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Gesellschaft

Kim Byeong-yeon, Meister des Bambusbogens Jukgung

2016-08-30

Jugendliche mit traditionellen Kampfkunst-Uniformen und einem Bogen hocken auf ihren Knien und meditieren zur Musik der koreanischen Bambusflöte. Nach etwa fünf Minuten öffnen sie bei der Stimme ihres Lehrers die Augen. Aus Respekt verbeugen sie sich vor ihren Partnern und beginnen auf Befehl ihres Lehrers, auf die Dutzende von Metern entfernten Ziele zu schießen. Die Pfeile treffen die Markierung des Ziels genau in der Mitte: Volltreffer!

Mädchen: Es fühlt sich fantastisch an, genau die Mitte zu treffen. Es ist wie im Rausch!

Junge: Ein Volltreffer fühlt sich so unglaublich gut an. Das Schießen beim Musikhören entspannt mich und verbessert meine Treffergenauigkeit. Es fühlt sich an, als ob all mein Stress weggeflogen wäre!




Wir befinden uns an einem Schießstand für traditionelle Bambusbögen am Fuß des Berges Palgongsan in Daegu. Der Leiter Kim Byeong-yeon bringt seinen Schülern bei, wie man mit einem Jukgung oder Bambusbogen schießt, den er selbst hergestellt hat. Der Bambus für die Bambusbögen stammt aus Korea, daher denken die Leute oft, dass Jukgung hierzulande ein verbreiteter Sport sei, doch Kim ist der Einzige in Korea, sogar auf der gnazen Welt, der traditionelle Bambusbögen herstellt. Er hatte Bogenschießen zunächst mehr schlecht als recht als Hobby betrieben, bis er vor zehn Jahren auf einmal mit der Herstellung von Jukgung anfing. Was hat ihn zur plötzlichen Änderung seines Lebenswegs gebracht, als er gerade 40 geworden war?

Es war vor etwa 10 Jahren. Mein Lehrer sagte mir, dass nur 3 bis 5% der in Korea verwendeten Bögen traditionelle Bögen seien, genannt „Gakgung“, während der Rest moderne Bögen aus Carbon seien. Er sagte, Gakgung seien sehr selten, und es gäbe so gut wie niemanden, der noch wüsste, wie man sie herstellt. Dann zeigte er mir sein Jukgung, das er während der japanischen Kolonialzeit bekommen hatte, und schlug vor, dass ich die Kunst der Herstellung von traditionellen Bambusbögen wieder ins Leben rufen sollte, da niemand mehr da war, der sie machte. Das war das erste Mal, dass ich einen echten Bambusbogen sah.

Dieser Vorschlag seines Lehrers veranlasste Kim dazu, sein Leben der Herstellung von Bambusbögen zu widmen. Gakgungs bestanden ursprünglich aus den Hörnern von Wasserbüffeln und würden laut Voraussage seines Mentors bald verschwinden. Es war die tödlichste Waffe in Joseon.

Ein Gakgung war viel mächtiger, hatte aber den Nachteil, dass er anfällig für Nässe war. In einem Krieg gibt es keine Unterbrechung, wenn es mal regnet. Die Feuchtigkeit hüllte den Bogen nach ein paar Stunden ein, was es praktisch unmöglich macht, geradeaus zu schießen. Auch war die Herstellung eines Gakgungs ein komplizierter Prozess, während des Krieges war es daher schwierig, rechtzeitig eine große Anzahl von Bögen herzustellen.

Jukgung, der Bambusbogen, stellte eine Verbesserung gegenüber dem Gakgung dar. Die ersten Aufzeichnungen über Jukgung finden sich in den Annalen der Joseon-Dynastie im Teil über König Jungjong. Es war der 18. Mai 1516, im 11. Jahr der Herrschaft von König Jungjong.

Verteidigungsminister Koh Hyeong-san reichte einen Bambusbogen und sagte dem König: „Die Stärke dieses Bogens entspricht dem Doppelten eines hölzernen Bogens, und ein Pfeil von ihm kann ein Ziel in 80 Schritte Entfernung treffen. Probieren Sie ihn zuerst aus, und wenn er die Erwartungen erfüllt, könnte man dann nicht alle Soldaten mit diesem Bogen ausrüsten und die Bögen in der Rüstkammer durch diese ersetzen? Ich habe lange Zeit an den Grenzen gedient und habe gesehen, wie leicht Gakgungs durch Regen beschädigt wurden. Aber diese Jukgungs können Regen und Wasser standhalten. Ich sage Ihnen nur, was ich selbst erlebt habe.“ Und der König richtete sich an das Kabinett: „Dieser Bogen ist wahrlich großartig. Da Gakgungs selten sind, schicke diesen Jukgung zu den Waffenherstellern und trage ihnen auf, exakte Nachbildungen davon zu machen. Wenn sie gut funktionieren, stelle sie in großen Mengen her und lagere sie in der Rüstkammer und befehle den Soldaten, ausgiebig Gebrauch von ihnen zu machen.“

Laut den Annalen der Joseon-Dynastie, die während der Herrschaft von König Hyojong entstanden, lag der Ursprung von Jukgung in Daegu. Hier ist der Eintrag vom 6. Februar 1655, im sechsten Jahr der Herrschaft von König Hyojong.

Seit Daegus Bürgermeister Lee Jeong den König über die Jukgung-Ausrüstung informiert hat, gab ihm der König eine besondere Anerkennung und beförderte ihn in die Position des „tongjeonggye“.

König Hyojong plante zu der Zeit eine Invasion Chinas und war verständlicherweise sehr interessiert an Bürgermeister Lees Bericht über Jukgung. Seitdem verbreiteten sich Bambusbögen aus Daegu bis in die späte Joseon-Zeit über das ganze Land. Aber etwa drei Jahrhunderte später lassen sich Hinweise auf Jukgung nur noch in alten Aufzeichnungen finden, und niemand war mehr in der Lage, sie neu herzustellen. Darüber hinaus war der Bambusbogen im Besitz von Kims Lehrer der einzige, der erhalten geblieben war. Das spornte Kims Entschlossenheit an, Jukgung wieder zum Leben zu erwecken und Daegu, der Heimat von Jukgung, Ehre zu erweisen. Das erste, was er machte, war ein Nachbau des Bambusbogens seines Lehrers.

Ich verließ mich ganz auf meine Erinnerung daran, wie mein Vater Bögen gemacht hatte. Aber seine Methode war mit dem japanischen Bogenbau-Stil vermischt. Dennoch hatte ich irgendwann einen Bambusbogen fertig und probierte ihn aus. Der Pfeil flog nur etwa 30 Meter weit, obwohl er mindestens 100 Meter weit fliegen sollte. Er fiel praktisch direkt vor meine Füße. Natürlich war ich sehr enttäuscht.

Kim konnte nicht herausfinden, was er falsch gemacht hatte, da es keine Lehrer oder Handbücher gab, wo er Antworten hätte finden können. Dann wurde ihm klar, dass die Qualität des Bambus der entscheidende Faktor sein müsse, und so begab er sich nach Damyang, einer Stadt in der Provinz Jeollanam-do, die für ihre Bambuswälder bekannt war.

Ich besuchte mit einer Flasche Makegeolli in der Hand einen Bambus-Meister in Damyang. Ich wollte vor ihm niederknien und ihn über die Qualität von Bambusstämmen befragen. Er war ein Meister der Bambusschwerter, ebenfalls ein wichtiges immaterielles Kulturgut. Er wies meine Anfrage zurück. Er sagte, er könnte es mir beibringen, aber es wäre besser, wenn ich es selbst herausfände. So verließ ich ihn nach einer Tasse Tee. Er gab mir einen Hinweis mit auf den Weg: dass ich zuerst die Eigenschaften von Bambus kennenlernen sollte.

Was meinte der Meister damit, die Eigenschaften von Bambus kennenzulernen? Kim grübelte tagelang darüber nach, und dann erinnerte er sich plötzlich, dass sein Vater, ein Ingenieur, nach Fehlern und Mängeln gesucht hatte, indem er auf den Klang hörte.

Ich dachte, der Klang würde mir verraten, welcher Bambus am besten war. Ich ordnete Bambusmaterialien also in verschiedene Gruppen. Einige Bambusstangen hörten sich ganz klar an, während andere dumpfe Geräusche machten und so weiter. Als ich die Pfeile aus dem Bambus mit klaren Tönen machte, fand ich heraus, dass sie flexibler waren und besser flogen als andere Pfeile. Als ich den Bambus aufschnitt, war er sehr dicht. Das Geheimnis der Flexibilität der Pfeile und ihres langen Flugs lag im Bambusstiel. Ich fand auch heraus, dass die Bambusbäume, die auf einem Hügel und nicht in einer flachen Ebene gewachsen waren, normalerweise dichter waren. Bambus aus einer rauen Umgebung liefert stärkeres und flexibleres Material für Bögen und Pfeile.

Nach vielen Versuchen und Irrtümern fand Kim schließlich Bambusbäume, die für Jukgung geeignet waren, doch das war erst der Anfang. Der Prozess des Trocknens, Dämpfens und schließlich der Bearbeitung des Bambus war komplizierter und schwieriger, als er sich das vorgestellt hatte. Er überforderte seine Arme beim biegen der Bögenschäfte so sehr, dass drei Mal seine Bänder rissen. Aber er wollte nicht aufgeben. Hier ist Kims Tochter Su-Yeong, Schülerin in der 9. Klasse, über ihren Vater.

Als ich klein war, verbrachte mein Vater seine ganze Zeit beim Arbeiten, meine Mutter stritt sich oft mit ihm. Ich dachte, sein einziges Interesse wären seine Bögen. Immer, wenn ihm bei der Herstellung etwas gelungen war, erzählte er mir darüber und sah sehr glücklich aus. Er sah sich den ganzen Tag lang Bögen an, brachte sogar welche mit an den Esstisch und wollte, dass wir sie zu spannen versuchten oder dass wir zugaben, wie schön sie waren. Er betrachtete sie sogar während des Abendessens. Sein Gesicht war ein einziges Lächeln und voller Glück.

Nach einer Weile pausenlosen Nachdenkens über Jukgung gelang Kim im Jahr 2008 endlich ein anständiger Bambusbogen, den er drei Jahre später bei einem internationalen Festival für traditionelle Bögen in Cheonan im Zentrum von Korea präsentierte. Das vor hunderten von Jahren verloren gegangene Jukgung war von Kim Byeong-yeon wieder ins Leben gerufen und bei einem Bogenschießen-Festival im Jahr 2011, an dem 31 Länder teilnahmen, der Welt vorgestellt worden.

Als ich Jukgung das erste Mal demonstrierte, wussten die Leute nicht, was es war, nicht einmal Koreaner. Bogenschützen aus Malaysia und Japan wollten meine Bambusbögen bestellen, um damit zu trainieren. Aber ich lehnte rundweg ab. Ich war nicht ganz zufrieden mit den Bögen. Andere Leute haben mir gesagt, wie großartig die Bögen seien, aber ich war entschlossen, nichts zu verkaufen, solange es nicht perfekt war.

Das war Kim Byeong-yeons Perfektionismus. Er wollte keinen einzigen Bogen verkaufen, bis er mit seiner Arbeit völlig zufrieden war. Solche anspruchsvollen, selbst auferlegten Standards machen Kims Bambusbögen noch wertvoller. Andererseits überlässt er den jungen Bogenschützen freiwillig und ohne Einschränkungen seinen Bogen. Er hatte die Bildungsbehörden von Provinzen und Bezirken aufgesucht und örtliche Schulbehörden davon überzeugt, Bogenschießen zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler an den Schulen anzubieten. Nun lehrt er selbst an mehreren Schulen und Jugendgruppen Bogenschießen mit seinen Bambusbögen. Junge Schüler des Jukgung-Bogenschießen spüren, dass ihre Persönlichkeit und geistige Stärke dadurch zugenommen haben. Hier sind Kims Schüler Koo Dong-beom und Park Ki-hyuk.

Koo: Ich war eher impulsiv, aber jetzt bin ich viel ruhiger und geduldiger. Wenn ich Bogenschießen übe, fühle ich mich frei von Stress und sehr erleichtert. Auch bin ich stolz darauf, dass ich etwas lerne, was kaum jemand zuvor gemacht hat.

Park: Geduld und Selbstbeherrschung sind beim Bogenschießen wichtig. Ich kontrolliere meine Gedanken, während ich mich auf das Ziel konzentriere, bis ich den Pfeil loslasse. Das Bogenschießen hat mir dabei geholfen, mich besser zu konzentrieren und gelassener zu werden. Ich kann den Lernstress jetzt besser aushalten und schlafe nicht mehr so schnell dabei ein. Ich schieße meinen ganzen Stress mit den Pfeilen zusammen ab.


Kim entwickelte sogar seine eigene Schussmethode, die nach ihm selbst benannt ist. Bei der Byeong-yeon-Bogenschießtechnik geht es darum, den Geist zu kontrollieren, während man auf den Klang der koreanischen Flöte Daegeum hört, und die Bogensehne schließlich mit Sorgfalt und Konzentration loslässt. Er hockt knieend auf einer Strohmatte, neben sich ein Stirnband, ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen. Nach einer kurzen Meditation legt er das Stirnband an, befestigt den Köcher an seiner Taille und nimmt den Bogen. Dann zieht er die Bogensehne und gibt sorgfältig mehrere Schüsse ab. Alle seine Pfeile treffen ins Schwarze. Der ganze Ablauf von Kims Schusstechnik ähnelt einer Art von Ritual.

Nach einem Jahrzehnt harter Arbeit ist Kim Byeong-yeon zuversichtlich, dass er ein ordentliches Jukgung machen kann. Sein Wunsch ist es nun, einen Bogenschießstand für drinnen und draußen zu bauen, um Jukgung bekannter zu machen. Es gibt landesweit 375 Bogenschießstände, aber keine einzige Bogenschieß-Halle, wo Bogenschützen sich in völliger Ruhe auf ihre Tätigkeit konzentrieren können.

Meine Arbeit mit Jukgung besteht nicht nur darin, traditionelle Bögen zu bauen. Ich wollte junge Koreaner im Geist des koreanischen Bogenschießens unterrichten und es in der Welt bekannt machen. Wenn ich dabei meinen Teil dazu beigetragen habe, kann ich diese Welt mit einem Lächeln auf meinem Gesicht verlassen.

Nach seiner freiwilligen Entscheidung, die Tradition des alten koreanischen Bogenschießens wieder zum Leben zu erwecken, hat Kim Byeong-yeong Jukgung wieder bekannt gemacht und lehrt den Geist des traditionellen koreanischen Bambus-Bogenschießens. Er ist der wahre Meister der Pfeil- und Bogen-Tradition in unserer Zeit.

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