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Lifestyle

Zur Lage von LGTB in Korea

#Sie fragen, wir antworten l 2017-08-12

Hörerecke

Q: Vor einigen Wochen habe ich in Berlin gearbeitet und u.a. auch aus dem Bundestag berichtet, als die "Ehe für alle" beschlossen wurde. Ein wirklich spannender und historischer Tag. Als ich kürzlich darüber nachdachte, fragte ich mich, wie in Südkorea der aktuelle Stand zu diesem Thema ist. Durch Google-Suche habe ich zwar eine Beantwortung einer Hörerfrage zu diesem Thema vom 31.07.2007 gefunden - also von vor exakt 10 Jahren! - aber seitdem nicht viel Neues zu dem Thema auf Ihrer Seite. Ist in dieses Thema in Südkorea Bewegung gekommen, nachdem in Europa immer mehr Länder sowie auch die USA die "Ehe für alle" eingeführt haben? Oder ist alles, was damit zu tun hat, weiterhin ein eher schwieriger Sachverhalt? Ich bin auf Ihre Einschätzung gespannt!

A: In der Antwort zu diesem Thema hatten wir 2007 v.a. die historische Entwicklung, die Diskussionen der Zeit und die Gesetzeslage beleuchtet. Die Frage ist aber heute immer noch ein eher schwieriger Sachverhalt, auch wenn die Situation sich seit 2007 allgemein weiter entspannt hat und die Atmosphäre insgesamt toleranter geworden ist.
Noch einmal kurz zum allgemeinen Hintergrund. Man kann sagen, dass das Thema Sexualität in Korea bis zum Ende des Koreakriegs 1953 und auch noch danach ein absolutes Tabuthema war und Homosexualität offiziell nicht existierte. Offiziell soll das Thema erst 1970 in der “Zeitschrift für Koreanische Neuropsychiatrie” behandelt worden sein, und zwar unter dem Titel “Sexuelle Perversionen in Korea”, was schon Aufschluss über die generelle Haltung in der Gesellschaft gibt. Vor 10, 15 Jahren noch hat man Homosexualität als vorübergehende Störung des Geschlechts- und Sozialverhaltens definiert, wobei das besonders für Lesben galt. Historische Quellen lassen aber darauf schließen, dass homosexuelle Beziehungen am koreanischen Königshof früher nichts Unbekanntes waren. Thematisiert hat das z.B. 2005 der international erfolgreiche koreanische Film “Der König und der Clown”, die direkte Übersetzung des koreanischen Titels lautet “Der Lover des Königs”. 1991 wurde mit “Sappho” dann von einer Angehörigen der US-Streitkräfte in Korea die erste offizielle koreanische Lesben-Gruppe gegründet. Mitte der 1990er Jahre erschienen in den koreanischen Presse erstmals Berichte zur Homosexualität. Am Anfang war man dabei mehr auf der Suche nach Schlagzeilen und Sensationen, aber schon bald beschäftigte man sich ernsthaft mit der Thematik zum Beispiel im Zusammenhang mit den Menschenrechten.
Das Thema Homosexualität gewann dann eine neue gesellschaftliche Dimension, als am 8. März 2004 die erste öffentliche Hochzeitsfeier von zwei Homosexuellen aus dem Filmmilieu stattfand, allerdings waren die Familien des Paares demonstrativ nicht anwesend. Gleichgeschlechtliche Ehegemeinschaften sind bis heute rechtlich noch nicht möglich in Korea.
Sprung in die Gegenwart: Vom 14. bis 16. Juli fand in der Seouler Innenstadt das Korea Queer Culture Festival statt, ein seit dem Jahr 2000 jährlich stattfindendes Event, das gut angekündigt war und über das die koreanischen Zeitungen auch ausführlicher berichteten. Zehntausende marschierten durch die Seouler Innenstadt, um für gleiche Rechte für sexuelle Minoritäten zu demonstrieren.
Nach Schätzungen versammelten sich rund 85.000 Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender- oder Bigender-Menschen und deren Unterstützer auf dem Seoul Plaza. Das waren mehr Menschen als je zuvor, 2016 waren rund 50.000 Menschen gekommen. Eine 22-jährige Studentin wird folgendermaßen zitiert:
„Ich bin glücklich, dass ich endlich zum Ausdruck bringen kann, wer ich bin. Und ich bin überrascht über die vielen Teilnehmer, denn normalerweise sehe ich um mich herum eigentlich niemanden, der offen homosexuell oder lesbisch ist. Auch ich habe meinen Eltern oder Freunden nichts von meiner sexuellen Orientierung erzählt, denn ich würde sicher Freunde verlieren und ausgeschlossen werden, wenn ich das täte.“
Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in Südkorea übrigens legal. Allerdings können nach dem Militärstrafrecht gleichgeschlechtliche Akte bestraft werden. Ein gesetzlicher Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung besteht also nicht. 2007 wurde ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums, der auch einen Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität beinhalten sollte, nicht umgesetzt. Südkoreanische Militärgerichte können aufgrund von Artikel 92 des Militärstrafgesetzes gleichgeschlechtliche Liebe mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestrafen. Eine verfassungsrechtliche Prüfung kam im April 2011 zu dem Schluss, dass das Militär die Strafe aufrechterhalten darf. Bei der diesjährigen LGTB-Parade wurde noch einmal eine Gesetzesänderung verlangt, da erst im Mai 2017 ein homosexueller Militärangehöriger, der ertappt wurde, zu sechs Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt wurde.
Trotz aller Fortschritte kann man sagen, das LGBT-Menschen aufgrund der noch herrschenden gesellschaftlichen Intoleranz im Vergleich zu westlichen Ländern noch immer am Rande der Gesellschaft leben. Ein wesentlicher Grund dafür ist natürlich auch die immer noch starke Verhaftung der koreanischen Gesellschaft – und hier insbesondere der älteren Generation, die immer noch politisch entscheidungstragend ist – im konfuzianischen Gedankengut.
Daneben sind aber auch insbesondere konservative protestantische Gruppen bis heute der Meinung, dass alle Abweichungen vom Männlein-Weiblein-Modell eine Krankheit sind, die heilbar ist. Zur Heilung dieser Krankheit unterhalten die protestantischen Kirchen übrigens so eine Art Umorientierungscamps in den USA, zu denen Jugendliche in den Ferien geschickt werden. Bei der diesjährigen Parade war es daher erfrischend zu sehen, dass Eltern von jungen Menschen, die sich zu ihrer Orientierung bekannt hatten, mit für die Rechte von LGTB-Menschen demonstrierten.
Daneben gab es Gegenproteste von rechten Gruppen und protestantischen Gruppen, die beteten und Hymnen sangen. Ihrer Meinung nach bringt gleichgeschlechtliche Liebe die gesellschaftlichen und moralischen Werte zum Einsturz. Aber erfreulicherweise gab es auch Gegenstimmen von jungen protestantischen Gläubigen, die betonten, Jesus lehre, alle Menschen zu lieben und meinten, gleichgeschlechtliche Liebe sei keine Sünde.
Das sahen auch die gut 101 Menschenrechtsorganisationen, internationale Firmen und Botschaften aus 13 Ländern wie den USA und GB sowie Studentengruppen so, die vor der Parade Stände aufgebaut hatten und sich um Aufklärung zum Thema bemühten. Zum ersten Mal nahm auch die Nationale Menschenrechtskommission Koreas an dem Event teil, um ihre Haltung gegenüber Hassreden und Diskriminierung sexueller Minoritäten deutlich zu machen und aufzurufen, Diversität zu respektieren. Daneben fand ein viertägiges LGBT-Filmfestival im Lotte Kino im Südviertel Sinsa-dong statt. D.h. es hat sich durchaus viel getan in den letzten Jahren, aber es bleibt auch noch viel zu tun.

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