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Kultur

Jahresabschiedsfeiern in Korea: Kulturelles Erleben im Kommen

2013-12-24

Ich vertrage keinen Alkohol. Ich freue mich deswegen, dass wir nicht in einer Kneipe sind, sondern ein Musical besuchen und die Gelegenheit zu Gesprächen haben.

Wir sind für den Jahresabschied mit Kollegen hierhergekommen. Ich persönlich trinke nicht gerne und hoffe, bei dieser Aufführung eine erholsame Zeit zu verbringen.


Wir befinden uns bei einer Aufführung des Musicals "Das unhöfliche Fräulein Yeong-ae" in der KT&G Samsung Art Hall in Seoul. Der Zuschauerraum ist voll von Angestellten in Kostüm und Anzug.



Die Angestellten amüsieren sich köstlich bei der Aufführung. Bislang war das Jahresende in Korea vor allem eine Zeit der Trinkgelage. Mit dieser traditionellen Art der Jahresabschlussfeiern sollte der Zusammenhalt gestärkt werden, doch vielen Menschen ging der tagtägliche Alkoholkonsum bis in die späten Abendstunden am Jahresende sehr an die Nieren. In letzter Zeit wird daher zunehmend nach anderen Formen gesucht, mit denen man sich in Unternehmen vom alten Jahr verabschieden kann. Unangefochtene Nummer Eins ist dabei der gemeinsame Musical-, Kino- oder Theaterbesuch.

Statt Trinken geht es nun beim Jahresabschied also um das kulturelle Erleben. Wir wollen diese Veränderungen in der koreanischen Kultur heute einmal näher beleuchten.

Die neue Vorliebe für kulturelle Jahresabschiedsfeiern passt zum derzeit großen Interesse der koreanischen Gesellschaft an allem, was mit "Wellbeing", oder anders gesagt Lebensqualität und Gesundheit, zu tun hat. Der Kulturkritiker Kim Hyeon-sik.

Bislang wurde der Jahresabschied vor allem mit Trinkgelagen begangen. Man hat sich betrunken und dabei alles Unangenehme aus dem alten Jahr raus gelassen. Derzeit geht der Trend eher hin zu kulturellen Veranstaltungen. Das zeigt zum einen, dass die ursprünglich von den Männern bestimmte Organisationskultur zunehmend von Frauen geprägt wird. Auch der heute niedrigere Alkoholgehalt im Soju-Schnaps hat ja damit zu tun, dass inzwischen auch Frauen an den Arbeitsessen teilnehmen. Das zum Jahresende immer mehr kulturelle Veranstaltungen besucht werden, hat also damit zu tun, dass die Frauen das Sagen haben. Und viele Männer ziehen mit. Das heißt zwar nicht, dass jetzt nur noch Kulturprogramm gemacht wird. Aber die Kombination aus einem kurzen Umtrunk und einer anschließenden Aufführung etabliert sich zunehmend.



Mit diesen Veränderungen geht auch ein neues Vokabular einher. Heute spricht man in Korea von "119-", "112-" und "222-Parties". "119" bedeutet, dass eine Alkoholsorte an einem Ort genossen wird und die ganze Sache vor neun Uhr abends beendet wird. Bei "112" wird eine Alkoholsorte an einem Ort getrunken und die Veranstaltung innerhalb von zwei Stunden aufgelöst. "222" heißt schließlich, dass die Gläser nur halb gefüllt werden, niemand mehr als zwei Gläser trinken muss und alle nach zwei Stunden nach Hause gehen dürfen. In vielen Unternehmen werden diesbezüglich Kampagnen durchgeführt. Herr Choi Deok-su, der beim Energiekonzern KOMIPO für die Organisation der Jahresabschlussfeier zuständig war.

In unserer Firma wird derzeit eine Kampagne für gesunde und vernünftige Jahresabschlussfeiern durchgeführt. Wir propagieren "119"-Veranstaltungen, oder auch Mittagessen statt Abendessen. Um übermäßiges Trinken zu vermeiden, gehen wir auch zu Aufführungen oder leisten Freiwilligenarbeit. Wir sammeln intern ständig Ideen und planen zum Beispiel auch, den Donnerstag zum Familientag zu ernennen. An dem Tag können dann alle Angestellten pünktlich nach Hause gehen. Wir sind überzeugt, dass wir die Unternehmenskultur in diese Richtung verändern müssen.

Auch die Kulturbranche hat diese Veränderungen wahrgenommen und ernennt zunehmend Mitarbeiter, die eigens für die Koordination von kulturellen Jahresabschlussfeiern für Unternehmen zuständig sind. Herr Jeon Jin-o vom Promotionsteam des Musicals "Das unhöfliche Fräulein Yeong-ae".

Die "Kulturkoordinatoren" bieten einen One-Stop-Service für die Unternehmen. Wenn sie sich für unser Musical entschieden haben, organisieren wir sowohl den Musicalbesuch als auch das anschließende Abendessen. In den Unternehmen fördern die Personalabteilungen in letzter Zeit vernünftige Teamfeiern mit finanzieller Unterstützung. Auch die Angestellten selber suchen nach neuen Möglichkeiten für die verschiedenen geselligen Anlässe übers Jahr. Man will nicht mehr nur trinken und essen, vor allem am Jahresende. Die Nachfrage steigt also, und dem begegnen wir mit dem neuen Service.



Bei so einer Jahresabschlussfeier mit Kollegen wollen viele verschiedene Geschmäcker befriedigt werden. Am beliebtesten sind dabei Musicals. Der Kulturkritiker Kim Hyeon-sik.

Mit ihrer Kombination aus visuellen Effekten und Musik sind Musicals am beliebtesten. Opern ist vielen zu fremd, und auch klassische Konzerte sind nichts für die breiten Massen. Musicals verbinden Popularität und künstlerischen Anspruch. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis spielt natürlich eine Rolle und macht Musicals attraktiv für Jahresabschlussfeiern.

Gewünscht werden vor allem leichte und hoffnungsfrohe Stücke, die sich bereits bei Kritik und Publikum bewährt haben. Wenn es dann auch noch um Themen geht, mit denen sich Angestellte identifizieren können, bleiben keine Wünsche offen. Genau das ist der Grund, warum dieses Jahr das Musical "Das unhöfliche Fräulein Yeong-ae" der Renner ist. Herr Jeon Jin-o vom Promotionsteam des Musicals.

Es ist ein Büromusical, das gab es noch nie. Angestellte können sich daher mit dem Inhalt identifizieren. Außerdem ist das Musical sehr humorvoll und bietet den Zuschauern die Möglichkeit, ihre Alltagssorgen wegzulachen. Die Hauptfigur ist eine Angestellte Mitte dreißig mit dem Namen Yeong-ae. Sie ist zwar nicht besonders attraktiv, aber gibt in allen Bereichen ihres Lebens stets ihr Bestes. Außerdem gibt es den Abteilungsleiter und den Inhaber, die Yeong-ae das Leben schwermachen; die geschiedene Ji-won, eine Kollegin und Yeong-aes beste Freundin; einen charmanten und gutaussehenden neuen Kollegen, und eine jüngere und intrigante Kollegin namens Tae-hui. Das Musical handelt von diesen sechs Personen und wie sie über die Arbeit in der Firma zu einer Familie zusammenwachsen.

Die Figuren in dem Musical sind Typen, wie man sie in jedem Büro findet: Der Vorgesetzte, der ständig meckert und immer nur Besprechungen einberufen will; die faule Kollegin, die es perfekt versteht, sich vor den Chefs gut darzustellen; und die eine Kollegin, mit der man im Büro alle Freuden und Sorgen teilt. Im Mittelpunkt steht aber Yeong-ae, die es am Arbeitsplatz und im Leben nicht leicht hat.

Das Musical zeigt all die Missverständnisse und Streitereien, die beim gemeinsamen Arbeiten gerne mal vorkommen. Es zeigt aber auch, wie sie gelöst werden und dadurch ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Der perfekte Inhalt für einen Abend mit Kollegen also.

Nach der Aufführung fühlen sich viele der Zuschauer ein Stück leichter.

Es tauchten viele der Kleinigkeiten auf, wie man sie aus dem Arbeitsalltag kennt. Darin habe ich mich sehr wiedergefunden. Wenn man trinken geht, kostet das nur viel Geld. Bei diesem Musical hatte ich dagegen die Gelegenheit, über mich selbst nachzudenken.

Es war toll, richtig herzwärmend! Ich finde es gut, dass die Vorgesetzten und Angestellten so gemeinsam eine gute Zeit verbringen konnten.


Das Team vom Musical "Das unhöfliche Fräulein Yeong-ae" bietet Gruppenbesuchern von Unternehmen außerdem noch ein besonders Event.

Wer möchte, kann einen Text einreichen, in dem er all das los wird, was er im Büro ein Jahr lang für sich behalten hat. Die Schauspieler tragen die Texte dann auf der Bühne mit viel Humor vor. In den Zuschauerreihen sorgt dies für große Belustigung - denn die betroffenen Personen sind ja allen bekannt.

Bei unserem Besuch bedankte sich eine Angestellte bei ihren Vorgesetzten und Kollegen für all die harte Arbeit im vergangenen Jahr. Als Dankeschön für ihren Beitrag erhält sie von den Schauspielern einen Gutschein zum Essengehen für ihr ganzes Team überreicht.

Ein weiterer Renner zum Jahresende ist das Musical "Der größte Superstar". Bei dieser Aufführung werden für viele Zuschauer Träume wieder wach, die sie im hektischen Arbeitsalltag schon längst vergessen hatten.

Das Musical, das von einer Castingshow handelt, verbindet die Genre Musical und Konzert. Die Hauptfigur geht durch ein Bad der Gefühle und lässt ihren Traum trotzdem nie aus den Augen. Mit dieser Geschichte werden die Zuschauer dazu angeregt, selbst über ihre guten Vorsätze für das neue Jahr nachzudenken. Der Produzent des Musicals, Kang Cheol-ung.

Wenn man nach dem Musicalbesuch noch etwas trinken geht, hat man nur noch ungefähr zwei Stunden. Da kann man nicht mehr so viel trinken. Außerdem redet man nach der Vorstellung automatisch über das Musical. Bei unserer Produktion drehen sich die Gespräche dann bald um die eigenen Träume und die Frage, wo man steht. Viele fassen dann den Vorsatz, sich trotz des Arbeitsalltags wieder mehr um die Verwirklichung ihrer Träume zu kümmern.

Nach der Aufführung fühlen sich die Zuschauer bereit für neue Taten.

Als ich sah, wie die Menschen auf der Bühnen ihren Träumen nacheiferten, kamen mir meine eigenen Träume wieder in den Sinn. Bei normalen Jahresabschlussfeiern betrinkt man sich ja eher und es endet ungut. Aber dank dem Musical hatten wir nachher viel zu diskutieren, das hat mir gefallen und gut getan.

Die neue Form der Jahresabschlussfeier bietet also Erholung für Leib und Seele und entlässt die Mitarbeiter gestärkt ins neue Jahr. Die Entwicklung weg vom Trinkgelage und hin zu kulturellen Veranstaltungen ist daher eine Veränderung, die viele in Korea aus vollem Herzen begrüßen.

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