krankheit zur Folge haben, was aber wieder gutgemacht werden kann, indem die Menschen ihr Verhalten ändern. Das war bereits am Beispiel der Berggottheit Sanshin zu sehen und wird auch in koreanischen Märchen thematisiert. Eine Form der Wiedergutmachung kann dabei der Gut sein.

Es gibt viele verschiedene Arten von Gut, die sich je nach Zweck und nach Umfang unterscheiden. Früher wurden Gut vom Königshof bis hin zum entlegensten Dorf gefeiert. Nach historischen Quellen wurden während der Goryeo-Dynastie (918-1392) zehn Staatsschreine errichtet, vor denen Schamanen Riten zum Wohlstand des Landes und zum Schutz der Nation abhielten. In den Dörfern wurden meist in der ersten Neujahrswoche nach Lunarkalender oder beim ersten Vollmond nach Lunarkalender so genannte Dorf-Gut abgehalten, bei dem dem Schutzgeist des Dorfes Opfergaben dargebracht wurden und man um eine reiche Ernte und Schutz vor Naturkatastrophen und Krankheit bat. Diese Dorf-Gut finden auch heute noch statt, zum Teil im Rahmen von Festivals wie dem berühmten Hahoe Maskentanz-Festival, das ursprünglich eine Form des Gut ist. Diese Dorf-Gut entwickelten und entwickeln sich zu fröhlichen, oft tagelangen Gemeindefesten mit Musik und Tanz, die eine katharsische Wirkung hatten, da sich die Menschen zumindest eine zeitlang von den starren Hierarchien und Zwängen des stark preskriptiven Konfuzianismus befreien konnten.

Es wurde des Schutz vor Krankheiten erwähnt: Wenn früher Seuchen drohten ließ der König durch entsprechende Gut die bösen Geister vertreiben und viele nahmen in den Häusern von Schamanen Zuflucht, wenn Pest oder Pocken ausbrachen. Aber auch heute noch lassen Familien in schweren Krankheitsfällen einen Gut durchführen, um die Geister gütig zu stimmen oder zu beschwichtigen und den Kranken zu heilen. In der Literatur zum Gut finden sich auch für die letzten zehn Jahre noch eine Reihe von Beschreibungen, wo nach einem Gut eine drastische Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, nachdem z.B. die stationäre Krankenhausbehandlung keine Verbesserung brachte. Wie diese Phänomene zu erklären oder zu werten sind, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Auf privater Ebene ist neben diesem Gut im Krankheitsfall noch der Jaesu-gut zu nennen, ein Ritual, bei dem um Gesundheit und Wohlstand für die Familie gebetet wird. Der Jaesu-gut wird normalerweise zweimal pro Jahr abgehalten und es heißt, dass sich auch heute noch wohlhabende Familien strikt daran halten. Daneben gibt es Gut für besondere Anlässe, wenn z.B. die Ehefrau den drohenden Bankrott ihres Mannes abwenden will. Ein Gut ist normalerweise das letzte Mittel, zu dem Menschen in verzweifelten Situationen greifen, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wird zum Beispiel jemand von einer Reihe unerklärlicher Unglücksfälle heimgesucht, bittet er eine Mudang um Hilfe. Diese tritt zunächst in Kontakt zu ihrer Tutor-Gottheit, sucht also nach einem göttlichen Orakel. Ist das Problem so ernsthaft, dass man dafür die Hilfe mehrerer Gottheiten braucht, hält man einen Gut ab. Die hohen Kosten, die dadurch entstehen, sind auch ein Grund, warum der Gut als letzte Zuflucht gilt. Selbst in seiner einfachsten Form kann ein Gut von einer Gangshinmu, also einer berufenen Mudang, mehrere tausend Euro kosten, die für Miete, Essen Trinken, Musiker und die Dienste der Mudang benötigt werden.

Eine zentrale Form des Gut, die nicht vergessen werden sollte, ist der Ogu-gut (auch: Saenam-gut, Ssitgim-gut, Jinogwi-gut). Beim Ogu-gut geht es um den Trost der verstorbenen Seelen und ihr Geleit ins Jenseits. Dabei gibt die Vermittlung der Mudang die seltene Gelegenheit, einen Dialog zwischen Lebenden und Verstorbenen herzustellen. Beide Seiten können ihrem Kummer und auch ihren Ressentiments Luft machen, alte Streitigkeiten beilegen, sich entschuldigen und einander trösten. Die Seele des Verstorbenen kann in Ruhe gehen und die Hinterbliebenen sind getröstet, weil all das gesagt werden konnte, was durch einen vielleicht plötzlichen Tod nicht mehr zu sagen war. Der Gut hat hier also eine psychologisch heilende Wirkung.

Ein Gut beginnt normalerweise bei Sonnenuntergang und dauert bis zum Sonnenaufgang. Er besteht in der Regel aus 12 Abschnitten, die noch mal in drei Teile unterteilt werden, nämlich Cheongshin, die Einladung der jeweiligen Gottheit, Oshin, die Unterhaltung der Gottheit durch Musik, Tanz und Opfergaben, und Songshin, die Verabschiedung der Gottheit. Alle Abschnitte und Teile werden von Musik und Tanz begleitet. Die Mudang wechselt entsprechend der 12 Abschnitte und der jeweiligen Geister, mit denen in Kontakt zu treten ist, 12 Mal ihre Kleidung und ihre Requisiten wie Glocken, Gongs, Flöten, Fächer, lange Bänder, heilige Schwerter, fünffarbige Flaggen, alte Münzen, Köcher etc. Beim Ogu-gut spielt dabei die Figur der Prinzessin Bari eine zentrale Rolle, als die sich die Mudang auch verkleidet und deren Geschichte sie erzählt. Prinzessin Bari wurde von ihren Eltern ausgesetzt, weil sie nicht der erwünschte Sohn war. Allein und verlassen wuchs sie auf, um später ihre kranken Eltern vor dem Tod zu retten. Dazu unternimmt sie eine gefährliche Reise in die Unterwelt. D.h. Prinzessin Bari hatte der Legende nach die Fähigkeit, die Grenze, die die Welt der Lebenden von der Welt der Toten trennte, zu durchbrechen. Sie wird daher im Ogu-gut angerufen, um die Seele des Verstorbenen heil ins Jenseits zu geleiten.

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