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Kultur

"Blumen, die nicht verblühen": Manhwa-Künstler nehmen sich der Trostfrauenproblematik an

2014-03-04

Die Stadt Angoulême liegt rund 440 Kilometer südwestlich von Paris. Einmal im Jahr zieht die ruhige Provinzstadt Menschen aus der ganzen Welt an. Der Grund dafür ist das berühmte Internationale Comicfestival. Der koreanische Comicautor Shin Myeong-hwan.

Das Internationale Comicfestival Angoulême findet dieses Jahr zum 41. Mal statt. 1974 wurde es erstmals offiziell ausgerichtet. Angoulême ist normalerweise eine Kleinstadt mit 40.000 Einwohnern, aber während dem Festivalzeitraum kommen 200.000 Besucher. Es ist das wichtigste Comicfestival weltweit und zählt neben den Filmfestspielen von Cannes zu den fünf wichtigsten Festivals in Frankreich.

Dieses Jahr sorgte der südkoreanische Beitrag zu dem Festival für großes Interesse. Herr Lee Hee-jae, der Generalsekretär der Koreanischen Manhwa-Contents-Agentur KOMACON.

Aus Anlass von 100 Jahre Erstem Weltkrieg drehte sich das Festival dieses Jahr um die Frage, welchen Schaden Krieg der Menschheit zufügt und was wir aus diesen Wunden lernen sollten. Korea hat insbesondere unter dem Pazifikkrieg gelitten. In diesem Kontext ist es vor allem das Schicksal der Trostfrauen, das bis heute noch nicht ordentlich aufgearbeitet wurde. Daher hielten wir es für eine Angelegenheit von großer Bedeutung, dieses Thema den Festivalbesuchern näherzubringen.



Der Titel der Ausstellung hieß "Die Opfer der Sexsklaverei durch die japanische Armee. Eine Sonderausstellung koreanischer Manhwas: Blumen, die nicht verblühen!" Die dort ausgestellten Manhwas beschäftigten sich ausnahmslos mit dem Schicksal der koreanischen Frauen, die im zweiten Weltkrieg von der japanischen Armee zur Prostitution gezwungen wurden. Deren Geschichte gelangte 1991 durch die Aussage des Opfers Kim Hak-sun erstmals an die Öffentlichkeit. Kim Hak-sun selbst starb im Jahr 1997, ohne je ein Wort der Entschuldigung durch Japan gehört zu haben. Heute sind noch 55 Betroffene am Leben, doch eine gebührende Anerkennung ihres Leidensweges durch Japan lässt nach wie vor auf sich warten.

Aufgrund dieses heiklen historischen und politischen Kontextes waren die Vorbereitungen der Ausstellung alles andere als einfach. Der Comicautor Shin Myeong-hwan.

Wir waren schon fast übertrieben vorsichtig. Das geht jedem so, wenn er sein erstes Werk an die Öffentlichkeit bringt. Aber da es sich hier auch noch um ein heikles historisches Problem handelt, wurde es noch verschärft. Auch das Organisationskomitee des Festivals akzeptierte unseren Vorschlag für die Ausstellung zwar ohne Vorbehalte. Bei den Vorbereitungen forderten sie aber, dass die Problematik objektiv und unparteiisch präsentiert werden müsse. Daher legten wir bei der Auswahl der Werke jeden einzelnen Satz auf die Goldwaage.

Von den 19 Autoren, die an der Ausstellung teilnahmen, hatten sich einige bereits im Vorfeld mit der Trostfrauenproblematik beschäftigt. Andere mussten sich erstmal in die Thematik vertiefen, bevor sie mit dem Zeichnen anfangen konnten. Das Ergebnis waren insgesamt 24 Karrikaturen, Graphic Novels, Cartoons, Installationen, Animations- und Dokumentarfilme. Gemeinsam brachten sie dieses dunkle Kapitel der Geschichte Ostasiens den Festivalbesuchern in Angoulême näher.

Der 11-minütige Animationsfilm "Die Geschichte eines Mädchens" war Teil der Ausstellung. Der Regisseur Kim Jun-gi verwendete darin Originalausschnitte aus einem Interview mit dem verstorbenen Opfer Jeon Seo-un, das auf die indonesische Insel Java verschleppt wurde und dort über mehrere Jahre ein Dasein als Sexsklavin fristen musste. Der Film sorgte bei den insgesamt 17.000 Besuchern der Ausstellung für Wut und Betroffenheit. Der Zeichner Kim Gwang-seong, der an der Ausstellung teilnahm, beschrieb uns die Stimmung bei dem Festival.

Die Reaktionen waren wesentlich heftiger als erwartet. In der Ausstellung gab es eine Wand, wo die Besucher Nachrichten hinterlassen konnte. Viele brachten dort ihre Wut und Geschocktheit zum Ausdruck, oder machten uns und den Opfern Mut. Der Grund für diese geschockten Reaktionen war die Tatsache, dass viele der Betroffenen nicht älter als 14 oder 15 Jahre alt waren, als sie verschleppt und zur mehrjährigen Sexsklaverei gezwungen wurden. Sexuelle Gewalt in dem Ausmaß hat es selten gegeben. Vor allem ältere Frauen zeigten sich sehr bewegt von den Geschichten, das hat uns sehr überrascht. Dieser Ausdruck weiblicher Solidarität ist mir sehr in Erinnerung geblieben.

Dank dem großen Erfolg der Ausstellung beim Comicfestival in Angoulême findet seit dem 18. Februar eine Zusatzausstellung im Manhwamuseum Bucheon statt.

Bei der Zusatzausstellung sind neben den ursprünglichen Ausstellungsstücken auch Fotos vom Festival in Angoulême zu sehen. Und wie dort wurde auch ein Extraraum für Filmvorführungen eingerichtet.

Zu Beginn der Ausstellung ist eine Installation des Künstlers Shin Myeong-hwan zu sehen, die der Ausstellung ihren Namen gab: "Blumen, die nicht verblühen". Darin wird das Motiv einer Sanduhr, die sich nicht umdrehen lässt, verarbeitet. Eine eindeutige Botschaft, dass sich die Geschichte der Trostfrauen nie wiederholen darf. Als nächstes kommt man zu einem Bild des Künstlers Cha Seong-jin. In einem Rahmen mit Trauerflor ist das Bild einer warmherzigen alten Frau mit tiefzerfurchtem Gesicht zu sehen. Das Antlitz dieser Frau bringt das Schicksal all der Opfer, die ohne Entschuldigung oder Entschädigung sterben mussten, eindrucksvoll zum Ausdruck. Diese und andere Ausstellungstücke bringen auch viele koreanische Besucher der Ausstellung dazu, ihr bisheriges Desinteresse an dem Thema zu überdenken.

Ich kann mir die Bilder kaum anschauen. Es ist so tragisch. Vor allem aber kann ich nicht verstehen, dass sich die Japaner ihrer Vergehen nicht bewusst sind.

Mir kommen die Tränen. Ich hatte bisher nur eine vage Vorstellung von der Geschichte, aber dank der realistischen und detailreichen Zeichnungen und Beschreibungen war es gut verständlich. Und dadurch noch schockierender.


Vor allem ein Bild des Künstlers Park Je-dong beeindruckt die Besucher sehr. Shin Myeong-hwan.

Es handelt sich um ein 2,25 Meter langes Werk mit dem Titel "Ein Weg ohne Ende". Ursprünglich wollte Park Je-dong es noch länger machen, zehn Meter lang. Aber da der Ausstellungsraum in Angoulême zu klein war, wurden gut zwei Meter daraus. Die Betrachtung beginnt von links, wo ein weinendes Mädchen zu sehen ist, das sein Gesicht in den Händen vergräbt. Von dort führt ein Weg entlang, der im Heimatdorf des Mädchens endet. Darin kommt die Gemütslage der vielen Frauen zum Ausdruck, die aus Scham nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten.



In Park Je-dongs Werk kommt die Trauer der Opfer zum Ausdruck. Ein anderes Werk von Lee Hyeon-se holt dagegen die Wut der Betroffenen an die Oberfläche.

In dem Comic ist ein Opfer in ihrer Jugend zu sehen, wie sie einen Samurai mit einem Schwert überwältigt. Darin kommt die Wut der Frauen zum Ausdruck. Es gibt auch einen Dialog, in dem der Stil und der Dialekt von damals nachempfunden wurde. Darin begehrt das Mädchen auf und erzählt, wie sie mit 13 Jahren vom Kartoffelfeld gezerrt wurde und was sie erleiden musste.

Auch ein Graphic Novel zu dem Thema ist in der Ausstellung zu sehen. Der Autor Kim Gwang-seong nutzte für die Vorbereitung Protokolle von Interviews mit Opfern, die noch am Leben sind.

Eine alte Frau, die in ihrer Jugend zu den Sexsklavinnen gehörte und dies siebzig Jahre lang verbarg, trifft auf einer der Mittwochsdemonstrationen auf andere frühere Trostfrauen. Diese Begegnung ist für sie ein Weckruf. Sie gesteht ihrer Familie ihre Vergangenheit und fühlt sich danach erleichtert. Danach fliegt sie wie ein Schmetterling in eine hoffnungsvollere Zukunft. Es gab wirklich unzählige fürchterliche Geschichten. Ich habe bei der Arbeit an dem Roman viel darüber nachgedacht, wie ich die grausame Wahrheit am taktvollsten zum Ausdruck bringen kann.

Der Roman trägt den Titel "Lied des Schmetterlings" und ist insgesamt 90 Seiten lang. In der Ausstellung ist nur ein Teil zu sehen, doch eine Veröffentlichung in Buchform ist geplant.

Seit Jahren fordern die betroffenen Frauen und ihre Unterstützer ein Schuldeingeständnis Japans - ohne Erfolg. Die Ausstellung beim Internationalen Comicfestival in Angoulême hat die Thematik nun auch einem internationalen Publikum nähergebracht. Dank ihr wurde die Trostfrauenproblematik so aus dem Rahmen gegenseitiger Vorwürfe zwischen Südkorea und Japan herausgehoben und in einen internationalen Kontext gesetzt. Dem Medium Comic ist es so gelungen, die Botschaft wesentlich schneller und nachdrücklicher herüberzubringen als bisher. Um so größer sind nun die Erwartungen. Herr Lee Hee-jae, der Generalsekretär der KOMACON.

Viele denken bei Comics an etwas Leichtes, Lustiges, Humorvolles. Mit der Ausstellung haben wir die Bedeutung des Mediums aber wieder einmal deutlich gemacht. Wir konnten zeigen, dass Comics sich auch gesellschaftlicher und historischer Themen annehmen und eine wichtige Rolle spielen können. Es sind nach wie vor zahlreiche Opfer am Leben, die mit ihrer Biographie die Geschichte belegen. Vor diesem Hintergrund ist das kein Thema, das wir nur unter uns behandeln sollten. Wir sollten es vielmehr auf der internationalen Bühne thematisieren. Dank der Comics können Dritte nun die historischen Fakten objektiv bewerten. Beim Festival in Angoulême konnten die Besucher bereits objektiv entscheiden, was die Wahrheit ist und bei was es sich um politische Propaganda handekt, mit der die Wahrheit verschleiert werden soll. Unter diesem Aspekt war die Ausstellung von großer Bedeutung. Und auch den betroffenen Frauen spendete die gemeinsame Arbeit an der Ausstellung viel Kraft.

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