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Lifestyle

Reaktion auf innerkoreanisches Gipfeltreffen 2018 und Wiedervereinigung

#Sie fragen, wir antworten l 2018-05-05

Hörerecke

ⓒ YONHAP News

Q: Eigentlich muss man die Ergebnisse des innerkoreanischen Gipfeltreffens nicht kommentieren, die gemeinsame Erklärung von Präsident Moon Jae-in und Kim Jong-un zeugt vom Bemühen der beiden Seiten, die Beziehungen endlich zu verbessern. Wie reagieren die Bürger der Republik Korea auf die Ergebnisse des Treffens? Viele der Älteren sehen ihre Hoffnung auf ein Familientreffen ja fast erfüllt. Wie ist die Reaktion der jungen Bürger? Auch mit Blick auf eine mögliche Wiedervereinigung?


A: Es ist schwer, hier allgemeine Aussagen zu treffen.In eher politisch liberal angehauchten Kreisen sind die Reaktionen auf das Treffen sehr positiv. Man hofft einfach, dass die jahrzehntelange Achterbahnfahrt von Konflikt bis kurz vor militärischen Zusammenstößen, Entspannung und wieder Konflikt endlich endgültig ein Ende hat. Eingefleischte ältere Konservative, die sich noch an den Krieg erinnern können, sehen hingegen in jedem Nordkoreaner immer noch einen gefährlichen Feind. Was nun die jüngere Generation betrifft, so sind die meisten in den Zustand der Teilung hineingeboren und ihnen fehlt jeder emotionale Bezug zu Nordkorea, wenn die Familie nicht gerade aus Nordkorea stammt. Hinzu kommt, dass die junge Generation in Korea derzeit vor vielen Problemen steht. Zu nennen sind hohe Jugendarbeitslosigkeit, eine schnell alternde Gesellschaft bei gleichzeitig schrumpfender Bevölkerungszahl, schwaches Wirtschaftswachstum und ein Sumpf immer neuer an die Öffentlichkeit kommender Skandale in Politik und Wirtschaft. Laut einem Bericht der TIME vom 25. April 2018 haben Nordkorea und die Wiedervereinigung unter jungen Leuten in den 20ern, die gerade im Studium sind und von gut bezahlten Jobs träumen, keine Priorität. Sie haben schon mit der eigenen Lebensplanung genug zu tun und haben auch durchaus Zukunftsvisionen für Korea, aber da kommt der Norden erst mal kaum oder gar nicht vor.

Das belegt auch eine Umfrage, die 2017 vom Koreanischen Institut für Wiedervereinigung, das der Regierung untersteht, durchgeführt wurde. Danach haben sich 71,2% der jungen Südkoreaner in ihren 20ern gegen eine Wiedervereinigung ausgesprochen. Zudem war insgesamt die Unterstützung für eine Wiedervereinigung in der Gesamtbevölkerung von 70% im Jahr 2013 auf 57,8% 2017 gesunken. Die Wiedervereinigung scheint demnach insgesamt im Bewusstsein der Bevölkerung im Süden an Bedeutung verloren zu haben, aber insbesondere im Bewusstsein der jungen Menschen.

Dazu passen auch weitere Umfrageergebnisse des Instituts. Sowohl die Umfrageteilnehmer zwischen 20 und 30 Jahren als auch die Teilnehmer über 60 sind zwar der Meinung, dass Nord- und Südkoreaner der gleichen Ethnie angehörten. Aber nur 26,9% der 20- bis 29-Jährigen finden, dass das ein Grund zur Wiedervereinigung sei. Bei den über 60-Jährigen waren es immerhin noch 48,6%. Die jungen Leute weisen darauf hin, dass 70 Jahre Teilung zwei unterschiedliche Welten, Denkweisen und Einstellungen hat entstehen lassen, selbst die sprachlichen Unterschiede sind groß. Eine emotionale Bindung besteht unter den jungen Leuten kaum. Im Süden herrschen Individualismus, K-Pop, neueste Modetrends, Plastische Chirurgie sowie starke amerikanische und japanische Einflüsse; im Norden kollektiver Stechschritt und stalinistische Indoktrination. Hochgeschwindigkeitszüge und Smartphones im Süden, Rückständigkeit im Norden, v.a. auf dem Land. Dazu bislang trotz der geographischen Nähe die Unmöglichkeit der Reisefreiheit.

Solche Umfrageergebnisse und Ansichten passen natürlich nicht besonders gut zu den guten Nachrichten der letzten Tage wie der Bereitwilligkeit des Nordens, Atom- und Raketentests zu stoppen und sich auf die Wirtschaftsentwicklung zu konzentrieren, Abschalten der Propagandabeschallung an der innerkoreanischen Grenze oder Kim Jon-ungs Aussage, dass der Abzug der US-Truppen aus Südkorea keine Vorbedingung für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel mehr sei. Nach Meinung vieler südkoreanischer Studenten wurde schon zuviel Zeit der Vergangenheit geopfert. Dazu gehört auch, dass südkoreanische Männer zwischen 18 und 35 Jahren für zwei Jahre zum Militär müssen. Und ein Grund für die lange Militärpflicht ist u.a. die Existenz des Nordens. Zudem fühlen sich einige Studenten auch durch Linksextreme an den Hochschulen beunruhigt, die auf dem Campus Propaganda-Flugblätter verteilen sollen.

Ein weiterer Punkt, der junge südkoreanische Studenten pessimistisch stimmt, sind die Erfahrungen mit Kommilitonen, die als Flüchtlinge aus dem Norden gekommen sind. Sie bekommen bei der Universitätsaufnahme aufgrund ihres Flüchtlingsstatus Bonuspunkte, was natürlich für einen gewissen Neid sorgt. Und auch um die Kosten der Wiedervereinigung sorgen sich die jungen Koreaner. Nordkoreas BIP beträgt weniger als 1% des Südens. D.h. Südkorea hätte im Falle einer Wiedervereinigung mehr zu stemmen als Westdeutschland bei der Wiedervereinigung mit Ostdeutschland.

Aber auch wenn sich, wie die vorhin genannten Statistikzahlen belegen, die Mehrheit der jungen Koreaner bei Umfragen eher gegen eine Wiedervereinigung ausspricht, so gibt es doch auch Stimmen dafür unter den jungen Leuten. Sie sehen, dass ein vereintes Korea Anschluss an Russland und damit an ganz Europa bedeuten würde, was neue Möglichkeiten erschließt. Auch könnten die finanziellen Mittel, die jetzt in die Verteidigung fließen, gewissermaßen als Friedensdividende in Bereiche zum Wohle anderer fließen. Zudem sind auch die Rohstoffvorkommen des Nordens nicht uninteressant. Und ein vereintes Korea kann sich besser gegenüber China und Japan behaupten als ein geteiltes. Mit Blick auf die Zukunft der koreanischen Halbinsel ist also noch eine Menge Überzeugungsarbeit gefragt.

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