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Gesellschaft

Der Countertenor Chung Siman

2016-05-31

Vom 18. bis 21. Mai führte die koreanische Nationaloper im LG Art Center im Süden Seouls „Orlando Finto Pazzo“ auf, eine Barockoper des italienischen Komponisten Antonio Vivaldi aus dem 18. Jahrhundert. Es ist eine Geschichte über Liebe, Eifersucht, Rache und Wut zwischen sieben Personen, angeführt vom titelgebenden Orlando. Diese Oper ist ein kaum bekannter, 300 Jahre alter Schatz, der dermaßen in der Versenkung verschwunden ist, dass es schwer war, an die Partitur zu gelangen. Es war eine mutige Entscheidung der koreanischen Nationaloper, das Stück zum ersten Mal in Korea sowie in ganz Asien vor einem Publikum aufzuführen. Die herrlichen Kostüme aus dem Barock und die lebendige Musik begeisterten die Opernliebhaber, doch der eigentliche Reiz der Oper besteht im Countertenor, einer klassischen männlichen Singstimme, die dem koreanischen Publikum bisher fremd war. Das Publikum war durch die Countertenor-Arien am Ende ganz hingerissen.

Mann 1: Es war das erste Mal, dass ich einen Countertenor hörte. Ich war ziemlich schockiert. Sie sangen sowohl in männlichen wie weiblichen Stimmlagen, und ihre Stimmen waren klarer, als ich dachte. Es war sehr interessant und wichtig, dass die erste Barockoper in Korea von der koreanischen Nationaloper aufgeführt wurde.

Mann 2: Ich hatte eine tolle Zeit. Die beiden Countertenöre hatten jeweils eine eigene, einzigartige Persönlichkeit und einen eigenen Klang.

Frau 1: Es war ganz neu für mich. Ich hatte bisher nur die tiefen Stimmen männlicher Sänger gehört, aber die beiden Countertenöre heute brachten eine fabelhafte Leistung.


Ein Schwert schwingender Mann, der plötzlich ein Lied in einer hohen Frauenstimme anstimmt. Die männliche Lunge bieten dem Countertenor, auch Altus genannt, genug Kraft und Energie, um einen breiten Stimmumfang abzudecken und das Herz des Publikums zu erobern. Obwohl hoch und klar, ist die Stimme zu robust, um als weibliche Stimme zu gelten, und zu reif, um eine Knabenstimme zu sein. Das Spiel mit den Geschlechtergrenzen fesselt das Publikum. Zwei Countertenöre treten in „Orlando Finto Pazzo“ auf: David DQ Lee, der den Weg für Countertenöre in Korea geebnet hat, und der junge Sänger Chung Siman, der mit diesem Stück sein offizielles Operndebüt hatte. Wer Chungs unvergessenen Auftritt in dieser Opernproduktion gesehen hat, war ganz von seinem Talent überzeugt.

Mann 1: Ich habe schon ein paar Aufführungen von Countertenören gesehen, aber niemand hatte eine so mächtige Stimme wie Chung Siman. Ich war von diesem Opernsänger wirklich beeindruckt.

Mann 2: Seine Stimme war reichhaltig und er hatte eine schöne Art, seine Gefühle auszudrücken. Ich habe seinen Gesang wirklich genossen.

Mann 3: Chung Simans Schauspiel und seine Stimme waren einfach gut. Ich mochte seine Diktion und er ist in vielerlei Hinsicht ein Weltklasse-Sänger. Der Klang seiner Stimme ist für Hauptrollen wie geschaffen. Ich freue mich auf seine zukünftige Karriere als Countertenor nicht nur in koreanischen Theatern, sondern weltweit.


Dies war zwar seine erste Opernaufführung in Korea, doch in den USA ist der Countertenor Chung Siman bereits ein aufstrebender Künstler. Er wurde im Jahr 2009 beim Internationalen Gesangswettbewerb „Alexander Girardi“ in Deutschland zum besten jungen Künstler und 2010 beim internationalen Francisco-Vinas-Gesangswettbewerb in Spanien zum besten Countertenor ernannt. Im vergangenen Jahr wurde er Gewinner des Arthur E. Walter Memorial Award des Opera Index und wird seitdem von der renommierten Künstleragentur Ken Benson Artists vertreten. Chung kann immer noch nicht glauben, dass sein koreanisches Debüt so ein großer Erfolg war.

Es war traumhaft. Ich fühle mich jetzt erleichtert und traurig zugleich. Ich stand unter großem Druck, eine gute Leistung zu zeigen, es war mein Debüt und meine Bewerbung für Auftritte in Korea. Ich bin jetzt sehr erleichtert, dass es vorbei ist. Es ist nicht einfach für einen Countertenor in Korea. Wir bekommen nicht so viele Gelegenheiten zu singen. Ich bin daher sehr dankbar für diese Chance und ich danke der Nationaloper für eine der seltenen Barock-Produktionen.

Der junge Chung Siman hatte sich schon lange für klassische Musik interessiert, doch er hatte nicht etwa als Sänger angefangen. In der High School war Geige sein Hauptfach, und erst im Abschlussjahr trat ein Wendepunkt in seinem Leben ein, als er in seinem Kirchenchor ein Solo sang.

Ich war bereits vor der Pubertät in einem Kirchenchor. Doch auch nach der Pubertät sang ich mit der gleichen Knabenstimme weiter Solos im Chor. Eines Tages hörte jemand meine Stimme in einem Kirchenkonzert und schlug vor, dass ich als Countertenor singen sollte. Es war eine verwirrende Zeit. Mein Hauptfach war Geige und es war nicht leicht, das Hauptfach zu wechseln. Aber ich mochte singen sehr, daher wollte ich es riskieren. Ich nahm ein paar Monate Unterricht und bewarb mich bei einer amerikanischen Musikschule.

Zu der Zeit war Countertenor keine bekannte Singstimme in Korea. Es gab einfach keinen Ort, wo Chung Siman Unterricht bekommen konnte, doch er wagte den kühnen Schritt in eine unbekannte Welt, um seine Nische zu finden. Hier ist der Musikkritiker Jang Il-Beom.

In Korea wird nur ein eingeschränktes Repertoire aufgeführt. Kastratenrollen gab es nur in der barocken Musik. Aber in Korea werden nur sehr wenige Barockopern aufgeführt, weshalb Countertenöre hierzulande wirklich nur selten in Opern zu sehen sind. Es ist halt ein Kulturunterschied. Es gibt eine große Barockmusikszene in Europa und Nordamerika, aber in Korea gibt es nur sehr wenige Möglichkeiten für Countertenöre.


Kastraten waren männliche Sänger, denen durch Kastration vor der Pubertät ihre hohe kindliche Stimme erhalten blieb. Die Blüte der europäischen Oper vom 16. bis ins 18. Jahrhundert kann den Kastraten zugeschrieben werden. Der reine, kraftvolle Klang von einem unterentwickelten männlichen Kehlkopf bewegte die Herzen der Opernfans. Der bekannteste Kastrat in der Geschichte war Farinelli, mit wirklichem Namen Carlo Broschi. Um den Opernfans jener Zeit zu gefallen, schrieb eine Reihe von berühmten Komponisten Arien für Kastraten, darunter Bach, Händel und Mozart. Chung Siman sagt, dass er erst erkannte, wie talentiert Kastraten wirklich waren, nachdem er sie studiert hatte.

Mozarts Noten für Kastraten sind wirklich schwierig. Ihre Technik und Atemmuster sind sehr kompliziert. Kastraten hatten als Männer eine große Lungenkapazität. Sie spielten mit ihren hohen, aber kraftvollen Stimmen mit den Gefühlen der Zuhörer. In dem Film „Farinelli“ fallen die Leute in Ohnmacht, wenn sie seine Arien hören, was zeigt, wie erstaunlich seine Stimme war.

Im 19. Jahrhundert jedoch befand die katholische Kirche die Kastration für musikalische Zwecke als unmoralisch, was das Ende für die Kastratenpraxis bedeutete. Seitdem wurden Kastratenrollen stattdessen von Sopranistinnen aufgeführt. Dann brachte in den 1970er Jahren eine Bewegung, den Originalstil und die Atmosphäre der Alten Musik wiederherzustellen, die Aufmerksamkeit auf die Falsettstimme des Countertenors. Der Grund für den Mangel an Countertenören ist der, dass nicht viele männliche Vokalisten bereit sind, das Training für den anspruchsvollen Stimmumfang auf sich zu nehmen, denn der gute Wille allein ist nicht ausreichend. Ein Kastrat sollte eine Knabenstimme haben, muss aber zugleich einen breiten Stimmumfang von niedrig bis hoch abdecken können, wie in der Alten Musik.

Die meisten Opernsänger mögen dramatische und emotionale Melodien wie in den Werken von Verdi oder Puccini. Aber uns Countertenören liegt eine stille und zurückhaltende Ausdrucksweise mehr. Darum mögen einige Sänger das vielleicht nicht so gern. Auch haben einige Künstler nicht die richtige Stimme oder mögen die Alte Musik nicht. Es ein musikalisches Gebiet, das nicht alle anspricht.

Die Falsettstimme war Chung Simans Bestimmung. Während seines ersten Jahres am Mannes College of Music war er in der Lage, gute Noten zu bekommen und die Vorrunden bei internationalen Wettbewerben zu bestehen, ohne viel zu üben.

Ich war in meinem ersten Jahr arrogant. Ich konnte den richtigen Ton treffen, ohne zu üben. Die Leute sagten mir, ich hätte eine tolle Stimme, und so wurde ich eitel. Mein erster Wettbewerb war der Francisco-Vinas-Wettbewerb. Ich hatte die erste Runde bestanden, ohne mich auch nur anzustrengen. Wenn es so weitergegangen wäre, wäre meine Karriere bereits am Ende gewesen, aber ich erkannte bald, dass es so nicht weitergehen konnte. Nach ein paar Monaten hatte mein Professor mir gesagt, dass es nur zeigte, dass ich nicht hart genug an mir arbeitete.

Chungs erstes Jahr in Amerika kann in zwei Worten zusammengefasst werden: Arroganz und Faulheit. Eine harte Zurechtweisung von seinem Professor am Ende seines ersten Jahres brachte ihn wieder zu Sinnen. Danach arbeitete er hart und übte stundenlang.

Ich dachte über das Singen nach, selbst wenn ich nicht sang. Ich lernte die Texte auswendig und stellte mir innerlich immer die Melodien vor. Ich spielte selbst die Klavierbegleitung dazu oder arbeitete mit einem Klavierspieler. Bei internationalen Wettbewerben treten die Teilnehmer mit einem Klavierspieler auf, der von den Wettbewerbsorganisatoren gestellt wird. Wenn man das nicht regelmäßig übt, klappt das nicht gut. Anders als bei meinem ersten Wettbewerb bereitete ich mich auf den zweiten sehr gründlich vor.

Chung verbrachte die nächsten drei Jahre mit Lernen und Üben. Seine harte Arbeit sollte sich am Ende auszahlen. Nach dem internationalen Gesangswettbewerb „Alexander Girardi“ im Jahr 2009 gewann er im Jahr darauf den internationalen Gesangswettbewerb „Francisco Vinas“ in Spanien. Dann gewann er im vergangenen Oktober den Opera-Index-Gesangswettbewerb und im April dieses Jahres den internationalen Gesangswettbewerb der Gerda-Lissner-Stiftung. Mittlerweile ist er weithin als einer der besten Countertenöre der Welt anerkannt.

Chung hatte mit der Hauptrolle in der Oper „Flight“ im vergangenen Jahr sein offizielles Debüt in den USA. Damals schrieb das amerikanische klassische Musikmagazin Opera News: „Siman Chungs Countertenor bot die subtile Darstellung eines undefinierbar traumatisierten und entrechteten Menschen.“ Nach dem Gewinn mehrerer Gesangswettbewerbe und dieses erfolgreichen Debüts mit „Flight“ schloss er sich Ken Benson Artists an, einer berühmten Agentur für klassische Künstler. Jetzt ist er bereit für größere Bühnen. Hier ist erneut der Musikkritiker Jang Il-Beom.

Chung Siman ist ein sehr talentierter junger Countertenor mit einer starken Stimme. Ich habe hohe Erwartungen an seine zukünftige Karriere. Er hat eine vielversprechende berufliche Perspektive in der europäischen und amerikanischen Barockmusikszene. Chung kann auch den Markt für Barockmusik in Korea beleben, da er ein richtiger Countertenor-Star ist. Ich freue mich schon sehr darauf!

Chung hatte im vergangenen Jahr auf Einladung des New Yorker Cecilia-Chors in der Carnegie Hall in New York Händels „Messias“ gesungen. Doch selbst nach einer Lobeshymne in der Presse schwört dieser vielversprechende junge Musiker, demütig und seiner Berufung treu zu bleiben.

Ich weiß, wie schwierig Musik ist. Die Leute meinen, dass dieser Beruf nur aus Ruhm und Ehre besteht, aber das Wichtigste in diesem Bereich ist, bescheiden zu bleiben. Ich will bescheiden und fleißig bleiben, bis ich sterbe. Es ist mein Traum, ein zugänglicher und warmherziger Musiker zu werden.

Nach seinem koreanischen Debüt mit „Orlando Finto Pazzo“ gibt es im Juli im Seoul Arts Center erneut eine Gelegenheit für Chung, seine koreanischen Fans zu treffen. Nach einer Reihe von Aufführungen in Korea hat er eine neue Einstellung als Countertenor. Er will das koreanische Publikum mit Countertenören vertraut machen und angehenden Falsettkünstlern in Korea Unterstützung bieten. Chungs Bemühungen werden die Welt der Liebhaber klassischer Musik in Korea sicherlich bereichern.

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