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Gesellschaft

Der Verleger Kim Dong-geun und die Neuauflagen koreanischer Gedichtsammlungen

2016-03-08

Bis zum Tag des Sterbens schaue ich in den Himmel,
Ohne einen Funken der Schmach.
Ich litt schon, wenn der Wind die Blätter durcheinanderwirbelte.
Mein Herz singt zu den Sternen,
Ich kann nicht anders als die vergehenden Dinge zu lieben.
Und ich muss die Straße, die vor mir liegt, bis zum Ende gehen.
Heute Nacht werden die Sterne vom Wind gestreift.


Von Yun Dong-ju, 20. November 1941



Der Dichter Yun Dong-ju schrieb das Gedicht „Vorwort“ trotz der Unterdrückung durch das japanische Kolonialregime auf Koreanisch, ein Aufschrei gegen die düstere Notlage, in der Korea sich damals befand. Der junge Dichter war wegen seiner Teilnahme an der Unabhängigkeitsbewegung in einem Gefängnis in Fukuoka eingesperrt und starb am 16. Februar 1945, nur wenige Monate, bevor Korea befreit wurde. Er war damals erst 28 Jahre alt. Der kürzlich erschienene Film „Dongju: Porträt eines Dichters“ zeigt das Leben des jungen Yun Dong-ju, der ohne einen Funken der Schmach zum Himmel hinaufgeschaut hatte.

Wie bei einem perfekten Timing lag die Neuauflage der Originalausgabe von Yun Dong-jus Gedichtsammlung eine Woche vor der Filmpremiere in den Buchhandlungen. Doch Yuns Gedichte waren nicht die einzigen, die in ihrer ursprünglichen Form neu herausgegeben wurden. Im vergangenen November waren bereits Nachdrucke der ursprünglichen Gedichtsammlung Kim So-wols erschienen, die das öffentliche Interesse an Poesie wieder entfacht hatten. Die Bücher von Yun Dong-ju und Kim So-wol landeten gleich in den Bestsellerlisten.

Frau 1: Die alte Sprache ist lebendig. Ich fühle mich den Gedanken des Dichters Nahe. Wir haben seine Gedichte zuerst in der modernen Sprache gelernt. Ich kann mir jetzt besser vorstellen, wie er sich fühlte, als er diese Gedichte schrieb. Ich kann ihn besser verstehen.

Frau 2: Ich mag Yun Dong-ju so sehr, dass ich nur herkam, um dieses Buch zu kaufen. Das Buch sieht etwas altmodisch aus, aber ich denke, man kann es sich ins Regal stellen. Ich kann die alten Gefühle spüren.

Frau 3: Ich weiß nicht viel über die Zeit, aber es gibt hier chinesische Schriftzeichen und altmodische Ausdrücke, die mich an die alten Zeiten erinnern. Ich glaube, ich sollte mindestens ein Buch davon haben.


Verantwortlich für die Neuauflage der Originalausgaben berühmter koreanischer Gedichte ist Kim Dong-geun, Inhaber des Sowadari-Verlags. Als alle anderen es für verrückt hielten, die alten Ausgaben neu herauszugeben, glaubte Kim an die Idee und veröffentlichte die alten Gedichtsammlungen genau so, wie sie zum ersten Mal vor 90 beziehungsweise 70 Jahren veröffentlicht worden waren. Seine Bemühungen erlaubten es den Verehrern koreanischer Gedichte, sich mit den Dichtern neu anzufreunden und brachten ihm den Spitznamen eines „Wundertäters der Verlagsbranche“ ein. Hier ist Oh Hee-won, Bücherexpertin bei der bekannten Buchhandelskette Bandi & Luni’s.

Gedichtsammlungen sind in der Regel keine Bestseller. Aber die Originalausgaben von Kim So-wol und Yun Dong-ju sind uns regelrecht aus den Regalen gerissen worden. Ich habe so etwas absolut nicht erwartet. Die Bücher sind bei den jungen Leuten beliebter als bei der älteren Generation. Wir verkaufen an Wochentagen etwa 20 bis 30 derartige Bücher und an den Wochenenden noch mehr. Inzwischen gibt es andere Verlage, die das Konzept übernommen haben und nun ebenfalls Neuauflagen von Originalausgaben herausgeben.

Die Begeisterung bei den Lesern war völlig unerwartet. Die Gedichtsammlungen von Yun Dong-ju und Kim So-wol gingen weg wie Freibier. Der Verleger Kim Dong-geun unterhält einen Ein-Mann-Verlag und hat Schwierigkeiten, mit der Flut von Aufträgen Schritt zu halten.

Ich kann nicht alle Aufträge erfüllen. Eine Person kann vielleicht 500 Bücher an einem Tag einpacken, aber ich müsste täglich zwischen 1000 und 2000 Pakete an die Buchhandlungen schicken. Ich tue, was ich kann.

Bisher wurden etwa 80.000 Exemplare von Kim So-wols und 120.000 Exemplare von Yun Dong-jus Gedichtsammlung verkauft. Manche Menschen können nicht verstehen, warum es Kim Dong-geun so schwerfällt, alle Aufträge zu erfüllen. Warum werden die Bücher denn nicht an die Buchhandlungen verschickt? Doch wer das Lager besucht, wo Kim Dong-geun arbeitet, kann verstehen, warum er mit den Nachfragen nicht Schritt halten kann. Sorgfältig verpackt er jedes einzelne Buch in einen Umschlag. Angesichts der erfolgreichen Idee, Neudrucke von Originalausgaben zu veröffentlichen, könnte man denken, dass Kim Dong-geun ein alter Veteran in der Verlagsszene ist. Dabei ist er erst seit zehn Jahren im Verlagsgeschäft.

Früher war ich Verkäufer in der Halbleiterbranche. Halbleiter werden in großen Mengen zu niedrigen Preisen verkauft. Ich habe meine Arbeit nicht gemocht. Jeden Morgen zerbrach ich mir den Kopf darüber, ob ich so weitermachen sollte. Eines Tages stieg ich auf dem Weg zur Arbeit einfach aus der U-Bahn aus und ging zur Kyobo-Buchhandlung. Dann sagte ich zu meinem Chef, dass ich aufhöre und schaltete mein Handy aus.

Er entschied sich spontan dazu, seinen Job zu beenden, den er vier Jahre lang gemacht hatte. Er schickte seinem Chef eine Message, dass er nicht mehr zur Arbeit kommen würde, und ging direkt in eine Buchhandlung. In dem Moment, als er ein Buch in die Hand nahm, wusste Kim Dong-geun, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen wollte.

Er hatte viel zu lernen, da er relativ spät in die Branche eingestiegen war. Doch er lernte schnell. Er genoss jede Minute der Verlagsarbeit, von der Planung eines Buchprojekts über die Bearbeitung der Manuskripte bis zur Vermarktung der fertigen Produkte.

Es ist wirklich schwer, ein Buch zu veröffentlichen, doch wenn die harte Arbeit erst einmal erledigt ist, erwartet einen immer etwas Neues. Es macht wirklich Spaß, ein Buch zu planen. Weil es so viel Spaß macht, sich einen Titel oder die Art der Verpackung für das Buch auszudenken, kann man den darauf folgenden anstrengenden Arbeitsprozess ertragen. Ich lese ein Buch bei der Bearbeitung oder dem Korrekturlesen über hundert Mal. Ich bleibe die ganze Nacht auf, nur um einen Fehler zu beheben. Die Arbeit ist hart, aber sie macht wirklich Spaß.

Kim arbeitete fünf Jahre bei einem etablierten Verlag. Doch dann wollte er irgendwann selbst Bücher herausgeben. Er wollte einfach ganz allein für seine Bücher verantwortlich sein.

Ich wollte meine eigenen Bücher machen. Ich hatte in einem großen Unternehmen mit vielen Angestellten gearbeitet. Für jede noch so kleine Entscheidung brauchte man Sitzungen und Kompromisse. Aber ich wollte ein Buch machen, das meinen eigenen Ideen entsprach. Ich wollte mein Ego zufrieden stellen. Also beschloss ich, mich selbstständig zu machen und meinen eigenen Verlag zu gründen.

Kim hatte an der Universität japanische Sprache und Literatur studiert, und so war sein erstes Buch ein Lehrbuch für die japanische Sprache. Doch dann wurden Japan und die japanische Buchverlagsbranche durch ein verheerendes Erdbeben erschüttert.

Japan wurde von einem Tsunami getroffen. Reisen nach Japan wurden abgesagt und auch die Nachfrage nach Büchern über Japan sank. Aber eine Krise kann auch eine Chance sein. Ich veröffentlichte einige Bücher mit einem neuartigen Konzept, die zum Glück gut angenommen wurden. Der Markt war so sehr geschrumpft, dass selbst bescheidene Verkäufe branchenweites Interesse hervorriefen. Das erste Buch dieser Serie handelte davon, die Grundlagen der japanischen Sprache an einem einzigen Tag zu meistern.

Der unerwartete Erfolg seines ersten Buchs führte zu einer Reihe von Büchern zum Fremdsprachenlernen. Interessanterweise enthielten Kims Lehrbücher Nachdrucke der Originalausgaben solch anerkannter literarischer Werke wie „Der kleine Prinz“ und „Alice im Wunderland“. Nach diesen Originalausgaben ausländischer fiktionaler Werke erhielt er von koreanischen Lesern Anfragen nach Originalausgaben von Werken aus der koreanischen Literatur. Er gibt zu, dass es ihm wie ein Schlag vor den Kopf vorkam, und ärgert sich darüber, nicht von allein auf die Idee gekommen zu sein.

Es gab nur noch wenige Exemplare von Kim So-wols „Azaleen“ und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Leute den Titel nur noch in Museen sehen könnten. Also wollte ich den Leuten die Gedichtsammlung in ihrer ursprünglichen Form verfügbar machen, bevor sie vollständig verschwinden würde. Wir können die Gedichte von Yun Dong-ju und Kim So-wol mit nur wenigen Klicks im Internet lesen, wann immer wir wollen. Da die Gedichte so leicht verfügbar waren, waren die Menschen weniger an ihnen interessiert. Sie waren zu normal für uns. Aber diese beiden Dichter waren wichtige historische Figuren während der japanischen Besetzung Koreas. Für jeden Koreaner ist jene Zeit mit starken Gefühlen verbunden.

Kim wollte diese Gedichte im Originalzustand wiederherstellen, bevor sie vollständig verschwinden würden. Es war bedauernswert, dass die großen Gedichte der Nationaldichter Yun Dong-ju und Kim So-wol aus dem öffentlichen Interesse verschwanden, weil sie zu bekannt waren. Kim wollte ihre Werke den Leuten zur Verfügung stellen, wie sie zum ersten Mal veröffentlicht worden waren. Aber es war nicht leicht, an die ersten Ausgaben heranzukommen und es brauchte einen langen Atem, sie zu restaurieren.

Das ursprüngliche Buch war so alt war, dass es zu einem großen Teil zerfallen war. Die Tinte war verschmiert, daher nutzte ich ein Grafikprogramm auf dem Computer, um die Buchstaben einen nach dem anderen wiederherzustellen. An einigen Stellen waren die Buchstaben komplett verschwunden, weil das Papier von Motten zerfressen war. Ich musste die verlorenen Buchstaben von anderen Seiten kopieren, und die chinesischen Schriftzeichen wurden vom Computer generiert.

Sobald der Text wiederhergestellt war, spürte Kim eine gewisse Hemmung, ihn zu veröffentlichen. Der Dichter war nach neun Jahrzehnten wieder zum Leben erweckt worden, sodass seine Rückkehr etwas Besonderes und Bedeutsames erforderte. Also fügte Kim der Gedichtsammlung eine Postkarte mit einer gezielten Botschaft hinzu und verpackte das Buch in einen passenden Umschlag.

Ich hatte zwei Stempel für den Umschlag. Der Poststempel markierte Gyeongseong, den alten Namen für Seoul, und den 26. Dezember 1925, als die Originalausgabe von „Azalee“ veröffentlicht worden war. Die Idee war, das Buch so zu verschicken, wie es ursprünglich ausgeliefert worden war. Als Absender war Kim Jeong-sik angegeben, Kim So-wols richtiger Name, und auf dem Umschlag war „Expresspost“ für eine schnelle Lieferung gestempelt.

Die Postkarte enthält eine Anfrage des Dichters darüber, ob seine Gedichte geliebt werden und ob Korea bereits die Unabhängigkeit erlangt habe. Diese scheinbar persönliche Mitteilung lässt beim Empfänger den Wunsch aufkommen, darauf zu antworten.

Kims nächstes Projekt von Originalausgaben waren die Gedichte von Yun Dong-ju. Dieses Paket enthielt drei Bücher: eine Neuauflage der Erstausgabe von 1948, drei Jahre nach seinem Tod, eine Gedenkausgabe zum 10. Jahrestag seines Todes im Jahr 1955 sowie ein handschriftliches Manuskript.

Yun Dong-ju schrieb die Gedichte mit der Hand und gab die selbst gebundenen Manuskripte einem Freund, bevor er nach Japan ging. Die Manuskripte seines Freund blieben erhalten und die Gedichte wurden später veröffentlicht. Zu dem Zeitpunkt, als Yun seine Manuskripte schrieb, war es verboten, auf Koreanisch zu schreiben, aber er trotzte der Gefahr und schrieb seine Gedichte. Auf der Rückseite gibt es eine japanische Gerichtsentscheidung über Yun, als er wegen Verstoßes gegen die japanischen Sicherheitsgesetze verhaftet wurde. Das ist sehr bewegend.

Beim Umblättern der Seiten stellt sich plötzlich der Wunsch ein, diesen jungen Dichter persönlich zu treffen. Dankenswerterweise enthält Kims Ausgabe auf der letzten Seite das Bild des Dichters, um ihn heutigen Lesern näher zu bringen.

Es ist immer noch recht kühl im Lager, wo Kim Dong-geun den ganzen Tag damit beschäftigt ist, die Gedichtsammlungen einzupacken. Obwohl er sich nur eine tägliche Pause von 30 Minuten gönnt, ist er mehr als bereit, diese Aufgabe fortzusetzen, weil Kim es sich zur lebenslangen Verpflichtung gemacht hat, Koreas Kultdichter, die eine zu lange Zeit als selbstverständlich abgehakt worden waren, wieder zum Leben zu erwecken.

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