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Gesellschaft

Die Primaballerina am American Ballet Theater Seo hee

2016-07-26

Die Proben am American Ballet Theater in New York, auch als ABT bekannt, beginnen um 10 Uhr morgens mit Stretching, gefolgt von Tanzübungen für alle Tänzer. Neben dem Ballettensemble der Pariser Oper in Frankreich und dem Royal Ballet in Großbritannien zählt das New Yorker American Ballet Theatre zu den renommiertesten Ballettkompanien der Welt. Selbstverständlich sind alle einhundert Tänzer und Tänzerinnen dort von herausragender Qualität, doch nur eine Handvoll von ihnen hat das Zeug zum Solotänzer oder zur Solotänzerin. Eine der angesehensten unter den besten Tänzerinnen ist Seo Hee, die erste koreanische Ballerina, die erste Solotänzerin oder Primaballerina beim ABT geworden ist. Hier ist ein Auszug aus ihrem Interview mit dem ABT.

Der Name ABT steht für Amerika, ein wahrer Schmelztiegel. Wir haben Tänzerinnen aus der ganzen Welt, aus verschiedenen Schulen, die alle etwas Besonderes sind. Aber wir sind hier in der Lage, unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Schulen zusammenzubringen.

Seo Hee wurde im Jahr 2012 erste Solotänzerin, als sie schon acht Jahre bei der Ballettkompanie ABT war. Damit hat sie in der Geschichte der koreanischen Tanzwelt ein neues Kapitel eröffnet. Die Tanzkritikerin Jang Kwang-ryul erzählt uns mehr über die Primaballerina.

Überall auf der Welt gibt es mittlerweile koreanische Tänzerinnen. Doch selbst unter ihnen ragt Seo Hee heraus, weil sie Mitglied der ABT ist, einer der weltbesten Ballettkompanien, wo sie es trotz der großen Konkurrenz zur Primaballerina gebracht hat. Sie hat dort jeden Tag Leistungen auf höchstem Niveau gezeigt, und sie wird sich weiter entwickeln. Wir rechnen damit, dass sie in einem der besten Ballettensembles ein weltweiter Star wird. Ihre Karriere dort bedeutet für die koreanische Tanzwelt sehr viel.

Die Primaballerina in einer der der besten Balletttruppen der Welt hatte erst spät mit dem Ballett angefangen, im relativ reifen Alter von 12 Jahren. Ihre Eltern wollten, dass sie mindestens ein Instrument und eine Sportart beherrschen sollte, daher lernte sie Klavier und schwimmen. Aber Klavier- und Schwimmunterricht wurde ihr zu langweilig, sie ging lieber zu einer Ballettschule in der Nachbarschaft, wo sie ihre Leidenschaft fürs Tanzen entdeckte. Hören wir dazu Seo Hee selbst.



Ich war so sehr vom Ballett begeistert, dass meine Mutter es mir verbieten musste, wenn es regnete oder zu kalt war. Ich war in der Grundschule Klassensprecherin. Der Rektor der Sunhwa Arts School fragte bei unserer Schule, ob es jemanden für einen Ballettwettbewerb gab. Unser Rektor sagte mir, ich solle mich melden, und das tat ich, ohne wirklich zu wissen, worum es ging. Erstaunlicherweise gewann ich bei dem Wettbewerb einen Preis.

Diese Auszeichnung bei einem Wettbewerb der Sunhwa Arts School ermöglichte es Seo Hee, an die dortige Mittelschule zu wechseln. Da sie erst ein Jahr lang Ballettunterricht bekam, fiel sie gegenüber ihren Mitschülern, die seit ihrer Kindheit Ballett lernten, weit zurück.

Meine Freunde an der Sunhwa hatten alle seit ihrer frühesten Jugend Ballett gelernt. Ich war die einzige Ausnahme. Ich konnte in der Klasse nicht mithalten. Meine Klassenkameraden lernten schon seit vielen Jahren Ballett und ich hatte erst vor einer Weile damit begonnen. Ich kannte die Wörter und Kommandos im Ballett-nicht so gut und das erste Jahr bei Sunhwa war für mich extrem schwierig.

Seo Hee wusste, dass der einzige Weg aus dieser misslichen Lage das Training war. So war sie morgens die Erste in der Schule und ging abends als Letzte. Glücklicherweise konnte ihr Körper wie ein ausgetrockneter Schwamm alles über Ballett in sich aufnehmen.

Mein Vater brachte mich zur Schule, wenn er um sieben Uhr morgens zur Arbeit ging. Er setzte mich früh morgens an der Schule ab und ich übte allein, bis die Schule anfing. Bei einem meiner Lehrer bekam ich nach der Schule Extraunterricht. Das war die einzige Möglichkeit, wenn ich das überstehen wollte. Selbst für eine Ballett-Anfängerin wie mich war es offensichtlich, dass es zwischen mir und meinen Mitschülern eine große Kluft gab.

Etwa ein Jahr später, als sie sich schon etwas an die Routine in der Schule gewöhnt hatte, stand die vierzehnjährige Seo Hee vor einem weiteren wichtigen Wendepunkt. Sie hatte ein Stipendium für die Kirov Academy of Ballet in Washington, D.C. erhalten, einer renommierten Ballettschule in den USA, obwohl sie erst seit zwei Jahren ernsthaft Ballett trainierte. Es war, als ob das Schicksal Seo Hee zum Ballett geführt hatte.

Nach dem Gewinn des Prix de Lausanne 2003 erhielt Seo Hee die Möglichkeit, an die renommierte Ballettschule John Cranko in Stuttgart zu gehen. Dann eröffnete sich der sechzehnjährigen koreanischen Ballerina eine weitere große Chance beim Youth American Grand Prix 2003 in New York. Gegründet im Jahr 2000 gewährte der Hauptpreis für jugendliche Tänzer das Privileg, bei der ABT-Ballettkompanie aufgenommen zu werden. Für aufstrebende Ballerinas war dies ein Traum. Die Ballettschule John Cranko schickte Seo Hee zu dem Wettbewerb, wo sie ihr ganzes Können zeigte.

Mit einem funkelnden Diadem und einem Ballettröckchen, das an einen Schwan erinnerte, schwebte Seo Hee auf den sanften Melodien eines Klaviers über die Bühne. Sie tanzte so zart und mühelos, dass ihre Füße beim Auftreten kein Geräusch zu erzeugen schienen. Jede ihrer Bewegungen wurde vom Publikum mit Applaus belohnt. Ihr Auftritt war unbestritten der beste im Wettbewerb und der Hauptpreis ging erwartungsgemäß an die Sechzehnjährige. Zwei Jahre später wurde sie als Neumitglied an der Ballettkompanie aufgenommen. Der Weg zur Primaballerina der Weltbühne schien sich weit und breit vor ihr zu öffnen. Doch dann tauchte ein unerwartetes Hindernis auf.

Ich wollte mein Bestes geben, aber sie gaben mir nicht einmal eine Chance. Als ich üben wollte, sagten mir andere Tänzerinnen, ich solle aus dem Weg gehen und in einer Ecke warten. So verbrachte ich meine Tage damit, einfach nur herumzustehen und konnte nicht einmal eine einzige Ballettfigur üben. Es war so enttäuschend. Meine Zukunft sah nach dem Angebot der Ballettkompanie erst so vielversprechend aus, aber die Realität war genau das Gegenteil. Die harte Welt der Profis war völlig anders.

In jeder Ballettkompanie gibt es verschiedene Ebenen. Ganz unten befindet sich das Corps de Ballet, die Gruppentänzer. Danach kommen die Solotänzer und Solotänzerinnen. An der Spitze befinden sich die Primoballerinos und Primaballerinas, die ersten Solotänzer. Doch einem Neuling eines Ballettensembles ist zunächst nicht einmal als Gruppentänzer das Trainieren erlaubt. Einzig beim offiziellen Stretching zwischen zehn und zwölf Uhr können Neulinge mit den ABT-Mitgliedern zusammen üben. Obwohl Seo Hee also zehn Stunden pro Tag an der Ballettkompanie anwesend war, konnte sie nicht einmal eine Stunde lang tanzen. Daher wartete sie ab und beobachtete die Trainingsroutinen erfahrener Tänzerinnen. So verbrachte sie die nächsten vier Jahre am ABT. Dann erhielt sie endlich eine führende Rolle in „Romeo und Julia“.

Bei den Darstellerlisten sah ich mir die Namen an der Spitze nie so genau an, weil die besten Plätze immer an die führenden Tänzer vergeben wurden. Also suchte ich meinen Namen im unteren Feld, konnte ihn aber nicht finden. Ich dachte schon, dass ich bei „Romeo und Julia“ nicht mit dabei wäre, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass einem Mitglied des Corps de ballet eine führende Rolle gegeben wurde. Dann sah ich, dass für mich Einzelproben vorgesehen waren, was sehr merkwürdig war. Im dem Moment wurde mir klar, dass ich die Hauptrolle hatte! Ich weiß noch, wie ich direkt vor der Liste sofort meine Mutter in Korea anrief. Ein paar Jahre später saß ich einmal in der Lounge auf dem Sofa, als ich sah, wie eine junge Tänzerin vor einer Besetzungsliste plötzlich aufschrie und ihre eigene Muttersprache benutzte. Genau so musste ich ein paar Jahren vorher ausgesehen haben.

Jedes Mal, wenn Seo Hee jetzt zur Verbeugung auf die Bühne kommt, muss sie an „Romeo und Julia“ von 2009 zurückdenken, als sie zum ersten Mal in einer Hauptrolle getanzt hatte. Als sie damals über die Bühne der Metropolitan Opera schwebte, hatte sie die Herzen der New Yorker Ballettliebhaber im Sturm erobert,. Das internationale Ballettmagazin Pointe setzte sie aufs Cover und ein Jahr später wurde sie zur Solotänzerin am ABT ernannt.

Ihre erste Rolle als Solotänzerin war der Schwanensee, das Traumstück jeder Ballerina. Mit jedem Teil ihres Körpers verkündete sie die herzzerreißende Unschuld der Odette. Zwei glückliche Jahre verbrachte sie als Solotänzerin am ABT. Doch dann erkannte die Ballettkompanie im Sommer 2012 ihr Talent als Primaballerina. Als Seo Hee davon erfuhr, konnte sie sich in ihrem Schock gar nicht darüber freuen.

Es gibt ein Treffen der gesamten Kompanie am Ende jeder Saison, wo uns der künstlerische Leiter für eine weitere erfolgreiche Saison gratuliert und so. Dann sagte er, dass ich zur Primadonna befördert wurde. Ich war fassungslos, genau wie jeder andere auch. Ich fragte ihn immer wieder, ob er wirklich mich meinte.

Seo Hee stieg in nur vier Jahren als Solotänzerin zur Position der ersten Solotänzerin, der Primaballerina, auf. Wie war es ihr möglich, diesen Traum in so kurzer Zeit zu erreichen? Hier ist erneut die Tanzkritikerin Jang Kwang-ryul.

Als wir im Jahr 1997 koreanische Tänzer nach Seoul eingeladen haben, die im Ausland arbeiteten, befand sich auch Seo Hee als junge aufstrebende Ballerina darunter. Sie war wirklich sehr jung zu der Zeit, aber ausgehend von ihrer Körperhaltung, ihrer Interpretation der Musik, des Selbstvertrauens auf der Bühne und ihres ganzen Könnens sagten wir ihr eine großartige Karriere als Ballerina bei einem Weltklasse-Ballettensemble voraus. Unsere Voraussagen wurden wahr. Sie hat alle physischen Eigenschaften einer Startänzerin. Sie hat die gleiche Physis und Bühnenpräsenz wie andere Tänzerinnen aus dem Westen. Das ist ihre Stärke. Ihre Gesichtszüge sind auch sehr ausgeprägt und ausdrucksstark, was ein großer Vorteil bei Hauptrollen ist. Schließlich ist sie in einer asiatischen Kultur aufgewachsen, sie kann also die einzigartigen Empfindungen einer asiatischen Tänzerin ausdrücken.

Vor kurzem hat Seo Hee sich die Zeit genommen, Korea zu besuchen, um die Vorrunde des Youth American Grand Prix (YAGP) zu beaufsichtigen, die in Korea durchgeführt wird. Dieses Ereignis stellt eine einmalige Gelegenheit für aufstrebende koreanische Ballerinos und Ballerinas dar, da die jungen Tänzer und Tänzerinnen sich das Geld für Flugtickets, Unterkunft und Dolmetscher sparen können und die Chance bekommen, bei der weltbekannten Primaballerina zu lernen. Mehr als achtzig Kandidaten und Kandidatinnen nahmen vom 22. bis 24. Juli an der Meisterklasse und der Vorrunde teil. Wie kam Seo Hee darauf, die YAGP-Vorrunde in ihrer Heimat durchzuführen?

Ich war 2012 eingeladen worden, eine Rede bei der Premiere des Films „First Position“ vom YAGP zu halten. Als ich die Rede schrieb, wurde mir klar, was für eine großartige Gelegenheit dieser Wettbewerb darstellte. Ich dachte, dass dieser Wettbewerb auch in Korea stattfinden sollte, sodass Koreaner auch davon profitieren könnten. Es dauerte vier Jahre, bis diese Idee Realität werden konnte.

Das Bewerbungsverfahren um die Austragung war eine Qual. Seo Hee musste die YAGP-Stiftung von den Vorzügen Koreas überzeugen, sie musste eine Spendenaktion durchführen, die Bewertungsjury zusammenstellen und hundert weitere Dinge erledigen, die mit dem Ereignis zusammenhingen. Obwohl es sehr viel Arbeit war, übernahm die bereitwillig die Verantwortung.

Es war etwas, was ich schon lange tun wollte. Ich wollte etwas von dem zurückgeben, was ich erhalten hatte. Es gibt keinen Grund, damit zu warten, bis ich im Ruhestand bin. Es ist richtig, dies jetzt zu tun, wo ich noch aktiv tanze und viele Kontakte habe, was sich für die Kandidaten auszahlt. Diese Arbeit macht mich glücklich.

Seit Seo Hee mit Ballett angefangen hat, war es ihr Traum, die beste Ballerina der Welt zu werden. Inzwischen gehört sie zu den besten Balletttänzerinnen der Welt, daher hat sie ein neues Ziel auf ihre Wunschliste gesetzt. Sie will jetzt eine Tänzerin werden, die den Menschen zu Herzen geht und andere Leute inspiriert.

Ballett ist die schönste Sprache, die man mit dem menschlichen Körper ausdrücken kann. Als ich klein war, war mir die technische Präzision einer Ballerina wichtig. Aber jetzt nicht mehr. Ich sehe den Gesamteindruck und den emotionalen Ausdruck, und die Schönheit des Ganzen rührt mich zu Tränen. Ich möchte gern als Tänzerin in Erinnerung bleiben, die die Herzen der Menschen auf ebensolche Weise bewegt.

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