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Kultur

"All Webtoon": Koreas erste Ausstellung zu Webtoons

2014-06-10

Der Film "Heimlich, Großartig" gehörte zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres 2013. Ein bestens ausgebildeter nordkoreanischer Spion gibt sich als Dorfidiot aus und schleicht sich so in ein Armenviertel in Südkorea ein.



Neben ihm halten sich auch noch zwei weitere nordkoreanische Spione in dem Viertel auf: ein Möchtegernsänger und ein Oberschüler. Gemeinsam warten sie auf Befehle aus dem Norden, doch die Partei schweigt - bis plötzlich die Anweisung zum Selbstmord kommt. Als die jungen Männer sich weigern, müssen sie sich schon bald gegen ein aus dem Norden entsandtes Mordkommando zur Wehr setzen. Mit dieser originellen Ausgangshandlung und viel Action und Unterhaltung konnte der Film letztes Jahr mehr als sieben Millionen Zuschauer in die Kinos locken. Zu verdanken hatte er diesen Erfolg nicht zuletzt seiner Vorlage: dem gleichnamigen und ebenfalls äußert erfolgreichen Webtoon.

Die Comicserie "Heimlich, Großartig" von einem Autor mit dem Pseudonym Hoon wird seit vier Jahren veröffentlicht und ist bereits in der zweiten Staffel. Jede Woche wird auf einer Portalseite eine neue Folge veröffentlicht. Und "Heimlich, Großartig" ist nicht der einzige Webtoon, der den Sprung auf die Kinoleinwand geschafft hat.

Insgesamt gab es bereits mehr als zehn Verfilmungen von Webtoons, unter anderem "Legendäre Fäuste" und "Moos". Das neue Genre der Webtoons hat also offensichtlich großen Einfluss auf die koreanische Kulturindustrie. Professor Lee Jong-gyu vom Chungkang-College für Kulturindustrie.

Die Webtoons stehen an vorderster Front der koreanischen Kulturindustrie. An ihnen lässt sich ablesen, welche Stoffe bei den Massen derzeit am besten ankommen. Diese werden dann in zweiter Runde zu Filmen, Serien oder Musicals verarbeitet. Bei den Webtoons wird also ausprobiert, was funktioniert, und wenn man sich dann sicher ist, werden weitere Inhalte entwickelt. Deswegen haben Film- und Serienproduzenten großes Interesse an Webtoons.

"Webtoon" ist ein Neologismus, der sich aus "Web" für "Netz" und "toon" von "Cartoons" zusammensetzt. Das Genre enstand Ende der 1990er, als einige Comicautoren ihre Werke ins Netz stellten - Webtoons wurden also letztlich durch die fortschrittliche koreanische IT-Landschaft hervorgebracht. Die Smartphones haben die Leserschicht der Onlinecomics dann noch vergrößert. Laut einer jüngsten Studie des Forschungsinstituts Digieco, das zum südkoreanischen Telekomriesen KT gehört, lesen ein Fünftel aller koreanischen Smartphonenutzer Webtoons.

Ich lese "Helfer" von Sak, mit viel Vergnügen. Darin geht es um einen Mann namens Jang Gwang-nam, der durch einen Unfall ums Leben kommt und dann in der Welt nach dem Tod allerlei erlebt.

Ich lese ziemlich viel, zum Beispiel "Pinguin liebt Mev". Darin geht es um den Alltag eines britischen Mannes und seiner koreanischen Frau. Die Beschreibungen des Alltags des Paares und der unterschiedlichen Denkweisen von Koreanern und Briten sind sehr lustig zu lesen, und man lernt auch was dazu. Beim Lesen wird mir immer ganz warm ums Herz.


Jeder hat also seinen eigenen Lieblingswebtoon - was macht den Reiz dieses Genres aus?

Webtoons haben einen schnellen Produktionszyklus und werden schnell konsumiert. Dadurch können die Produzenten die Meinungen der Leser und aktuelle Trends widerspiegeln, und in den Webtoons können gesellschaftliche Themen und Ereignisse sofort aufgegriffen werden. Vor allem das ist es, was Webtoons attraktiv macht.

Der Webtoonmarkt kann beeindruckende Zahlen vorweisen. Der digitale Comicmarkt hat jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich 19 Prozent, und hat Einfluss auf Werbung, Computerspiele, Emoticons, Filme, Fernsehserien, Musicals und Romane.

Webtoons haben ihren Status in Korea stark verbessert. Die Portalseite, auf der der beliebteste Webtoon veröffentlicht wird, hat jüngst 17 Millionen Besucher im Monat gemeldet. 2014 hat die Zahl der Webtoonseiten und der Autoren weiter zugenommen. Heute werden jede Woche circa 600 bis 700 Webtoons produziert und konsumiert. Daran kann man sehen, dass hier eine ziemlich große Industrie entstanden ist.

Seit dem 27. Mai findet in der Koreanischen Nationalbibliothek die Ausstellung "All Webtoon" statt, in der man die Geschichte der koreanischen Webtoons auf einen Blick erleben kann. Herr Choi Hong-chan, Leiter der Abteilung für Digitale Informationen in der Nationalbibliothek.

Die Ausstellung ist in sechs Abschnitte unterteilt. Auf einer Zeitleiste kann man zum Beispiel die 100 wichtigsten Werke der letzten zehn Jahre im Überblick sehen. Außerdem sind jene Webtoons zu sehen, die zu Filmen, Serien oder Büchern weiterverarbeitet wurden. Es ist das erste Mal, dass die Geschichte der Webtoons systematisch aufgearbeitet wurde. Unsere Ergebnisse werden daher wohl zum Maßstab für künftige Arbeiten werden.

Neben der Chronik und den verschiedenen Adaptationen wird in der Ausstellung auch noch die Geschichte der Webtoons erklärt, die Besucher erhalten Einblick in die Arbeitsstube von Webtoonautoren, und es wird ein Blick in die Zukunft des Genres geworfen. Herr Choi.

Gleich am Anfang findet man eine grundsätzliche Erklärung des Genres. Hier wird dargestellt, wie Webtoons entstanden sind und wie sie sich entwickelt haben. Die ersten Webtoons wurden ab 1999 von normalen Comicautoren geschrieben, 2003 ging es dann richtig los. Die ersten Webtoons wurden auf Portalseiten veröffentlicht. Im letzten und vorletzten Jahr gab es auf internationalen Buchmessen verstärkt Versuche, Webtoons als eigentständiges Genre zu etablieren. Wir gehen davon aus, dass auch diese Ausstellung zur weiteren Entwicklung der Webtoons beitragen wird.

Die erste Webtoonseite war die "Cartoonwelt" auf Yahoo Korea, die im März 2002 online ging. Ein Jahr später, im Jahr 2003, zog die Portalseite Daum mit "Die Welt in Comics" nach. Hier wurde unter anderem der Webtoon "Sunjeong Manhwa" des bekannten Autors Kang Full veröffentlicht, welcher 2005 zu einem Theaterstück und 2008 zu einem Film weiterverarbeitet wurde.

Der Webtoon stellte damals den Rekord von 60 Millionen Klicks auf - und mit "Sunjeong Manhwa" von Kang Full, auch unter dem englischen Titel "Hello, Schoolgirl" bekannt, begann die eigentliche Ära der Webtoons. 2005 zog auch Koreas marktführende Portalseite Naver mit einem eigenen Webtoonservice nach, und durch die verstärkte Förderung von Webtoons interessierten sich immer mehr Nachwuchsautoren für dieses Genre. Der Autor des Webtoons "Doktor Frost", Lee Jong-beom.

Ich bin jetzt fünf Jahre dabei. Ursprünglich wollte ich einfach Comics zeichnen. Als die Verlagsbranche stagnierte und die Webtoons boomten, war ich gerade auf der Suche nach Lesern. Meine Comics handeln zum größten Teil von Menschen mit spezialisierten Berufen, und so etwas fehlte damals bei den Webtoons noch. Diese Lücke machte ich mir zunutze.

In der Verlagsbranche brauchte man für ein Debüt hervorragendes zeichnerisches und erzählerisches Talent, und selbst das war auf dem engen Markt noch keine Garantie. Doch bei den Webtoons ist alles anders. Die Bilder können ruhig etwas rudimentärer sein, und für die Geschichten braucht man keinen langen Atem. Professor Lee Jong-gyu.

Verlagscomics fordern viel zeichnerisches und erzählerisches Talent. Dadurch braucht der Aufbau von neuen Autoren viel Zeit, und die Branche steht nur besonders fähigen Leuten offen. Webtoons kann dagegen jeder machen und darüber mit anderen kommunizieren. Der Beruf des Comiczeichners erforderte früher mindestens zehn Jahre Vorbereitung. Doch als Webtoonzeichner kann jeder Erfolg haben, der einigermaßen ansehnliche Bilder zeichnen kann und etwas zu erzählen hat. Durch diese Offenheit hat sich der Pool neuer Autoren sehr vergrößert.

Doch die Webtoons machen nicht alles einfacher für Autoren. Durch die unmittelbaren Reaktionen der Leser müssen die Autoren immer in Bestform sein, und auch der teils raue Ton im Internet sorgt für Stress. Der Autor Lee Jong-beom.

Als populärer Autor kann man der Reaktion der Konsumenten nicht aus dem Weg gehen. Es ist durchaus schwierig, diese verschiedenen Reaktionen ungefiltert zu erleben. Deswegen muss man nicht mehr nur das Zeichnen und Schreiben lernen, sondern auch eine mentale Stärke entwickeln. Man muss seine Schwächen und Stärken kennen, dann kann man die Reaktionen der Leser besser annehmen. Ich versuche, die unvermeidlichen Aspekte der Internetkultur so gut wie möglich zu akzeptieren, aber es fällt mir immer noch schwer.



Ein direktes Treffen mit seinen Lesern ist für den Autor Lee Jong-beom daher immer Grund zur Freude und Nervosität zugleich. Dennoch war er bei der Ausstellung "All Webtoon" der erste Autor, der sich einem Interview vor Publikum stellte.

Um dem Publikum den Arbeitsalltag eines Webtoonautors näherzubringen, wurde bei der Ausstellung auch der Arbeitsraum eines Autors nachgestellt. Dieser sieht ziemlich anders aus als der von herkömmlichen Comiczeichnern. Herr Choi Hong-chan von der Nationalbibliothek.

Hier haben wir die Arbeitsumgebung eines Webtoonautors nachgestellt. Es sind die verschiedenen digitalen Geräte, Requisiten und Handbücher zu sehen, die Webtoonautoren brauchen. Außerdem haben wir zwei bekannte Autoren interviewt und sie gefragt, wie sie ihre Webtoons produzieren. Auch dieser Herstellungsprozess ist hier zu sehen. Das wird allen, die selbst einen Webtoon zeichnen wollen, eine Hilfe sein.



Südkorea ist Marktführer bei den Webtoons. Das wurde auch beim Internationalen Comicfestival im französischen Angoulême letztes Jahr deutlich, bei dem eine Sonderausstellung zu koreanischen Webtoons stattfand. Die ersten koreanischen Webtoons finden nun auch ein internationales Publikum: ein Beispiel ist "Noblesse" von den Autoren Son Jae-ho und Lee Gwang-su, der auf der internationalen Mangaseite "Mangafox" veröffentlicht wird. Und so hoffen nicht wenige, dass es Korea gelingt, mit seinen Webtoons an den Erfolg der amerikanischen Heldencomics und der japanischen Mangas anzuschließen.

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