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Gesellschaft

Die Facebook-Gruppe „Befeuerung der Leidenschaft“

2016-09-27

An einem kühlen Freitagabend im September strömen Jugendliche in den Besprechungsraum der Facebook-Gruppe „Befeuerung der Leidenschaft“ in 연남동 Yeonnam-dong in Seoul. Diese problembelasteten Jugendlichen kommen aus eigenem Antrieb zu dem Treffen und halten sich an die eine absolute Regel: komm allein. Von 7 Uhr abends bis weit nach 10 sprechen die jungen Leute über Ängste und Probleme. Ihre Sorgen über die Zukunft, die richtige Berufswahl, Beziehungen und Familienkonflikte scheinen endlos.

Junger Mann 1: Mein Vater fragt mich seit der 8. Klasse, was ich einmal werden will, was mein Traum ist. Ich suche schon sehr lange nach einer Antworten darauf, aber ich weiß noch nicht, was ich einmal machen will. Ich bin jetzt auf dem College und weiß es immer noch nicht.

Junge Frau 2: Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich habe eine Ingenieursausbildung gemacht, lebte aber ziellos vor mich hin. Als ich einen Job finden sollte, habe ich keinen gefunden, weil ich nicht wusste, was ich machen sollte. Ich weiß nicht, ob ich zu einer großen Firma gehen oder mir etwas anderes überlegen sollte.




Sie sprechen ganz offen mit völlig Fremden über die Probleme, die sie seit langem beschäftigen. Zuerst fühlten sie sich natürlich unwohl, aber sobald sie zu sprechen anfingen, brachen ihre Ängste und Sorgen wie nach einem psychichen Dammbruch förmlich aus ihnen heraus. Zuvor unerträgliche Probleme fühlten sich nun nicht mehr so bedrückend an.

Mann 1: Ich war die erfolglosen Versuche leid. Ich musste irgendwo Dampf ablassen. Ich erzählte diesen Leuten alles, was mich beunruhigte. Und sie akzeptierten das alles und gaben mir Ratschläge auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen. Das war sehr berührend. Es war gut, dass ich gekommen bin.

Mann 2: Ich bin sehr schüchtern vor Fremden, aber heute konnte ich ohne jede Hemmung über mich selbst sprechen. Das Sprechen über meine Probleme hat mir geholfen, sie klarer zu sehen. Diese Gespräche über meine Sorgen werden meine Situation nicht ändern, aber meine Einstellung und mein Wille können mein Leben verändern. Das tröstet mich und gibt mir Kraft.


Viele dieser jungen Menschen fanden heute Abend keine Antworten auf ihre Fragen, doch allein dass jemand ihnen zuhörte und ihre Probleme verstand war das Treffen wert. Am Ende fühlten sie sich emotional gereinigt und inspiriert.

Organisiert wurde dieses Treffen von den Gründern einer Content-Gruppe namens „Befeuerung der Leidenschaft“ oder kurz Leidenschaft. Lee Jae-sun und Pyo Shi-hyung sind ganz normale junge Männer in ihren 20ern, die mit Texten und Bildern Inhalte zur Motivation und Weiterentwicklung erstellen und diese Inhalte auf Facebook und in Blogs zur Verfügung stellen. Sie wissen, was es bedeutet, ein Jugendlicher oder junger Erwachsener zu sein, und sie geben den Leuten offline ein Ventil für ihre Wut und Frustration. Neben Aufmunterung und Motivation bieten Lee und Pyo den jungen, orientierungslosen Menschen manchmal auch konstruktive Kritik. Sie sind dankbar für Lees und Pyos ehrliche Inhalte in den sozialen Netzwerken. Vielleicht hat ihre Facebook-Seite „passionoil“ deswegen in nur zwei Jahren mehr als 450.000 Follower gewonnen.

Mann 1: Jedes Mal, wenn ich die Facebook-Seite besuche, spüre ich etwas Besonderes. Es ist toll, wenn jemand einem sagt, dass man sich nicht zu viele Sorgen machen sollte, weil am Ende alles gut wird.

Mann 2: Wenn ich die Postings lese, werde ich inspiriert und wieder aktiv. Es gibt immer Schwierigkeiten im Leben. Jedes Mal, wenn ich vor einer Herausforderung stehe, besuche ich die Seite, um die Artikel zu lesen und Aufmunterung und Trost zu finden.


Lee Jae-sun und Pyo Shi-hyung stehen auf der Seite der verletzlichen Jugendlichen von heute und muntern sie mit Bildern und Texten auf. Aber nur zwei Jahre zuvor waren sie selbst ganz normale junge Männer ohne ein bestimmtes Ziel im Leben. Der 1. Januar 2014 bleibt in ihrer Erinnerung sehr lebendig. Sie hatten gerade ihren Militärdienst beendet und gingen wieder zur Uni. Allmählich mussten sie sich nach einem Job umsehen, aber sie wussten nicht genau, was sie eigentlich tun wollten. Die Zukunft erschien ihnen düster und all ihre Bemühungen fruchtlos. Lee Jae-sun, Mitbegründer der „Leidenschaft“, spricht über die Zeit der Hoffnungslosigkeit.

Ich wusste nicht, was ich wollte, daher hatte ich keine Ahnung, wo und wie man einen Job findet. Shi-hyung war der einzige Freund, der mein Problem verstand. Dann sagte er, wir sollten nicht nur herumsitzen und uns darüber beklagen, dass wir keine Ahnung hatten, was wir mit unserem Leben anstellen wollten. Wir sollten aufstehen und gemeinsam etwas tun, sagte er. Also beschlossen wir, eine Facebook-Gruppe aufzumachen. Etwa einen Monat lang dachten wir darüber nach, welche Art von Inhalt die Leute mögen würden, aber nichts davon wurde jemals realisiert. Shi-hyung sagte dann, all das Grübeln und Planen würde uns nichts bringen und wir sollten jetzt einfach die Seite öffnen. Wir stellten alles online, was wir zu der Zeit an Inhalten hatten und öffneten die Gruppe.

Angetrieben nur durch den Willen, irgend etwas zu tun, starteten die beiden nach einem Monat der Vorbereitung eine Facebook-Gruppe und posteten einen Beitrag namens „Was kommt zuerst, das Geld oder der Traum?“ Der Artikel basierte auf Forschungen von Mark Albion, einem amerikanischen Wirtschaftstheoretiker und Professor der Harvard Business School, über das Leben von zwei Gruppen von Jugendlichen: die eine Gruppe konzentrierte sich auf das Geld und die andere auf ihre Träume. Professor Albion spürte sie 30 Jahre später wieder auf und verglich ihre Leben. In eine Untersuchung mit 1.500 Menschen fand er heraus, dass diejenigen, die ihre Träume verfolgt hatten, in ihrem Leben anschließend sehr viel erfolgreicher waren. Lees und Pyos erstes Posting war eine Art Beweis dafür, dass ihr Streben nach einem Traum genau die richtige Entscheidung gewesen war. Pyo Shi-hyung spricht über dieses bedeutsame erste Posting.

Es war ein rein egoistisches Posting. Unsere Inhalte in den ersten Tagen waren eigentlich Selbstrechtfertigungen. Wir wollten den Leuten einen Beweis geben, dass die Werte, an die wir selbst glaubten, die richtigen waren. Unsere Lösungen zur Überwindung von Problemen waren unsere eigenen Ideen, sehr persönliche Geschichten. Wir argumentierten, dass wir recht hatten.

Sie veröffentlichten auf ihrer Facebook-Seite, was sie selbst gern sehen wollten. Erstaunlicherweise konnten sie immer allgemeine oder statistische Daten zur Unterstützung ihrer Behauptungen liefern. Nach monatelanger Materialsuche und Artikelschreiben traf ihr drittes Posting den Nerv der jüngeren Generation. Hier ist erneut Pyo Shi-hyung.

Unser erstes Ziel waren 1000 „likes“ in einem Jahr. Wir veröffentlichten eine Geschichte darüber, wie J. K. Rowling darauf kam, die Harry-Potter-Serie zu schreiben. Heutzutage kennt fast jeder die Geschichte, aber damals noch nicht so viele. Wir erzählten die Geschichte in möglichst einfachen Formulierung und in einem auffälligen Design. Nach dem Hochladen haben wir den ganzen Tag lang Telefonanrufe bekommen. Unsere Telefone waren so eingestellt, dass sie jedes Mal klingelten, wenn ein „like“ geklickt wurde. Am nächsten Tag war die Seite von Besuchern überflutet. Unser Ziel waren 1000 Besucher, aber wir hatten 30.000 bis 40.000! Wir konnten nachempfinden, wie J. K. Rowling sich gefühlt haben musste, als sie über Nacht zur Bestseller-Autorin wurde. Danach arbeiteten wir noch härter daran, Inhalte zu erstellen.

J. K. Rowlings Geschichte war bekannt, aber nicht in der Art und Weise, wie Lee und Pyo sie aufbereitet haben. Sie ordneten die Lehren aus Rowlings turbulentem Leben in einer packenden Art und Weise, die die jungen Leute ansprach. Danach bekamen Lee und Pyo extrem viel zu tun. Sie arbeiteten hart, um ihren eigenen Ansprüchen nach Verbesserung gerecht zu werden. Hier ist noch einmal Pyo Shi-hyung.

Wir waren wirklich gestresst. Ich musste mich mehrere Male während der Arbeit übergeben. Ich stand unter dem Druck, tolle Inhalte zu erschaffen, aber mehr als alles andere machte mir zu schaffen, selbst den Standards gerecht zu werden, die wir auf der Website propagierten. Irgendwann fingen die Leute an, den Gesprächen mit unseren Freunden zu folgen, bis wir uns für jene Menschen verantwortlich fühlten, die ihr Leben durch unsere Postings verändert hatten. Das veranlasste uns, noch bessere Artikel zu schreiben.

Die Rückmeldungen der Leser waren großartig. Das erste Jahr, als noch keine Einnahmen generiert wurden, überstanden die beiden durch Gelegenheitsaufträge von anderen Unternehmen. Doch als die Zahl der Abonnenten immer weiter anstieg, schrieben die Inhalte auf der Facebook-Seite immer öfter schwarze Zahlen. Lee und Pyo bekam Startup-Förderung und eröffneten ein Büro. Sie konnten sogar zwei bezahlte Arbeitskräfte einstellen.

Lee: Wir fanden es nur gerecht, als unsere Arbeit sich am Ende für uns auszahlte. Wir lebten davon, den Leuten Botschaften zu senden, die sie hören wollten.

Pyo: Es war wirklich aufregend, weil es unser Ziel war, ein Profit-Modell aus dem zu schaffen, was wir selbst mit Leidenschaft betrieben. Die Leute reden darüber, wie sie gezwungen waren, ihre Träume und Wünsche für Geld zu verkaufen. Aber wir wollten das nicht. Wir wollten, dass unsere Inhalte so respektiert werden, wie sie waren und ein Umsatzmodell erschaffen, das uns für unsere Bemühungen fair belohnt. Deshalb haben wir uns so gefreut, als das Ziel erreicht wurde.


Ein weiteres Thema für „Leidenschaft“ sind Bücher. Lee und Pyo wurden von Verlagen gebeten, Buchbesprechung zu erstellen. Bei ihrer Buchauswahl legen sie strenge Maßstäbe an: der Autor muss selbst Leidenschaft zeigen und das Buch muss etwas enthalten, das es wert ist, den Lesern empfohlen zu werden. Die Buchbesprechungen bei „Befeuerung der Leidenschaft“ zielen nicht auf Werbung, sondern auf Empathie für die Bücher ab, weshalb einige der vorgestellten Bücher zu Bestsellern wurden. Hal Elrod, der Autor von „Miracle Morning: Die Stunde, die alles verändert“, war so bewegt, als sein Selbsthilfeprogramm in Korea ein Bestseller wurde, nachdem es auf Lees und Pyos Facebook-Seite vorgestellt worden war, dass er persönlich eine Video-Beratung zu den Themen durchführte, die die Abonnenten von „Leidenschaft“ beschäftigen.

Lee Jae-sun und Pyo Shi-hyung nehmen die Erstellung von Inhalten nicht auf die leichte Schulter. Doch sie bieten mit dem sogenannten Traumtexter-Projekt auch einfachen Menschen die Möglichkeit, ihre eigenen Inhalte zu erstellen. Zuständig dafür ist die Redakteurin Jo Moon-jeong. Die Arbeit bei „Leidenschaft“ ist für sie selbst wie ein Traum.

Ich war einer jener Menschen, die glauben, dass die Menschen sich nicht ändern können. Ich war ein wenig negativ und pessimistisch, aber als ich die Artikel von „Befeuerung der Leidenschaft“ las, erkannte ich allmählich, dass sich die Leute vielleicht doch ändern können. Die Postings handelten von Menschen, die große Schwierigkeiten überwunden und etwas aus ihrem Leben gemacht haben. Mir wurde klar, dass ich falsch lag und konnte selbst meine Einstellung ändern. Als ich immer öfter positiv dachte, spürte ich, dass ich ein besserer Mensch wurde. Ich mag die Person, die ich bei „Leidenschaft“ geworden bin.

Jo Moon-jeong hat die Arbeit der Inhaltsproduktion ermöglicht, ein besserer Mensch zu werden. Sie sagt, Lee und Pyo haben ihre Leidenschaft befeuert.

Leidenschaft feuert dich an, sie bringt dich richtig auf trab. Sie ist wie ein Brennstoff fürs Leben. Sie lässt einen weitermachen, wenn man aufgeben will.

Es ist drei Jahre her, seit „Befeuerung der Leidenschaft“ damit begonnen hat, motivierende Inhalte zu verbreiten. Heute gibt es viele Seiten für das gleiche Thema und die Gründer sehen Grenzen bei der Inhaltsproduktion. Lee und Pyo stehen allerdings immer noch hinter ihrer Idee, weil sie sehen, dass die „Leidenschaft“ viele Menschen dazu inspiriert hat, an die Möglichkeit der Veränderung zu glauben. Hier ist noch einmal Lee Jae-sun.

„Befeuerung der Leidenschaft“ veränderte die soziale Atmosphäre. Wenn jemand fragt, wie wir das geschafft haben, sagen wir durch den Glauben an Veränderung. Der Glaube daran, dass wir uns, die Gesellschaft und die Welt ändern können, ist die Grundlage von Motivationsinhalten. Wir beide und unsere Abonnenten glauben daran. Deshalb setzen wir uns Ziele im Leben und versuchen, heute anders zu leben als gestern. Ich denke, „Befeuerung der Leidenschaft“ bedeutet, daran zu glauben, dass alles geändert werden kann.

Lee Jae-sun und Pyo Shi-hyung träumen von einer Gesellschaft, in der gewöhnliche Menschen ihre Träume verwirklichen und tun können, was sie wollen. Für eine derartige Welt arbeiten die beiden jungen Männer, sie schreiben, berichten und inspirieren die Menschen mit ihren positiven Botschaften.

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