Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Gesellschaft

Die Kinderbuchautorin Hwang Sun-mi

2016-02-16


Im Hauptsaal des staatlichen Gugak-Zentrums wird die Gugak-Version des Familienmusicals „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ aufgeführt. Die Geschichte handelt von einem Haushuhn, das eine kleine Wildente adoptiert und zurück zu Seinesgleichen bringt. Sie müssen sich trennen, weil der eine Vogel fliegen kann, der andere aber nicht. Das Huhn lässt den herangewachsenen Erpel mit den anderen Enten ziehen und opfert sich selbst einem hungrigen Wiesel. Für das Publikum ist diese Szene absolut herzzerreißend.

Mann: Die Aufführung war sehr bewegend, weil meine Kinder dadurch mich besser verstehen konnten und ich meine Eltern.

Frau: Als Mutter konnte nachvollziehen, wie die Henne das Entlein aufgezogen hat und wie sie es seinen eigenen Weg gehen ließ.

Mädchen: Die Henne opferte ihr Leben, damit der Wieselnachwuchs überleben kann. Die Sterbeszene war traurig, aber schön.


Die Legehenne Sprosse flüchtete von einer Hühnerfarm, weil sie ihren eigenen Nachwuchs aufziehen wollte. Sie erkannte die Gelegenheit, als sie ein verwaistes Entenei fand, aus dem bald ein kleines Entlein schlüpfte. Nachdem sie den Erpel aufgezogen, ihm Schwimmen beigebracht und ihn zurück zu seinem Schwarm gebracht hatte, gab Sprosse sich dem Gesetz der Natur hin und stellte sich einem Wiesel als Nahrung zur Verfügung, denn das Tier war ebenfalls eine Mutter, die ihre Jungen zu ernähren hatte. Das Familienmusical „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ handelt von der aufopferungsvollen Liebe einer Mutter und dem Erwachsenwerden der nächsten Generation. Die Geschichte zeigt nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen, wie sie ihr Leben sinnvoller leben können.

Mehr als 1,6 Millionen Bücher sind von der Kindergeschichte „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ verkauft worden, seit das Buch im Jahr 2000 veröffentlicht wurde. Die mutige und liebevolle Hauptfigur Sprosse ist also bereits 16 Jahre alt. Sie hat es aus dem kleinen Korea herausgeschafft und befindet sich jetzt in der freien Wildbahn von 25 Ländern auf der ganzen Welt. Die Schöpferin von Sprosse ist die Kinderbuchautorin Hwang Sun-mi, die mit Stolz beobachtet, wie frei und selbstständig sich ihre geliebte Figur auf der Weltbühne bewegt. Hier die Autorin selbst über ihre Heldin:

Ich bin sehr stolz auf sie. Ich glaube, sie ist sehr hübsch. „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ war ein symbolisches Stück, das mich erkennen ließ, dass ein Buch ein lebendiges Wesen ist. Ich denke, es kann sich auch auf dieser Größenordnung behaupten.

Hwang Sun-mi ist eine Kinderbuchautorin mit 20 Jahren an Erfahrung. Ihre Werke wie „Immer Ärger mit Jonko“ und „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“, die beide auch auf Deutsch veröffentlicht wurden, machten sie zur ersten lebenden Kinderbuchautorin mit mehr als einer Million verkaufter Bücher. Das letzgenannte Buch war ihr erfolgreichstes und begründete ihren Starruhm. Sie verdiente sich damit bei der Buchmesse in London 2014 den Titel „Author of the Day“ und zählte bei der Buchmesse in Seoul 2015 zu den bekanntesten Autoren. „Das Huhn“ wurde in den Literaturkanon für koreanische Fünftklässler ausgenommen und machte weltweit Schlagzeilen, als es bei Penguin Books in den USA nicht als Kinderbuch, sondern als normale Erzählung vermarktet wurde. Es wurde im Februar 2013 auch von der polnischen Online-Literaturgesellschaft Granica zum besten Buch des Jahres 2012 ernannt sowie im November 2013 schließlich vom weltweit größten Online-Buchhändler Amazon als bestes Buch des Monats ausgezeichnet. Treffen wir Hwang Sun-mi, die mit ihrer Lieblingshenne Sprosse die Welt bereist.

Als Hwang Sun-mi sich für ein Interview hinsetzte, bot sie erst einmal ein paar geröstete Süßkartoffeln an, die sie selbst zu Hause angebaut hatte. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann, einem Landwirt, in Dangjin im Zentrum Koreas. Hwang arbeitet an Wochentagen normalerweise in ihrem Studio in Seoul und kehrt am Wochenende zu ihrem Bauernhof in Dangjin zurück. Ihr Vater war auch Bauer, und wenn er nicht bankrottgegangen wäre, hätten sie ein ziemlich normales Leben geführt, ohne von einem Ort zum anderen zu reisen und sich in fremden Städten und an neuen Schulen durchsetzen zu müssen.

Ich fühlte mich meiner eigenen Heimatstadt beraubt, die ich für perfekt hielt. Ich glaube, dass ich damals entwurzelt war. Meine Familie war über Nacht pleitegegangen und wir mussten mit nichts als unseren Kleindern am Leib in eine fremde Stadt ziehen. Damals war ich erst sieben Jahre alt. Mein älterer Bruder war neun, und es war schwer für uns, neue Freunde zu finden. Ich war völlig isoliert und mein Bruder geriet fast jeden Abend in eine Schlägerei. Das Leben war auch für uns Kinder wirklich schwer.

Hwangs Vater musste sein Geld an einem weit entfernten Ort verdienen, während die Mutter sich allein um die fünf Kinder kümmerte. Überwältigt von Arbeit und Sorge hatte die Mutter nicht den Luxus, liebevoll zu ihren Kindern zu sein. Stattdessen machte das harte Leben sie verbittert und abweisend. Sie wollte ihre älteste Tochter, Sun-mi, zur Arbeit als Dienstmädchen wegschicken und ihre Büchertasche im Ofen verbrennen. Die Tochter hatte Frust und Verzweiflung auf den Papieren darin festgehalten, seit sie sieben war.

Ich hatte es mir nicht ausgesucht, allein zu sein. Die Umstände hatten mich so gemacht. Ich glaube, das Schreiben hatte mich getröstet. Ich wollte mich irgendwie ausdrücken. Es war ein emotionales Ventil für ein introvertiertes, einsames Mädchen.

Hwang begann zu schreiben, als sie dreizehn war, und hat seitdem nie damit aufgehört. Sie schreibt jeden Tag, wie es sich gerade anbietet – Tagebücher, Essays, Kindergeschichten oder Erzählungen. Als sie endlich zwanzig wurde, verließ sie das Haus, um von ihrer Mutter unabhängig zu werden. Eine Freundin riet ihr zum kreativen Schreiben, und so schrieb sie sich beim Seoul Institute of the Arts ein und studierte kreatives Schreiben. Nach dem Abschluss heiratete sie mit 27, um ihrem alten Zuhause zu entkommen. Dann bekam sie zwei Kinder und wurde dreißig. Eines Tages wurde sie aus heiterem Himmel darum gebeten, einen Artikel zu schreiben.

Mein ältester Sohn war zu der Zeit im Kindergarten, aber es mangelte ihm an sozialen Fähigkeiten. Ich schrieb Notizen und legte sie ihm in seine Lunchbox. Eines Tages bat mich seine Kindergärtnerin darum, einen Artikel über das Aufziehen von Kindern in einem Magazin für Kindererziehung zu schreiben. Ich hatte bereits ein Tagebuch über meine Kinder, und das übergab ich einfach. Dann fragten sie mich, ob ich in dieser Monatszeitschrift eine Artikelserie schreiben könnte. Also schrieb ich etwa fünfzehn Monate lang für das Magazin.



Hwang hatte jede Minute dieser fünfzehn Monate genossen, selbst die hektische Spannung der Termineinhaltung. Dann sah sie eine Stellenanzeige für einen Leselehrer. Sie wollte neue Dinge erfahren und eine eigene Karriere machen. Sie meldete sich bei einem Programm für Leselehrer an, wo sie ihre schicksalhafte Begegnung mit Kinderliteratur hatte.

Während ich die Ausbildung zur Leselehrerin machte, eröffnete eine neue Schule für das Schreiben von Kinderbüchern. Der Unterricht war bei einem älteren Mann, der Gedichte für Kinder schrieb. Das Programm dauerte etwa sechs Monate. Zufällig war das Hanwoori-Kulturzentrum auf der Suche nach einem Lehrer und ich bewarb mich für die Stelle. So fing ich an, als Lehrerin zu arbeiten, während ich eine Ausbildung als Leselehrerin machte und meine Leidenschaft als Kinderbuchautorin entdeckte.

Die Lehrtätigkeit war ein Geschenk des Himmels, denn Hwang hatte kaum genug Geld für den Leselehrerinnenkurs, geschweige denn für das kreative Schreibprogramm. Ein Jahr lang hatte sie vier Rollen zugleich: Ehefrau, Mutter, Schülerin und Lehrerin. Ihr unermüdlicher Antrieb und ihre Leidenschaft ermöglichten ihr schließlich das Debut als Kinderbuchautorin. Sie gewann im Jahr 1995 den Nong-min-Literaturpreis einer Landwirtschaftszeitung mit ihrer Arbeit „Eine Blume im Herzen“. Im selben Jahr erhielt sie für „Liebe Perlen“ auch den Preis als beste neue Autorin der Children’s Literature Review. Doch damit endete ihre Siegesserie erst einmal. Sie trat bei allen Arten von Wettbewerben an, ohne etwas zu gewinnen. Erst „Immer Ärger mit Jonko“, ursprünglich eine Serie in einer Tageszeitung, erzielte positive Bewertungen bei Lesern und Kritikern. Sechs Monate später hatte sie mit „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ einen literarischen Volltreffer, obwohl die Geschichte zuvor in einem Wettbewerb untergegangen war. Die Geschichte war durch einen einzigen Satz in einem Comicbuch und einer einzelnen Szene in einem Dokumentarfilm inspiriert worden. Die tapfere Henne Sprosse war durch eine Reihe von Zufällen entstanden.

Ich las im Haus einer Freundin ein Comicbuch über alte chinesische Geschehnisse, als ich die Überschrift sah: „Eine zahme Ente sitzt nicht auf ihren eigenen Eiern.“ Das schockierte mich regelrecht und blieb in meinem Kopf hängen. Dann sah ich eine Fernsehsendung über einheimische Hühner. Dort wurde gezeigt, wie eine Henne beim Ausbrüten all ihren Brustfedern verlor. Ich fand das ebenfalls schockierend, und die Überschrift aus dem Comic ein paar Tage zuvor vermischte sich mit dem Dokumentarfilm. Das Nachdenken über diese beiden Szenen hielt mich die ganze Nacht wach.

Sie machte sich sofort an die Arbeit. Sie überlegte sich eine Handlung, formte die Hauptfiguren und dachte sich Namen aus. Dann war „Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ schließlich bereit für die Leser. Das Buch war so beliebt, dass 2011 ein Zeichentrickfilm daraus gemacht wurde. In der deutschen Version des Films wurde die Henne Sprosse in Liefi umbenannt und aus ihrem Sohn, der Ente Grünkamm, wurde schlicht Greenie. Zusammen mit Nebenfiguren wie der flügellahmen Wildente Wanderer, dem Bürgermeister Herrn Otter und dem gefährlichen, einäugigen Wiesel wurde die märchenhafte Erzählung zu einer Geschichte mit lebendigen Figuren. Der Film mit dem deutschen Titel „Liefi, ein Huhn in der Wildnis" war der erste heimische Animationsfilm mit mehr als 2 Millionen Zuschauern in der koreanischen Filmgeschichte.

Die Geschichte wurde bereits 2002 als Theaterstück aufgeführt und es folgten viele andere Produktionen, wie zum Beispiel als Musical und als Gugak-Version. Der Leiter des Mindeulle Theater and Play Laboratory, Song In-hyun, erzählt uns mehr darüber, warum die Geschichte so viele genreübergreifende Umgestaltungen erlebt hat.

Ich las „Das Huhn“ viele Male und es hat mich sehr mitgenommen. Ich erkannte, wie kraftvoll die Macht der Literatur sein kann. Diese Geschichte spricht nicht nur Koreaner an, sondern handelt von universellen Werten, die von allen Menschen geteilt werden.

Auf den ersten Blick handelt die Geschichte offensichtlich von der mütterlichen Liebe, doch Hwang Sun-mi wollte über das Leben an sich schreiben. Als Sprosse/Liefi vom Frühling bis zum Winter alle vier Jahreszeiten in der Wildnis durchlebt, erkennt sie das traurige Schicksal eines Blattes, das in dieser Welt aufblüht und wieder vergeht. Jedoch ist ihr Tod nicht nur traurig, da das Leben wie aus einem Spross erneut aufkeimt. Deshalb weint die Ente auch nicht, als sie sich von der einzigen Mutter, die sie je hatte, verabschiedet. In der deutschen Kinofassung wurde die anschließende dramatische Selbstaufopferung der Henne allerdings herausgekürzt, der Film erhielt dadurch ein als oberflächlich bemängeltes Happy End. Hier ist der Schauspieler Won Sung-joon, der den jungen Erpel in der traditionellen Musicalversion darstellt.

In der letzten Szene wird Greenie zur Leitente seines Schwarms und führt die anderen Enten an einen wärmeren Ort. Er trennt sich von seiner Mutter, aber es fühlt sich eher feierlich an, wie bei einer Hochzeit. Eltern müssen ihre Kinder irgendwann gehen lassen, die Kinder haben ihr eigenes Leben zu leben. Es war nicht wirklich traurig. Ich denke, dass sie sich wiedersehen werden. Es kann etwas wehtun und ein bisschen traurig sein, aber es gibt andere Dinge, auf die man sich freuen kann.

Die Figur Sprosse war stark von Hwangs Vater inspiriert, der zu der Zeit an Krebs im Endstadium litt. Er widmete sein ganzes Leben seinen Kindern und hatte seine Tochter beim Schreiben immer standhaft unterstützt. Sie wollte etwas von all den Opfern ihres Vaters für sie festhalten.

Mein Vater war schwer an Krebs erkrankt. Ich wollte sein Leben festhalten. Er war kein gebildeter Mann und hatte ein hartes Leben, aber er verstand es, in vollen Zügen zu leben. Er war ganz normal, völlig unauffällig. Er war kein Star, aber die meisten von uns sind das ja auch nicht. Das bedeutet nicht, dass wir Verlierer oder sowas sind. Ich meine nur, dass wir die Stars in unserem eigenen Leben sind.

„Das Huhn, das vom Fliegen träumte“ gilt als Kinderliteratur, aber es ist eine Erzählung für Jung und Alt. Mittlerweile berührt die Geschichte der mutigen Legehenne die Herzen der Leser auf der ganzen Welt.

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >