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Lifestyle

Nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea: Zahlen, Fluchtwege, Kontrollen

#Sie fragen, wir antworten l 2017-07-22

Hörerecke

Q: Hat die Zahl der erfolgreich aus dem Norden geflüchteten Koreaner in den letzten Jahren eher zugenommen oder ist sie wegen z.B. verschärfter Kontrollen eher zurückgegangen? Über welche Routen fliehen die Nordkoreaner hauptsächlich? Was passiert, wenn sie erwischt werden?

A: Nach dem Stand von Juni 2017 sind bislang 30.805 Nordkoreaner in den Süden geflohen. Bis in die 1990er Jahre hinein flohen nur vergleichsweise wenige Nordkoreaner nach Süden. Der Grund dafür waren die damals strengen Grenzkontrollen, dann aber auch die Tatsache, dass zu dieser Zeit die Versorgungslage in Nordkorea noch einigermaßen im grünen Bereich war. Pro Jahr liefen bis in die 1990er Jahre vielleicht 5 bis 10 hochkarätige Nordkoreaner über, die dem Süden wichtige Informationen liefern konnten und entsprechend nützlich für Propagandazwecke waren. Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und die von 1994 bis 1998 anhaltende große Hungersnot in Nordkorea brachten dann aber einen Anstieg der Flüchtlingszahlen mit sich. Von der Hungersnot stark betroffen waren v.a. die Bewohner in der Grenzregion zu China. Die zunehmende Liberalisierung in China und die lockereren Kontrollen an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze nutzten damals viele Nordkoreaner zur Flucht. In China selber halfen und helfen auch heute noch nicht zuletzt die dort ansässigen Koreastämmigen den Flüchtenden, aber auch Mitglieder amerikanischer oder südkoreanischer Kirchen. Sie verhelfen den Nordkoreanern z.B. zur Flucht über südostasiatische Länder wie Thailand und Philippinen nach Südkorea.

Nordkoreanische Flüchtlinge, die von den chinesischen Behörden entdeckt werden, werden in der Regel zwangsrepatriiert. Als Unterzeichnerstaat der UNO-Flüchtlingskonvention und der Konvention gegen Folter wäre China eigentlich dazu verpflichtet, den Flüchtlingen Schutz zu gewähren. China stuft die erwischten geflohenen Nordkoreaner jedoch als Wirtschaftsmigranten ein, was eine Zwangsrückführung ermöglicht.

In den letzten Jahren hat Nordkorea die Strafen für zwangsrepatriierte Flüchtlinge noch einmal verschärft. 2010 hat das nordkoreanische Ministerium für Volkssicherheit „Abtrünnigkeit gegenüber dem Staat“ zum „Verrat an der Nation“ deklariert, der mit dem Tod bestraft werden kann. Nordkoreaner, die nach 2013 geflüchtet sind und die immer noch Kontakte im Lande unterhalten, haben der international aktiven, nicht-staatlichen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von harten Strafen für zwangsrepatriierte Flüchtlinge berichtet. Danach sollen Nordkoreaner, die auf der Flucht nach Südkorea gefasst werden, mit 7 bis 15 Jahren Haft in Umerziehungslagern oder Gefängnissen für politische Flüchtlinge bestraft werden.

Noch einmal zurück zur Zahl der Flüchtlinge und zur Flüchtlingsdemographie. Bis 1998 kamen insgesamt nur 947 nordkoreanische Flüchtlinge nach Südkorea, 831 davon Männer und nur 116 Frauen. D.h. die Gesamtzahl der Flüchtlinge war vergleichsweise gering und die Flüchtlinge selbst gehörten meist der gesellschaftlichen Elite an. Das ist zum Teil auch ein Grund für den hohen Männeranteil und ebenfalls ein Grund dafür, dass Südkorea zur Flucht ermunterte. Korrekterweise sollte man nicht zwischen „Männern“ und „Frauen“, sondern zwischen „männlichen Flüchtlingen“ und „weiblichen Flüchtlingen“ unterscheiden, da die statistischen Angaben nicht nach Alter unterscheiden und v.a. heutzutage oft auch Familien oder Mütter mit Kindern fliehen. Der Einfachheit halber sei aber weiterhin von Männern und Frauen gesprochen.

Der Höhepunkt der Flucht in den Süden wurde 2009 erreicht. In dem Jahr flohen 2.914 Nordkoreaner nach Südkorea, 662 Männer, 2.252 Frauen. Ins Auge springt der hohe Frauenanteil, der aktuell rund 80% betragen soll. Das wird u.a. damit erklärt, dass Frauen größere Bewegungsfreiheit haben und man angeblich nicht sofort Nachforschungen anstellt, wenn sie z.B. mal nicht zur Arbeit erscheinen, d.h. sie können dem Überwachungsradar anscheinend leichter entgehen.

Ab 2015 sind die Flüchtlingszahlen dann jedoch deutlich rückläufig. Für 2015 werden nur noch 1.275 nordkoreanische Flüchtlinge genannt, 251 Männer und 1.024 Frauen. Ein Grund für den Rückgang dürfte auch sein, dass die südkoreanische Regierung im Gegensatz zu früher nicht mehr offen zur Flucht aufruft. Und ein Grund dafür dürfte wiederum sein, dass mit den steigenden Flüchtlingszahlen neben Angehörigen der gesellschaftlichen Elite auch immer mehr Angehörige aus unteren Gesellschaftsschichten kamen, die entsprechend schwerer zu integrieren sind. Hinzu kommt ja auch noch, dass viele Flüchtlinge traumatisiert sind und entsprechender Betreuung bedürfen. All dieser Probleme ist man sich im Süden erst bewusst geworden, als die Flüchtlingszahlen stiegen und sich konkrete Probleme deutlicher herauskristallisierten.

Letzte Woche waren in der koreanischen Presse die aktuellsten Infos zum Thema „Zahl der nordkoreanischen Flüchtlinge“ zu lesen. Danach liegt nach Angaben des Vereinigungsministeriums in der ersten Jahreshälfte 2017 die Zahl der nordkoreanischen Flüchtlinge unter dem Vergleichszeitraum 2016. Zwischen Januar und Juni 2017 kamen 593 Nordkoreaner in den Süden. Zwischen Januar und Juni 2016 waren es noch 749 gewesen, 80% davon sind Frauen. Das Vereinigungsministerium sieht den Hauptgrund für die rückläufigen Zahlen in der verstärkten Kontrolle und Überwachung von nordkoreanischer Seite. Seit Ende 2015 soll das nordkoreanische Regime nach Aussagen von Flüchtlingen Hochspannungszäune in den Grenzregionen wie dem Tumen-Fluss, eine der Hauptfluchtrouten nach China, installiert haben. Außerdem soll die Zahl der Grenzsoldaten erhöht worden sein und gefasste bzw. zwangsrepatriierte Flüchtlinge werden, wie bereits erwähnt, härter bestraft und können im Gegensatz zur Zeit vor dem jetzigen Regime kaum mehr auf eine Begnadigung hoffen.

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