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Kultur

Koreanische Büchereien im Wandel

2014-01-21

Der Ort, an dem diese Kinder toben, ist eine Bücherei. "Eonnis kleine Bücherei" im Seouler Stadtteil Daerim-dong ist aber mehr als nur eine Bücherei: sie hat eher die Rolle eines Gemeindezentrums.

In einer Ecke ließt jemand einem Kind ein Buch vor, und kleine Gruppen von Frauen sind in Gespräche vertieft. Die Kinder lesen Bücher oder spielen Fangen und andere Spiele. Die Bücherei gibt es gerade mal einen Monat, doch sie hat bereits regen Zulauf.

Es gibt was zu essen und ich kann mit meinem Kind Bücher lesen. Ich habe einen kleinen Bruder, und wegen dem konnten wir nie in die Bücherei gehen. Schließlich muss man da leise sein. Aber hier können wir so laut sein, wie wir wollen. Wir kommen oft.

In den meisten Büchereien hat man das Gefühl, man sollte sich am besten auf Zehenspitzen fortbewegen. Doch immer mehr Büchereien in Südkorea folgen einem neuen Konzept: hier ist herumtoben nicht nur erlaubt, sondern erwünscht! Südkoreas Bibliotheken befinden sich im Wandel.

In einer kleinen Bücherei innerhalb des Bezirksamtes Gwanak liest eine Maschine in schnellem Tempo und mit allen Satzzeichen aus einem Buch vor. Die Bibliothekarin Kim Min-ju erklärt uns, was es damit auf sich hat.

Dieser Service ist für Sehbehinderte gedacht. Dank diesem Vorlesesystem können auch sie die Bücher nutzen. Die Bücher werden eingescannt und dann als Audioversion ausgegeben.

In der Bücherei stehen Vorlesegeräte mit Texterkennungsfunktion zur Verfügung. So können sehbehinderte Besucher nicht nur Bücher in Blindenschrift oder Audiobücher nutzen, sondern jedes beliebige Buch aus der Bücherei.

Die Bücherei richtet sich an ein allgemeines Publikum. Durch die Vorlesegeräte wollten wir aber auch Sehbehinderten mehr Möglichkeiten bieten. Sehende Menschen finden das Vorlesetempo oft zu schnell, aber für Blinde ist das schnelle Tempo angenehmer. Wenn Sie es einmal ausprobieren wollen... der Text wird in Sprache umgewandelt und ausgegeben. Für Sehbehinderte sind solche Geräte unentbehrlich. Wir hoffen, dass sie in Zukunft gut genutzt werden.

Die Bücherei im Erdgeschoss des Bezirksamtes Gwanak, die den Namen "Bücherei der guten Träume" trägt, richtet sich aber nicht nur an Sehbehinderte. Das Bezirksamt wird jeden Tag von unzähligen Bürgern besucht, die etwas auf dem Amt zu erledigen haben. Ihnen allen soll die Bücherei als Erholungsraum dienen. Der Leiter des Bezirksamtes Yu Jong-pil.

Die Bücherei wird täglich von rund 1.000 Besuchern aufgesucht, eine beachtliche Zahl. Sie befindet sich im Erdgeschoss und ist wie ein Café gestaltet. Die Bürger haben hier auf dem Amt ja oft Wartezeiten. Nun können sie zum Zeitvertreib nicht nur Fernsehen schauen, sondern auch Bücher lesen oder ausleihen. Auch kleine Gruppen können sich hier treffen.

Der Bezirk Gwanak hat es sich zum Ziel gesetzt, dass niemand mehr als zehn Minuten Fußweg zur nächsten Bücherei zurücklegen muss. Im Zuge dieses Projektes werden überall im Bezirk leerstehende Räume in Büchereien umgewandelt. Die Bücherei innerhalb des Bezirksamtes ist damit bereits die 16. im gesamten Bezirk. Sie ist als Buchcafé gestaltet, mit einer Fläche von 200 m2, 70 Sitzplätzen und 13.000 Büchern. Seit der Eröffnung am 1. November 2012 hat sie sich zu einem Vorzeigeprojekt entwickelt. Ihre Beliebtheit zeigt sich auch daran, dass stets mindestens 3.000 Bücher ausgeliehen sind.

Als erstes lese ich immer die Zeitung, und dann lese ich Bücher. Dadurch klären sich all meine Sorgen, und ich kann besser schlafen. Den Namen "Bücherei der guten Träume" finde ich daher sehr passend.

Ich hatte gehört, dass es beim Bezirksamt jetzt eine Bücherei gibt. In den Ferien komme ich jeden Vormittag her und verbringe zwei bis drei Stunden hier. Das ist viel besser, als mir die Zeit mit Computerspielen oder Fernsehen zu vertreiben. Ich mag es, von Büchern umgeben zu sein.


In der Bücherei gibt es aber nicht nur Bücher. In den offen gestalteten Räumen werden auch Feste und andere Veranstaltungen abgehalten. Der Bezirksamtsleiter Yu Jong-pil.

Wir veranstalten hier regelmäßig sogenannte Buchkonzerte. Wir laden Autoren ein und organisieren Musikkonzerte. Die Veranstaltungen sind regelmäßig bis auf den letzten Platz gefüllt. Wir wollen hier nicht nur eine Bücherei sein, sondern ein Lebensraum für die Bürger. Es gibt einen kleinen Seminarraum und einen Stillraum für die Frauen, die das Gesundheitsamt besuchen. Die Bücherei erfüllt eine ähnliche Funktion wie früher der Waschplatz in einem Dorf: sie ist ein kultureller Raum, ein Treffpunkt.

Auch von privaten Organisationen werden in verschiedenen Stadtteilen neue Büchereien eröffnet. "Eonnis kleine Bücherei" in Daerim-dong ist so ein Beispiel. Sie wurde von einer Seouler Frauenorganisation gegründet. Die Büchereidirektorin Yun Mi-yeong.

Vor einigen Jahren gab es im Yeongdeungpo-Bezirk einen aufsehenerregenden Fall von sexuellem Misbrauch. Ein Mann hatte ein Kind direkt aus der Schule entführt. Danach machten sich die Menschen hier viele Gedanken darüber, wie sie den Bezirk sicherer gestalten könnten. Es wurden Vorträge für Eltern und Kampagnen zur Vorbeugung von sexuellem Missbrauch eingeführt. Uns wurde aber auch klar, dass sichere Aufenthaltsräume für Frauen und Kinder genauso wichtig waren. Der Stadtteil Daerim-dong hat eine der höchsten Kriminalitätsraten in Seoul. Es gibt viele Gewaltverbrechen und wenig sichere Räume und Kultureinrichtungen für die Bürger. Deswegen haben wir diese Bücherei gegründet.


Die Bücherei wurde schließlich auf Betreiben der Organisation und 612 Privatpersonen gegründet.



Wir wollten diesen Raum gemeinsam mit den Anwohnern gestalten. Wir sind daher auf die Straße und in die Geschäfte gegangen und haben die Menschen angesprochen. Wir haben ihnen erklärt, was wir vorhaben, und Mitglieder für einen Förderverein rekrutiert. Letztlich haben wir so mehr als 600 Leute zusammenbekommen, 500 davon aus dem Bezirk Yeongdeungpo. All diese Menschen waren also in den Vorbereitungsprozess mit eingebunden. Dadurch haben sie eine besondere Beziehung zu der Bücherei. Sie können sagen, diese Bücherei habe ich gegründet, da habe ich Bücher oder andere Gegenstände für gespendet. Viele warteten sehnsüchtig auf die Eröffnung der Bücherei und stehen jetzt direkt morgens vor der Tür.

Die Bücherei trägt den Namen "Eonnis kleine Bücherei". Mit Eonni wird auf Koreanisch die ältere Schwester einer Frau bezeichnet. Heißt das nun, dass Männern der Eintritt verboten ist?

Eonni war schon immer eine vertrauliche Anrede für ältere Frauen. Wir wollten zu den Frauen in dem Viertel ein vertrauliches Verhältnis aufbauen. Daher der Name. Aber wir machen keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Es kommen auch viele Väter. Bei den Vorträgen kommen die Eltern oft gemeinsam, und es gibt auch viele Väter, die mit ihren Kindern hierherkommen und in den Büchern lesen. Wir haben viele männliche Mitglieder.

Die Bücherei ist gerade einmal 100 m2 groß, aber was an Größe fehlt, macht sie an Herzlichkeit wett. Wer hungrig ist, bekommt einen kleinen Snack, und wenn jemandem kalt ist, wird die Heizung hochgestellt. Man hat tatsächlich das Gefühl, zu Besuch bei einer freundlichen Nachbarin zu sein.

Wir leihen uns Bücher aus und trinken gemütlich gemeinsam einen Kaffee. Die Direktorin kümmert sich um alle. Sie versorgt die Besucher mit Mandarinen und Süßkartoffeln, und man kann sich sein Essen auch von zu Hause mitbringen. Die Heizung wird nach Wunsch reguliert. Man fühlt sich hier wirklich zu Hause, als wäre man bei einer Freundin zu Besuch. Auch die Kinder fühlen sich hier nicht wie in einer Bibliothek, sondern wie zu Besuch. Jetzt freuen sie sich, wenn ich vorschlage, in die Bücherei zu gehen.

Der Bücherbestand der Bücherei setzt sich vollständig aus Spenden zusammen und nimmt immer weiter zu. Derzeit gibt es 4.000 Kinderbücher und 1.000 Erwachsenenbücher. Die Betreiber wollen auf ihren bisherigen Erfolg aufbauen und haben noch viel vor für dieses Jahr.



Eines unserer besonders ehrgeizigen Programme ist ein Projekt namens "Eonnis Schule". Die meisten der Frauen sind Vollzeitmütter, und bei den Berufstätigen arbeiten viele auf befristeten Stellen. Dabei haben die meisten einen Universitätsabschluss und zusätzliche Qualifikationen. Die Talente dieser Frauen wollen wir nutzen und einen Raum schaffen, in dem sie ihr Wissen mit anderen teilen können. In der Schule werden wir eine Ausbildung zur Kursleiterin anbieten, und dann können sie sich in der Nachbarschaft engagieren. Das Projekt soll noch in der ersten Hälfte des Jahres starten. So wollen wir vor allem den Stadtteil beleben.

Viele Kinder lieben ja vor allem Comicbücher. Am 20. Dezember letzten Jahres wurde daher im Seouler Stadtteil Nokbeon-dong eine Comicbibliothek eröffnet. Die Bibliothekarin Kim Chae-won.

An dieser Stelle befand sich früher eine Polizeiwache. Das Gebäude war aber so alt, dass der Bezirk es abreißen musste und an gleicher Stelle ein neues kleines Haus errichtete. Das wurde dann an die Bezirksbücherei Eunpyeong verpachtet. Hier gibt es jetzt vor allem Comics für Kinder und Jugendliche. Insgesamt haben wir 1.500-1.600 Bücher.

Die Comicbücherei scheint ein voller Erfolg zu werden. Mit 60 m2 ist die Bücherei so klein, dass die Besucher in Stoßzeiten vor der Tür Schlange stehen müssen. Aber das macht ihnen nichts aus.

Zuhause habe ich nicht viele Comics. Hier kann ich sie umsonst lesen, das find ich toll. Und ich kann immer vorbeikommen, wenn ich ein bisschen Zeit habe. Heute bin ich schon zum fünften Mal da!

Mit ihrer Fußbodenheizung ist die Bücherei vor allem an kalten Wintertagen ein hervorragender Zufluchtsort für die Kinder und Jugendlichen. Aber auch Erwachsene, die sich durch die Comics in ihre Kindertage zurückversetzen lassen, sind kein seltener Anblick.

In Südkorea sind Büchereien also nicht mehr nur Orte zum Bücherausleihen und Lernen. Es gibt Kulturveranstaltungen wie Vorträge und Ausstellungen, und immer mehr Büchereien sehen sich als einen Raum, der den Menschen und vor allem den Kindern gehört. Damit locken sie immer mehr Besucher an - und machen den Abstand zwischen Mensch und Buch wieder ein bisschen kleiner.

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