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Kultur

Vegetariertum in Korea : die Entdeckung der fleischlosen Kost

2012-11-27



Wir befinden uns in einem veganen Spezialitätenrestaurant. Als das bestellte Essen auf den Tisch kommt, greifen die Gäste mit großem Appetit zu.

Seit ungefähr einem Jahr rate ich auch meinen Freunden zur vegetarischen Ernährung und bringe sie oft hierher. Vegetarisches Essen wirkt antioxidierend und man merkt, wie man mit der Zeit gesünder wird. Das Essen ist einfach und lecker. Nach einer Fleischmahlzeit fühlt man sich oft aufgebläht und das fettige Essen liegt schwer im Magen, aber nach einer vegetarischen Mahlzeit füht man sich leicht und erfrischt.

Laut der Besitzerin Choi Jeong-an hat der jüngste vegetarische Trend im Land zu einem sprunghaften Anstieg in den Besucherzahlen ihres Restaurants geführt. Für sie war das Anlass, ihre Speisekarte weiterzuentwickeln. Alle Gerichte sind rein vegan - selbst die, die auf den ersten Blick nach Fleisch aussehen.

Wir verwenden keinerlei Zutaten tierischen Ursprungs, alles wird aus pflanzlichen Lebensmitteln zubereitet. Wir haben veganes Bulgogi und veganes Schnitzel, vegane Nudelgerichte und vegane Teigtaschen. Unser Fleisch stellen wir aus Sojabohnen oder Weizengluten her, welche mit Nüssen und verschiedenen Gemüsesorten vermischt werden. Das Ergebnis ist von der Konsistenz und dem Geschmack her echtem Fleisch zum Verwechseln ähnlich. Insgesamt gibt es bei uns 13 vegane Gerichte, darunter Jeongol-Eintopf, Udon-Nudeln, Hamburger, Spaghetti, Süßsaures nach chinesischer Art, Ramyeon oder auch Hot Dog. Wir haben auch Kaffeespezialitäten, für Café Latte, Café Mocca oder Cappucino wird da Sojabohnenmilch aus organischem Anbau verwendet.

Mit dieser Speisekarte hat sich das Restaurant zur ersten Anlaufstelle für all diejenigen unter den Vegetariern entwickelt, die trotzdem gelegentlich Lust auf Fleisch haben.

Die vegetarische Küche hat in Korea in letzter Zeit starken Aufwind bekommen. Der Koreanischen Vereinigung für Vegetarismus zufolge sind derzeit ungefähr zwei Prozent der südkoreanischen Bevölkerung Vegetarier. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das natürlich immer noch ein sehr geringer Anteil. In Ländern wie Indien oder Taiwan, wo sich viele aus religiösen Motiven vegetarisch ernähren, sind bis zu 20 Prozent der Bevölkerung Vegetarier, in Großbritannien sind es zwölf Prozent, in den USA fünf bis sechs Prozent. Aber jeder fünfte Südkoreaner soll zumindest ein Interesse an vegetarischer Ernährung haben, und so hat die Zahl der vegetarischen Restaurants zugenommen. Nach jüngsten Zählungen soll es um die 300 im ganzen Land geben.

Bei den meisten Vegetariern in Korea ist die Entscheidung für diese Ernährungsweise auf gesundheitliche Gründe zurückzuführen. Zivilisationsleiden wie Übergewicht, hoher Blutdruck, Diabetes oder Herz- und Kreislauferkrankungen lassen die Menschen mehr auf ihre Ernährung achten – und ein vegetarischer Speiseplan bietet hier eine überzeugende Alternative.

Der Neurochirurg Hwang Seong-su empfiehlt seinen Patienten zum Beispiel schon länger eine vegetarische Ernährung als Teil der Therapie.

Als Neurochirurg habe ich oft mit Arterienerkrankungen zu tun, und insbesondere auch mit Schlaganfällen. Hoher Blutdruck und Diabetes sind hier wichtige Risikofaktoren, und da beides viel mit den Ernährungsgewohnheiten zu tun hat, bekam ich Interesse an dem Thema. Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht kann man schulmedizinisch nur schwer behandeln, Operationen oder Medikamente helfen da nicht viel. Der Patient muss seine Ernährungsgewohnheiten verändern, und das bedeutet vor allem, dass er auf Fleisch, Fisch, Eier und Milch verzichten und sich rein pflanzlich ernähren muss. Also vor allem Vollkornreis, Gemüse und Obst. Wenn man auf Lebensmittel tierischen Ursprungs verzichtet und sich rein pflanzlich ernährt, tritt bei diesen Erkrankungen rasch eine Besserung ein. Durch meine ständige Betonung der Bedeutung von Ernährungsgewohnheiten und der vegetarischen Kost habe ich inzwischen schon den Ruf eines Missionars für vollwertige und vegetarische Ernährung bekommen.

Während Fleisch, Eier oder Milch eine Belastung für den Körper darstellen, sind pflanzliche Lebensmittel laut Dr. Hwang gut verträglich.

Lebensmittel tierischen Ursprungs enthalten viele Bestandteile, die der menschliche Körper nicht braucht. Dadurch rufen sie Krankheiten hervor, die Lebensqualität lässt nach und die Lebensdauer wird verkürzt. Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs haben dagegen genau so viel Eiweiß und Neutralfette, wie der Körper braucht, und sie enthalten auch kein Cholesterin. Wenn man sich rein pflanzlich ernährt, beugt man der Arterienverkalkung vor oder kann sie heilen, und Übergewicht schmilzt dahin. Durch die vielen Ballaststoffe wirkt die Ernährung auch gegen Verstopfung, Osteoporose, Bluthochdruck und Übergewicht, sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch. Und auch Antioxidantien findet man nur in Pflanzen. Sie wirken krebshemmend, zögern Alterungsprozesse heraus, beugen der Arterienverkalkung vor und stärken die Abwehrkräfte gegen Infektionen wie Erkältungen.

Vegetarier ist natürlich nicht gleich Vegetarier. Auch wenn die Bezeichnungen nicht einheitlich verwendet werden, lassen sich grundsätzlich sechs verschiedene Typen unterschieden: Wer nur auf rotes Fleisch verzichtet, ist ein Semi-Vegetarier, wer zwar kein rotes oder weißes Fleisch, aber durchaus Fisch isst, ein Pesco-Vegetarier. Wer keinerlei Fisch oder Fleisch ist, aber zu Milchprodukten und Eiern nicht nein sagt, wird Lacto-Ovo-Vegetarier genannt, wer neben Fisch und Fleisch auch auf Eier verzichtet, aber Milchprodukte zu sich nimmt, ist ein Lacto-Vegetarier. Wer alle Lebensmittel tierischen Ursprungs aus seiner Ernährung verbannt, wird Veganer genannt. Und zuletzt gibt es dann noch die Gruppe der Fruitarier, die nur Obst und Nüsse essen.

Auch an den koreanischen Universitäten ist das Interesse an vegetarischer Ernährung inzwischen zu spüren. Immer öfter gibt es zum Beispiel studentische Vereinigungen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Besonders aktiv ist der Verein „Kongbat“, auf Deutsch „Bohnenfeld“, an der Seouler Nationaluniversität. Seine Mitglieder machen auf dem Campus Werbung für den Vegetarismus und können auch schon handfeste Erfolge vorweisen. Der Vorsitzende Kang Dae-ung.



Unser Verein existiert seit Juli 2009. Damals fehlten in den Mensen auf dem Campus vegetarische Gerichte, und wir wollten uns für ihre Einführung engagieren. Wir organisierten daraufhin zum Beispiel Gewinnspiele, bei denen die Gewinner dann zu einem bestimmten Termin mit einem vegetarischen Hot Dog oder Sandwich beliefert wurden, oder wir verteilten veganes Gebäck an die Studenten. Durch unsere Aktionen erkannte schließlich auch die Universität, dass ein Bedarf für vegetarische Mahlzeiten bestand, und nach ein, zwei Monaten haben sie uns dann zugehört. Im Oktober 2010 wurde schließlich eine vegetarische Station in der Mensa eingerichtet, wir hatten also schnell Erfolg. Aber auch danach haben wir uns weiter auf dem Campus engagiert.

Das vegetarische Büffet, dass dank der Bemühungen des Vereins eingeführt wurde, erwieß sich als so beliebt, dass jetzt schon eine zweite Filiale auf dem Campus eröffnet wurde.

Es schmeckt gut und gesund. Im Alltag ist es oft schwierig, genug Gemüse zu essen, dabei soll das ja gesund sein. Deswegen gefällt mir dieses Angebot. Heute gab es für mich Reis mit Bohnen, Gemüse zum Einwickeln, weißes Kimchi, Apfel und Tofu süßsauer. Die gleichen Speisen sind hier weniger salzig als woanders, und es macht wirklich satt. Hier ist immer viel los, oft muss man sogar Schlange stehen.

Manche ziehen die vegetarische Ernährung aber nicht aus gesundheitlichen, sondern aus anderen Gründen vor. Für Byeon Eun-ji, ein Mitglied von Gongpat an der Seouler Nationaluniversität, waren zum Beispiel schockierende Informationen zu Umweltproblemen und der industriellen Tierhaltung ausschlaggebend.

Ich habe einmal ein Buch zur industriellen Tierhaltung gelesen. Da stand drin, wie Fleisch produziert und vertrieben wird. Vieles davon war für mich sehr schockierend, und da wollte ich den ersten Schritt tun und etwas anders machen. Da das im Alleingang schwierig ist, bin ich dann dem Verein beigetreten.

Bei Kim Mi-yeong war vor allem der Widerwillen gegen den Umgang mit rohem Fleisch und Fisch der Grund, warum sie die Ernährung ihrer Familie nach und nach auf eine vegetarische Kost umstellte.

Ich mochte es einfach nicht, Fleisch oder Fisch anzufassen. Diese schwabbelige Konsistenz, und wenn man reinschneidet, tritt Blut aus... das war mir zuwider. Daraufhin habe ich überlegt, ob man nicht auch ohne Fleisch und Fisch kochen könnte, und da bin ich auf die vegetarische Küche gekommen. Jetzt muss ich nichts mehr anfassen, was ich nicht mag, und es ist auch noch gesund. Und dass ich keinem anderen Lebewesen Schaden zufügen muss, um satt zu werden, hat für mich auch große Bedeutung. Ich ernähre mich jetzt schon seit acht Jahren vegetarisch.

Egal aus welchem Grund man sich für eine vegetarische Ernährung entscheidet, die positiven Effekte sind enorm. Und das nicht nur für einen persönlich, sondern laut dem Neurochirurgen Hwang Seong-su auch für die Gesellschaft insgesamt.

Die Ernährungsgewohnheiten haben auch Auswirkungen auf das weltweite Hungerproblem. Die Tiere für die Fleischproduktion werden mit Getreide gefüttert. Mit dem Getreide, dass für den Fleischkonsum eines Menschen aufgewendet werden muss, könnte man beim direkten Verzehr zehn Menschen ernähren. Wenn man Fleisch isst, nimmt man also in gewisser Weise zehn Menschen ihr Essen weg. Und es sind natürlich die Armen und Machtlosen, die darunter leiden müssen. Heute sollen weltweit ungefähr 800 Millionen Menschen hungern, 25.000 sterben täglich an Unterernährung. In einem Jahr sind das 15 Millionen Hungertote weltweit. Wenn sich mehr Menschen vegetarisch ernähren würden, würde der Getreidekonsum stark gesenkt werden und mehr für andere übrigbleiben. So könnte man die Zahl der Hungernden massiv reduzieren.

Und auch sonst hat die Fleischproduktion viele negative Auswirkungen auf die Umwelt. So sollen laut einer Umweltorganisation rund 50 Prozent der Treibhausgase auf die Fleischindustrie zurückzuführen sein, und durch die Exkremente der Tiere, die ins Abwassersystem geraten, werden Flüsse verschmutzt. Es spricht also viel für eine vegetarische Ernährung – aber auch in Korea pochen natürlich immer noch viele auf die Bedeutung von Fleisch, Fisch, Eiern und Milch für die menschliche Ernährung. Doch auch sie stimmen inzwischen zu, dass Gemüse, Nüssen und Getreide ein größerer Anteil im Speiseplan eingeräumt werden sollte.

Das neu erwachte Interesse an der vegetarischen Küche ist in allen Teilen der koreanischen Gesellschaft zu spüren. Eine große Supermarktkette berichtete kürzlich, dass der Umsatz mit Bohnen im Vergleich zum letzten Jahr um 16,9 % zugenommen habe, und auch die Verkaufszahlen für Fleischersatz hätten sich verdoppelt. Auch immer mehr vegetarische Fertigprodukte kommen in letzter Zeit in die Regale, seien es Tofuwürste oder Gemüsemandu. Und in den sozialen Netzwerken breitet sich derzeit die sogenannte „MF7“, also „Meat Free Seven“-Kampagne aus, deren Teilnehmer eine Woche lang auf Fleisch verzichten. Es besteht also kein Zweifel, dass auch in Korea die vegetarische Lebensweise mehr und mehr in die Mitte der Gesellschaft rückt.

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