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Gesellschaft

Der Verleger von Genre-Literatur Kim Hong-min

2016-08-23

Am vergangenen Sonntag versammelten sich in der Gyoha-Bibliothek in Paju nach Feierabend zahlreiche Personen. Mit ihren Rucksäcken, Schlafsäcken und Snacks für die Nacht waren sie wie Camper ausgerüstet.

Frau: Ich habe meine Decke und viel zu essen dabei. Ich komme nicht oft nach Feierabend in eine Bibliothek. Die Leute sind heute Abend hier, um sich die ganze Nacht zu unterhalten.

Mann: Es ist eine ziemlich ungewöhnliche Erfahrung, weil selten jemand die ganze Nacht in einer Bibliothek verbringt. Es ist wirklich interessant.


Es ist der Sinn und Zweck dieser Veranstaltung, sich die ganze Nacht in der Bibliothek über Bücher zu unterhalten. Zur Auswahl stehen Gänsehaut erregender Horror, spannende Krimis, abenteuerliche Science-Fiction und einfallsreiche Fantasy. Die fesselnde und gruselige Lektüre lässt einem die drückende Hitzewelle eine Weile vergessen.

Frau 1: Ich mag Science-Fiction-Romane. Ich wollte immer schon mal wissen, worüber Science-Fiction-Fans so sprechen, wenn mehrere zusammenkommen.

Frau 2: Ich mag mysteriöse Geschichten wie zum Beispiel moderne Sagen. Als ich von einem Freund von dieser Veranstaltung hörte, war ich ganz begeistert. Ich denke, eine ganze Lektürenacht wird extrem viel Spaß machen.


Diese Veranstaltung von und für Bücherfans nennt sich „Genre Fiction Revival“. Die Teilnehmer lesen und besprechen bei diesem Literaturaustausch nur Bücher über sogenannte Genre-Fiction. Das Ganze findet von acht Uhr abends bis zehn Uhr am nächsten Morgen statt. Die ersten 5 Stunden unterhalten sich die Teilnehmer über ihre Bücher. Danach gibt es ein Quiz zum Genre-Fiction, verschiedene Spiele und Science-Fiction-Filme. Anschließend wird es Zeit zum Bücher lesen. Ein Vater und seine Tochter wählen das gleiche Buch, um sich später darüber zu unterhalten.

Ich mag Science-Fiction, Krimis und geheimnisvolle Geschichten, genau wie mein Vater, und ich freue mich auf die Gespräche mit ihm darüber. Ich denke, dass wir die gleichen Bücher lesen, weil wir die gleichen Interessen haben. Man kann aber bei gleicher Lektüre einen ganz unterschiedlichen Eindruck davon erhalten, die Gespräche danach versprechen also, interessant zu werden.

Das Genre Fiction Revival gibt es bereits seit zwei Jahren. Die Teilnehmerzahl stieg mit jedem Jahr, was auf eine wachsende Beliebtheit der verschiedenen Genres hinweist. Dies ist ein sehr ermutigendes Zeichen, da sich diese Genres viele Jahrzehnte lang außerhalb des literarischen Mainstreams befanden. Verantwortlich für das Wiederaufleben der populären Fiktionen in Korea ist Kim Hong-min, der Leiter von Booksphere, einem Verlag, der sich auf Genre-Fiction-Bücher spezialisiert hat. In den letzten zehn Jahren hat der Verlag rund 120 Bücher in den oft als flach angesehenen Sparten Krimi, Science-Fiction, Fantasy und Horror veröffentlicht und stellt damit einen Hort für Genre-Liebhaber dar. Was ist für Kim Hong-min, der koreanische Literatur studiert hatte und einst selbst als ein aufstrebender Autor galt, die Motivation, Genre-Bücher zu veröffentlichen?



Ich fing nach dem College bei einem Verlag an zu arbeiten und hoffte, dass ich dabei meine Lieblingsschriftsteller treffen könnte. Der Verlag war auf sozialwissenschaftliche Bücher spezialisiert, machte aber nach zwei Jahren Pleite. So war ich gezwungen, in dem relativ jungen Alter von 29 Jahren mein eigenes Unternehmen zu gründen.

Die ersten Bücher, die er veröffentlichte, waren die koreanischen Übersetzungen des großen Keltenzyklus „Le Cycle du Graal“ von Jean Markale. Die acht Bände der Serie waren in mehr als vier Jahrzehnten geschrieben worden und galten als das größte Fantasy-Werk seit Tolkiens „Mittelerde“-Romanen. Es war ein großes Wagnis für einen neuen Verlag, doch es erwies sich als ein großer Erfolg. Erst später kamen die Schwierigkeiten, als Kim in den nachfolgenden drei Jahren keinen einzigen erfolgreichen Titel veröffentlichte und große Schulden machte.

Es war in meinem zweiten Jahr als eigenständiger Verleger. Ich wählte ein Buch aus, das fast 100.000 US-Dollar an Produktionskosten und etwa 20.000 Dollar für die Übersetzung verschlang. Ich hatte dieses Buch gewählt, weil meine Bekannten mir gesagt hatten, dass die Geschichte wirklich gut sei und verfilmt werden würde. Aber es wurde ein Flop. Ich hatte nur noch rund 10.000 US-Dollar übrig und musste drei Jahre lang die Schulden abbezahlen. Während dieser Krise wurde mir klar, dass auf die Erfolgsprognosen von anderen Menschen kein Verlass ist. Ich kann nicht wissen, was die Leser von einem Buch halten, bis es auf den Markt kommt. Das einzige, was sicher ist, ist meine eigene Meinung darüber, ob ich dahinterstehe oder nicht. Seit dieser Zeit habe ich nur noch die Bücher veröffentlicht, die ich selbst interessant und unterhaltsam finde. In den ersten drei Jahren machte ich mit meinem Unternehmen nur Dinge nach, die andere Verlage bereits erfolgreich vorgemacht hatten, bis mir klar wurde, dass es eigentlich armselig ist, die Ideen anderer Leute zu kopieren. Also fing ich damit an, Veranstaltungen durchzuführen, die noch kein Mensch vor mir gemacht hatte.

Booksphere hat dazu das passende Motto: „Wenn es keinen Spaß macht, hat es keinen Sinn“. In den Anfängen veröffentlichte Booksphere „Riyu“ des japanischen Krimi-Autors Miyuki Miyake, das in Korea nahezu unbekannt war, weil Kim es so unglaublich gut fand. Mittels eines automatischen Übersetzers schickte er einen Brief nach Japan und wie von Zauberhand war plötzlich die Vereinbarung für eine Lizenveröffentlichung unterschrieben. Seitdem hat Booksphere 38 Bücher von Miyake veröffentlicht und seinen Ruf als führender Verlag für Genre-Literatur behauptet.

In den ersten Jahren als Verleger wollte Kim unbedingt weithin bekannt werden, wenn auch nicht so berühmt wie ein Popstar.

Ich wollte berühmt genug werden, um meine Bücher zu veröffentlichen, daher schlug ich niemandem einen Gefallen aus. Ich gab jeder Anfrage grünes Licht, die ich bekam, ob es sich darum handelte, einen Artikel zu schreiben oder einen Vortrag zu halten. Ich habe alles gemacht, worum mich die Leute gebeten hatten, auch wenn ich dabei nicht zum Schlafen kam und an den Wochenenden arbeiten musste.

Kim Hong-mins zweite Strategie war die Kommunikation mit den Lesern. Er aktualisiert regelmäßig seinen persönlichen Blog, wo er seine menschliche Seite zeigt, indem er über seine Lebenserfahrungen berichtet und seine Gedanken über weltweite Angelegenheiten mitteilt, während er das strategische Marketing für seine Bücher dramatisch zurückschraubte.

Gleich nach meinem Startup als Verleger postete ich Kommentare auf großen Online-Portalen, in denen ich als Leser auftrat. Ich schrieb Kommentare wie „Versuchen Sie dieses Buch“ oder „Jenes Buch ist wirklich gut“ oder „Ich bin die ganze Nacht wach geblieben“. Nach nur drei Postings bin ich erwischt worden und wurde verbannt. Es war sehr peinlich, aber nicht so sehr, weil ich dabei erwischt wurde, sondern weil ich ihnen nicht sagen konnte, dass ich selbst diese Bücher veröffentlicht hatte. Ich brauchte eine Möglichkeit, die Veröffentlichung meiner Bücher bekannt zu machen. Daher habe ich vor sieben Jahren damit begonnen, einen Blog zu führen. Zuerst hatte ich nur über meine Bücher geschrieben, aber ich hatte keine Besucher. Mich selbst hätte es ja auch nicht interessiert. Wer hätte schon Spaß daran, sich über Bücher anderer Leute zu informieren? Also ließ ich das mit den Büchern sein und schrieb stattdessen amüsante Geschichten über meine Missgeschicke mit Frauen. Diese Geschichten zogen jeden Tag hunderte von Menschen auf meinen Blog und wurden sogar per Twitter verbreitet. Nach drei Jahren hatte ich eine treue Fangemeinde.

Nach Zeitschriftenartikeln, Vorträgen, Fernsehauftritten und einem persönlichen Blog fing Kim Hong-min damit an, lustige und einfallsreiche Veranstaltungen durchzuführen. Er ließ die Leser in einer Ostereier-Veranstaltung nach versteckten Botschaften in einem neu erschienenen Buch suchen. Bei einem Event über extremes Lesen sollten die Leute Bilder von sich selbst schicken, wo sie unter extremen Bedingungen ein Buch lasen, wie etwa im eisigen Ostmeer im April. Und schließlich veröffentlichte er ein spezielles Beiheft namens „Le Zirashi“ als Privileg für Kunden, die eine Neuerscheinung erwarben.

Als ich an der Veröffentlichung von Seicho Matsumotos Büchern arbeitete, fand ich heraus, dass er nur die Grundschule besucht hatte und sein Leben voller interessanter Anekdoten war. Ich dachte, es könnte die Leser interessieren, wenn sie von solchen Geschichten hörten. Also beschloss ich, ein Beiheft herauszugeben. Anders als bei anderen Verlagen habe ich es wie eine Zeitung aufgemacht, mit Anzeigen, Spalten und Kommentaren. Ich füllte die Seiten mit amüsanten Anekdoten aus Seicho Matsumotos Leben und wenig bekannten Details über Genre-Literatur, wie etwa einen Blick hinter die Kulissen von „Der Herr der Ringe“. Dieses Beiheft wird zusammen mit der neuen monatlichen Buchveröffentlichung herausgegeben. Einige Leute kaufen inzwischen Neuerscheinungen, um „Le Zirashi“ zu bekommen.

Die erste Ausgabe von „Le Zirashi“ wurde im Februar 2012 herausgegeben. Bisher sind von Koreas einzigem popliterarischen Newsletter zwölf Ausgaben erschienen. Die Erstellung dieses Newsletters kostet viel Zeit und Geld, weshalb er nicht regelmäßig erscheint, doch das macht ihn auch so besonders.

Ein Muss für jeden Leser von Kim Jong-mins Publikationen ist das romantische Eisenbahn-Lektorat. Die Leser sind aufgerufen, an einer mehrstündigen Zugfahrt teilzunehmen und ein Buch durchzuarbeiten, das bald veröffentlicht werden soll, bis sie das Ziel erreicht haben. Wenn sie dort ankommen, verbringen sie zwei Tage nur damit, Spaß zu haben.

Ich dachte, es würde Spaß machen, ein Manuskript, das von einem erfahrenen Lektoren bearbeitet worden war, den Lesern zu zeigen. Aber es stellte sich heraus, dass sie mehr Tippfehler fanden als jeder Lektor. Zuerst arbeiteten sie in meinem Büro und aßen Nudeln, wenn sie fertig waren, aber wir wollten dann mehr. Also beschlossen wir, eine zweitägige Reise durchzuführen. Die Reise von Seoul nach Gangneung dauert sechs Stunden. Während dieser Zeit sehen acht Leser ein Manuskript durch, wobei jedem andere Dinge auffallen, wie etwa komische Bezeichnungen oder eine schiefe Übersetzung. Wenn sie mit der Arbeit fertig sind, bleiben sie die ganze Nacht auf und sprechen über ihre Lieblingsbücher.

Im letzten Jahr wurde das Eisenbahn-Lektorat zu einem Flugzeug-Lektorat erweitert. Das erste Ziel war Neuseeland. Die Teilnehmer bearbeiteten im Flugzeug das Manuskript für eine neue Veröffentlichung und besichtigten anschließend die Drehorte von „Herr der Ringe“. Im Juni dieses Jahres ging es nach Kanada. Die Reisekosten wurden komplett von Kim Hong-min übernommen. Warum macht er sowas?

Andere Verleger fragen mich, ob ich das ganze Geld wieder einnehme, wenn ich 20.000 Dollar für die Tour nach Kanada ausgebe. Natürlich nicht. Ich mache das, weil andere das nicht tun, und es macht Spaß. Ich mache das für mich, nicht für andere. Ein Buch kann ein Flop werden, und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann. Ich kann es erst beim nächsten Mal besser machen. Daher denke ich, es ist besser, etwas zu versuchen, bevor man pleitegeht, anstatt später darüber zu klagen, nichts getan zu haben.

Kim Hong-min erfüllt auch die Wünsche seiner Kunden. Jeder Leser würde es lieben, seinen oder ihren Lieblingsautor zu treffen. Daher nahm Kim seine Leser im Jahr 2013 mit nach Japan, um die berühmte Krimiautorin Miyuki Miyabe zu treffen. Bei Booksphere sind bereits vierzig ihrer Bücher veröffentlicht, sie hat also längst eine treue Fangemeinde in Korea.

Sie kann nicht mit dem Flugzeug fliegen. Man kann sie nur in ihrem Haus oder ihrem Büro antreffen. Ich wollte, dass meine Leser sie kennenlernen, deshalb nahm ich eine Gruppe von ihnen mit, um sie zu interviewen. Die Interviewer mussten fließend Japanisch können, alle ihre Bücher gelesen haben und treue Booksphere-Kunden sein. Nach einer Vorauswahl wählte ich drei Interviewer aus und der Verlag übernahm alle ihre Ausgaben. Miyabe liebte es, als wir sie besuchten, und gewährte uns ein langes Interview. Sie gab uns sogar Geschenke mit. Wir weinten alle, weil wir so überglücklich waren.

Laut Kim Hong-min ist Booksphere allein auf Leserbindung gebaut. Die Leser sind die Stützen dieses Verlags, weshalb Kim keine Kosten für sie spart. Seine Kunden kennen und schätzen dies. Sie sind einfach glücklich, dass sie dank Kims aktiver Unterstützung aufrecht ihrer Genre-Manie frönen können.

Einer der neuen Verlagstrends, den Kim ins Leben gerufen hat, ist die Leserförderung, ein Fundraising-Programm ähnlich wie Crowdfunding, bei dem Leser sich durch finanzielle Unterstützung an neuen Marktveröffentlichungen beteiligen können.

Das ursprüngliche Ziel lag bei rund 50.000 Dollar in zwei Monaten für Werbe-Aktionen, aber wir haben das Geld in nur zehn Tagen zusammengekriegt. Mein Blog aktualisierte jeden Tag die eingesammelte Geldsumme. Täglich kamen 5.000 Dollar von Hausfrauen, Studenten und Polizisten. So konnten wir mit diesem Geld auch Radio-Anzeigen schalten.

Hinter dem Einsammeln von so viel Geld in so kurzer Zeit stand das Vertrauen der Leser, das Kim innerhalb eines Jahrzehnts aufgebaut hatte. Die Genre-Leser, die Kim in den letzten zehn Jahren unterstützt haben, haben inzwischen ein gutes Händchen beim Auffinden potentieller Erfolge. Die Manuskripte, die sie beim Leser-Lektorat interessant fanden, werden den Buchhändlern förmlich aus den Händen gerissen. Um Kim Hong-mins Verlag hat sich eine feste Gemeinschaft gebildet.

Es ist nicht einfach, immer wieder neue Ideen zu haben. Ich besuche viele Konzerte, lesen viele Zeitschriften und reise viel, um Inspirationen zu bekommen. Booksphere ist ein leserbasierter Verlag. Wenn die Leser uns verlassen, sind wir ruiniert. Ich muss deshalb ständig Pläne entwickeln, damit sich die Leser gut fühlen und Spaß haben. Ich habe ein gutes Gefühl, was unsere Zukunft angeht.

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