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Kultur

Das Namsan Arts Center: Raum für kreatives Theater

2014-04-15

Am 12. April 1962 wurde an den Hängen des Seouler Hausberges Namsan Südkoreas erstes modernes Theater eröffnet: das Drama Center. Die Eröffnung war damals in den Nachrichten ein großes Thema. Zehn Jahre nach Ende des Koreakrieges lebten die Koreaner noch in Armut, und vor diesem Hintergrund war die Fertigstellung des mit Unterstützung der amerikanischen Rockefeller-Stiftung und Asienstiftung aufgebauten Drama Center eine große Errungenschaft. Das neue Theater sollte in Zukunft der Förderung und Weiterentwicklung des koreanischen Theaters dienen.

Das erste Stück, das im neuen Drama Center aufgeführt wurde, war Shakespeares "Hamlet". Die Zuschauerränge waren im Stil eines antiken Amphitheaters ansteigend im Halbkreis um die Bühne angeordnet, und die Schauspieler konnten die Bühne von allen Richtungen aus betreten. Die damaligen Zuschauer waren von der Aufführung völlig gefesselt.

Nur einen Monat nach Eröffnung des Drama Centers nahm auch die Seilbahn am Namsan ihren Betrieb auf.



Die Haltestelle der Seilbahn war nur zwei bis drei Minuten vom Theater entfernt. Dank dieser Lage entwickelte sich das Drama Center bald zu einem beliebten Ziel für romantische Dates.

2009 wurde das Drama Center in "Namsan Arts Center" umbenannt und dient seitdem vor allem als Brutstätte für experimentelle und kreative Theaterproduktionen. Frau An Mi-yeong von der Seouler Kulturstiftung.

Das Namsan Arts Center ist ein öffentliches Theater, das vor allem Originalproduktionen zeigt. Der Schwerpunkt liegt auf Theaterstücken, die sich mit den Sorgen der heutigen Menschen auseinandersetzen. Dieses Jahr bringen wir sechs solcher Stücke auf die Bühne.

Die Saison 2014 hat im Namsan Arts Center bereits begonnen. Die sechs Stücke, die dieses Jahr gezeigt werden, sind alles Originalproduktionen, die vor allem gesellschaftliche Problemthemen thematisieren. Das erste Stück mit dem Titel "Namsan Documenta" beschäftigte sich im März mit der Geschichte des Namsan Arts Centers. Derzeit läuft "Bahuchara Mata - Beyond Binary", eine Gemeinschaftsproduktion von koreanischen und indischen Künstlern.

Bahuchara Mata ist der Name der Göttin, die die Gemeinschaft der Hijras im südlichen Indien verehren. Hijras ist die Bezeichnung für Menschen, die sich dem "dritten Geschlecht" zuordnen. Der Regisseur Bae Yo-seop.

Das Stück handelt von den Angehörigen sexueller Minderheiten, die ich in Indien und Korea getroffen habe. Die Schauspieler stellen darin ihre sexuelle Identität in Frage und werfen damit die grundlegende Frage auf, was das Geschlecht eines Menschen eigentlich bedeutet. Den Vorschlag für diese Gemeinschaftsproduktion hatte ich vor fünf Jahren bei einer Aufführung in Indien erhalten. Ich hoffe, dass das Stück alle Menschen, die in der koreanischen Gesellschaft aufgrund ihrer Sexualität diskriminiert werden, dazu anregt, ihr Leben aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Auf einer kommerziellen Bühne wäre ein solches Stück nicht zu verwirklichen gewesen. Hier noch einmal der Regisseur Bae Yo-seop.

Für ein solches Stück Investoren zu finden, ist so gut wie unmöglich. Aber hier konnte ich meine Vorstellungen nach Belieben umsetzen. Das Namsan Arts Center ist ja als Geburtstätte des modernen koreanischen Theaters bekannt, es ist ein Ort mit Geschichte. Seit der Renovierung sind sie zwar nicht mehr gut zu erkennen, aber oberhalb der Zuschauerränge kann man noch die Säulen des alten Theaters sehen. Das hier ist ein Raum, in dem wir an das Werk früherer Generationen von Theatermachern anschließen können. Hier kümmert sich keiner um kommerzielle Aspekte; auch wenn weniger Zuschauer kommen, muss man sich nicht enschuldigen. Genau deswegen mag ich das Center.

Das Namsan Arts Center bietet so all jenen, die Theater mit rein künstlerischem Anspruch machen wollen, ohne die Einschränkung durch kommerzielle Ziele, eine Heimat. Unter koreanischen Theatermachern ist die Einrichtung daher sehr beliebt. Der experimentelle Geist, der hier herrscht, kam vor allem im März in der Produktion "Namsan Documenta" zum Ausdruck.

In Dialogen stellten die Schauspieler darin den Vorgänger des Namsan Arts Centers, das Drama Center, vor. Die Hauptrolle spielte in dem Stück also das Theater selbst. In der Aufführung wurden verschiedene historische Ereignisse thematisiert, die sich nach der Eröffnung des Drama Centers im Jahr 1962 in der Umgebung des Theaters zugetragen hatten.

Unter anderem spielte auch der südkoreanische Nachrichtendienst, in dessen Räumen am Namsan in den 1970ern und 80ern unzählige Mitglieder der Demokratisierungsbewegung gequält wurden, eine wichtige Rolle in dem Stück. Heute befindet sich im ehemaligen Gebäude des KCIA eine Jugendherberge, und es erinnert nicht mehr viel an diesen dunklen Teil der Geschichte. Der Regisseur Lee Gyeong-seong.



In dem Stück "Namsan Documenta" geht es um die fünfzigjährige Geschichte von Koreas erstem modernen Theater und der Geschichte des Berges Namsan. Hier befand sich auch der Sitz des südkoreanischen Nachrichtendienstes, und daher war der Ort in der jüngeren südkoreanischen Geschichte Schauplatz von zahlreichen Fällen von Manipulation und Folter. Wir haben diesen Hintergrund recherchiert und auf die Bühne gebracht. Es gab hier viele tragische Zwischenfälle, auch Todesfälle, und das Theater war Augenzeuge dieser Geschichte. Wir wollten uns daher mit der Frage beschäftigen, in welchem Zusammenhang das Innere des Theaters mit seiner Umgebung stand.

Die Zuschauer wurden bei dem Stück in zwei Gruppen eingelassen. Neben den regulären Theaterbesuchern sammelten als Touristenführer verkleidete Schauspieler rund um das Theater nichtsahnende Passanten auf und führten sie von hinten auf die Bühne. Dort trafen sie auf die eigentlichen Zuschauer... für beide Seiten eine befremdliche Begegnung. Für diese Inszenierung gab es einen besonderen Beweggrund.

Rund 20 bis 30 Zuschauer wurden getrennt eingelassen. Während auf der Bühne ein Schauspieler zu Beginn der Aufführung eine Szene aus "Hamlet" rezitierte, wurden sie von hinten auf die Bühne geführt und trafen auf die Zuschauer in den Rängen. Wer ins Theater geht, erwartet ja, dass er sich einfach nur hinsetzen und zuschauen darf. Wir hatten das Gefühl, dass dieses passive Verhalten schon zu sehr zur Gewohnheit geworden war. Daher wollten wir die Zuschauer durch diese Inszenierung ein wenig in Verwirrung stürzen und verunsichern, wer auf der Bühne und wer im Zuschauerraum ist.

Der Regisseur Lee Gyeong-seong hatte bereits letztes Jahr eine "Namsan Documenta" aufgeführt - damals ging es um historische Persönlichkeiten. Im nächsten Jahr sollen in einer dritten Inszenierung dann die Zuschauer im Mittelpunkt stehen. Der Regisseur hat im Namsan Arts Center offensichtlich den richtigen Rahmen für seine künstlerlischen Ambitionen gefunden.

Ab dem 26. April wird zum vierten Jahr in Folge das Stück "Eines schönen Tages" auf die Bühne gebracht. Darin geht es um den Aufstand vom 18. Mai 1980 in Gwangju und den heutigen Blick darauf. Im August wird ein Stück mit dem Titel "Die glückliche Bok-hee" die Begierden und den Egoismus der Menschen behandeln, im September wird es in "Unsichtbarer Mensch" um die Isolation und Einsamkeit der Menschen von heute gehen. Im November werden dann in "Warum rege ich mich nur über Kleinigkeiten auf?" das Leben und Werk des Dichters Kim Su-yeong thematisiert und dabei versucht, die Grenze zwischen Literatur und Theater niederzureißen.

Dass im Namsan Arts Center jedes Jahr eine ganze Reihe von neuen Produktionen auf die Bühne gebracht werden können, ist vor allem der großzügigen Unterstützung von Theaterautoren durch das Theater zu verdanken. Seit drei Jahren wird dazu unter anderem auch das Namsan Drama-Festival veranstaltet. Auch dieses Jahr wurden dabei an drei Tagen Ende Februar die Stücke von Nachwuchsautoren auf die Bühne gebracht und bewertet. Frau An Mi-yeong von der Seouler Kulturstiftung.

Mit dem Festival wollen wir kontinuierlich neue Stücke ausgraben. Vor dem Festival können Laienautoren ihre Manuskripte einreichen. Die Manuskripte mit Potential werden dann zunächst in einer Lesung aufgeführt, und die Autoren bekommen so die Gelegenheit, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Dieses Programm wird zwei Mal im Jahr durchgeführt.

Ein gutes Skript ist die Grundlage für eine gute Theateraufführung, aber erst, wenn es auf den richtigen Regisseur trifft, sind die Vorraussetzungen für eine hervorragende Aufführung gegeben. Genau diese Voraussetzungen versucht das Namsan Arts Center herzustellen. Frau An.

Wir versuchen, als Produktionspartner die bestmöglichste Unterstützung zu bieten. Für gewöhnlich besteht die Rolle eines Koproduzenten nur aus der Bereitstellung von Geldern und Räumen. Aber das hat seine Grenzen, und das Namsan Arts Center will daher im gesamten Produktionsprozess als Partner teilnehmen. Es will nicht nur Gelder und Räume bieten, sondern von der Ideenfindung an den gesamten Produktionsprozess begleiten, gemeinsam mit Regisseur und Produzent Ideen austauschen und sich um die bestmöglichste Umsetzung des Stückes bemühen. Das ist eine Win-Win-Situation für Künstler und Theater und aus unserer Sicht die beste Art, Theater zu machen.



Gute Theaterproduktionen brauchen Geduld und kontinuierliche großzügige Investionen - in der Realität ist das oft nur schwer umzusetzen. Es reicht nicht, wenn man nur die Gelder und die Räume bereitstellt. Das Namsan Arts Center versucht genau dies besser zu machen - und bietet damit vielen leidenschaftlichen koreanischen Theatermachern eine Bühne.

Theater ist eigentlich dazu da, unser Leben und die großen gesellschaftlichen Fragen auf der Bühne zu thematisieren. Die Schauspieler setzen sich an unserer Stelle mit den Themen auseinander und sorgen so für eine Katharsis. Das ist die eigentliche Rolle der Kunst - und doch kann sie diese Rolle aufgrund mangelnder Investitionen nur selten erfüllen. Das Namsan Arts Center in Seoul versucht diese Lücke zu füllen und bringt kontinuierlich neue Theaterstücke auf die Bühne, die die großen Themen in der koreanischen Gesellschaft kritisch ansprechen. Damit erfüllt es in der koreanischen Kulturszene eine nicht zu unterschätzende Rolle.

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