Schritte zur Wiedervereinigung

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Schritte zur Wiedervereinigung

Die Wohnungskultur in Nordkorea

2022-02-09

ⓒ Getty Images Bank

Während des achten Parteikongresses der nordkoreanischen Arbeiterpartei im Januar des vergagenen Jahres wurde der Plan verkündet, bis 2025 in Pjöngjang 50.000 neue Wohnungen zu bauen. Im vergangenen Jahr begann Nordkorea schon mit den Bauarbeiten für 10.000 Wohnungen in den Bezirken Songsin und Songhwa im Osten der Hauptstadt. Bis zum Gründungstag der Partei am 10. Oktober sollen sie fertiggestellt sein. Die Regierung gibt an, dass die Verteilungsquote bei Wohnungen im Land bei 99,8 Prozent liege. Doch wird vermutet, dass die Quote aktuell bei 60 bis 80 Prozent liegt. Auf Wohnungen in Reihenhäusern und Hochhäusern entfallen dabei mehr als 60 Prozent. Über die Wohnungskultur in Nordkorea sagt Ahn Chang-mo von der Architektur-Abteilung der Kyonggi-Universität:


Nach der erfolgreichen sozialistischen Revolution hielten es die sozialistischen Staaten für wichtig, Nahrungsmittel, Kleidung und Unterkünfte für die Menschen bereitzustellen. Sie entwickelten rasch einen industrialisierten Wohnungsbau. Nordkorea war dabei keine Ausnahme. Während Innenstadtbereiche in den großen Städten in Nordkorea zahlreiche hohe Gebäude vorweisen, sieht man eher mittelgroße und niedrigere Gebäude in den Randbezirken. Zweistöckige Häuser in Bauerndörfern sind normal. Generell leben die Nordkoreaner eher in Häusern mit mehreren Wohneinheiten.


Viele Städte wurden in Nordkorea nach dem Korea-Krieg neu aufgebaut. Der Wohnungsbau war dabei in der Anfangsphase stark von anderen sozialistischen Ländern beeinflusst, weil Nordkorea von ihnen finanzielle und technologische Hilfe erhielt:


Es wird gesagt, dass die sozialistischen Länder Nordkorea nach dem Korea-Krieg unterstützt haben. So half etwa Ostdeutschland dabei, dass die nordöstliche Küstenstadt Hamheung wiederaufgebaut wurde. Pjöngjang hingegen war eine große Stadt, und sie erhielt Hilfe von mehreren Ländern einschließlich der Sowjetunion und Polens. Die sozialistischen Länder halfen Nordkorea beim Bau von Industrieanlagen und Häusern. Dank ihrer Unterstützung konnte Nordkorea in den 1950er und 60er Jahren eine Infrastruktur errichten und seine Wirtschaft entwickeln. Es ist leicht zu verstehen, dass öffentliche Gebäude in den großen nordkoreanischen Städten einen klassischen architektonischen Stil sozialistischer Ländern aufwiesen.


Ein typisches Beispiel eines Mehrfamilienhauses in Pjöngjang nach dem Krieg ist das Arbeiter-Appartmenthaus von 1954. Grundsätzlich wurde Raum für Einzelpersonen oder Familien gegenüber öffentlichen Gebäuden als weniger wichtig eingestuft. So richtete Nordkorea etwa öffentliche Kinderbetreuungszentren ein, um die Hausarbeitslast der Frauen zu reduzieren: 


Das Arbeiter-Appartmenthaus in Pjöngjang hat kein Ondol, das traditionelle Bodenheizungssystem. Es benutzte eher den russischen Ofenstil, der Pechka genannt wird. In Südkorea wurden Wohnungen anfangs parallel angeordnet, so dass so viele Wohneinheiten wie möglich nach Süden hin ausgerichtet waren. Im Gegensatz dazu waren niedrige Appartmenthäuser, die in Nordkorea in den 50er und 60er Jahren gebaut wurden, der Straße zugewandt, und sie hatten einen Innenhof, der als Außenbereich oder Garten miteinander geteilt wurde. Das Wohnungsdesign in Süd- und Nordkorea unterschied sich also voneinander. 


Später führte Nordkorea noch vor Südkorea das Ondolsystem wieder ein, um seine eigene Wohnungskultur zu schaffen: 


Nach der Anweisung des früheren Machthabers Kim Il-sung begann Nordkorea mit dem Einbau des Ondolsystems in Wohnungen, was mehr dem traditionellen koreanischen Lebensstil entsprach. Damals erforderte die Installation des traditionellen Heizungssystems eine neue Technologie. Denn die alten koreanischen Häuser waren keine mehrstöckigen Gebäude, während Ondol nicht in westlichen Ländern gebraucht wurde. Nordkorea versuchte also früher als Südkorea, damit zu experimentieren.


In den 1950er und 60er Jahren war es für Nordkorea wichtig, rasch die im Krieg zerstörten Häuser wiederherzustellen. So wurde der industrialisierte Wohnungsbau eingeführt. Die Methode half, Materialien zu sparen und die Versorgung mit Wohnraum zu fördern:


Nordkorea versuchte, in kurzer Zeit viele Wohnungen bereitzustellen. Um Wohnungen schnell zu bauen, wendete Nordkorea die Fertigbauweise an, was bedeutet, dass Bauteile in Fabriken hergestellt und dann auf den Baustellen zusammengesetzt wurden. Doch war es eher schwierig, diese Baumethode auf der koreanischen Halbinsel anzuwenden, wo sich die Niederschlagsmuster in den vier Jahreszeiten unterscheiden. Auch Südkorea experimentierte mit dieser Methode, die sich jedoch als erfolglos erwies. Nordkorea holte sich technologisches Fachwissen aus den sozialistischen Ländern in Europa, wo der industrialisierte Wohnungsbau stark entwickelt war. Der Schlüssel dabei ist, die Bauteile stabil zusammenzusetzen, sodass keine Schäden während des Sommers oder Winters entstehen. 


Nachdem Kim Jong-il nach dem Tod seines Vaters Kim Il-sung die Macht in Nordkorea übernommen hatte, wurden viele Änderungen in verschiedenen Bereichen vorgenommen, darunter auch der Wohnungsbereich. Kim Jong-il beschrieb Architektur als eine Kunst und betonte, dass die Nachahmung oder Wiederholung beim Entwurf niemals toleriert werden sollte. Das Resultat war die Kwangbok-Straße in Pjöngjang. Das ist eine 5,4 Kilometer lange und 100 Meter breite Straße. Auf beiden Seiten stehen Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Appartmentblöcke. Der Wohnbereich weist 30- bis 40-stöckige Hochhäuser auf, die 25.000 Haushalte aufnehmen können. Die Straße repräsentierte eine neue Wohnungskultur in Nordkorea:


Die Kwangbok-Straße zeigt eine bedeutungsvolle Änderung in einer neuen Ära in Nordkorea. Die Wohnungen dort dienten als Unterkünfte für Sportler, die 1989 am Weltjugend- und Studenten-Festival teilnahmen, ähnlich wie das Olympische Dorf in Südkorea. Nordkoreanische Häuser waren früher grau und eintönig, die Wohnungskomplexe wiesen eine Gitterkonstruktion auf. Doch als Abkehr vom Fokus auf reine Funktionalität deuten die spektakulären zylindrischen Appartmenttürme der Kwangbok-Straße darauf hin, dass Nordkorea mit bogenförmiger Architektur experimentierte. Was den Entwurf und die Höhe der Häuser betraf, so signalisiert die Kwangbok-Straße eine Wende gegenüber dem typischen städtischen Entwicklungsprojekt, das Nordkorea bis in die 70er Jahre verfolgt hatte.


Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre und der schweren Wirtschaftskrise samt der Hungerkrise, die Nordkorea danach erlebte und im Land auch als “mühsamer Marsch” beschrieben wurde, wurde der Bau von öffentlichen Gebäuden und Wohnungen eingestellt. Es dauerte bis zum Ende der 2000er Jahre, dass sich die Bauindustrie erholte. So ist etwa die Changjon-Straße von 2012 im Bezirk Mansudae in Pjöngjang die nordkoreanische Version einer neuen Stadt. Auf der Straße stehen 14 Wohnhochhäuser, die bis zu 45 Stockwerke hoch sind: 


Mansudae ist ein alter Bezirk von historischer Bedeutung. Er liegt unweit des Kim Il-sung-Platzes, der Mansudae-Versammlungshalle und verschiedener historischer und revolutionionärer Stätten. Es gab dort vor dem Bau der Hochhauskomplexe keine hohen Gebäude. Die Periode des mühsamen Marschs kam 2005 zu einem Ende, doch bedeutete das nicht, dass sich die Wirtschaft verbesserte. Selbst nach 2005 kämpften die Nordkoreaner mit wirtschaftlichen Problemen. Es war Zeit, ihnen Hoffnung zu geben. Hochmoderne Hochhäuser im Bezirk Mansudae sollten den Menschen zeigen, dass die Schwierigkeiten überwunden sind, und dass sich das Land auf eine neue Ära vorbereiten sollte. Nordkorea sah es also als dringlich an, dass es das historisch wichtige Umfeld veränderte, um eine neue Straße zu bauen.


Nach dem Beginn mit der Changjon-Straße tauchten in Nordkorea auf neuen Straßen überall besonders hohe Gebäude auf, darunter auf der Unha-Straße für Wissenschaftler 2013, der Wisong-Straße für Wissenschaftler 2014, der Mirae-Straße für Wissenschaftler 2015 und der Ryomyong-Straße 2017 mit einem 82-stöckigen Appartmentturm. Der jetzige Machthaber Kim Jong-un ließ die Hochhäuser in kurzer Zeit bauen, um die Entschlossenheit des Regimes zu demonstrieren. Doch die Hochhäuser sind nur einer geringen Zahl von Menschen in den großen Städten vorbehalten. In den ländlichen Gebieten und Bauerndörfern stehen nach wie vor alte Gebäude, die vor Jahrzehnten errichtet wurden: 


Grundsätzlich wird die Bewegungsfreiheit in sozialistischen Ländern nicht garantiert. Die Sozialisten glauben, dass die Großstädte in den kapitalistischen Ländern eine Brutstätte für soziale Übel darstellen. In der sozialistischen städtischen Entwicklung expandieren die Städte daher nicht – ihre Größe wird auf einem angemessenen Niveau gehalten. Für Pjöngjang jedoch gilt, dass der Städtebau darauf ausgerichtet ist, die Hauptstadt in eine Stadt der Revolution und eine internationale Stadt zu verwandeln. Nordkorea gibt also viel Geld für das Bauen in Pjöngjang und ihre Vergrößerung aus. Als ich das Kumgang-Gebirge in Nordkorea besuchte, sah ich auf dem Weg dorthin ein altes Bauernhaus. Ich denke, die ländlichen Regionen wurden in den Sanierungsplänen außen vor gelassen. Tatsächlich ist Nordkorea nicht gut entwickelt, und Pjöngjang ist ein Spezialfall.


Anfang dieses Jahres berichteten die nordkoreanischen Staatsmedien über eine Parteisitzung und betonten dabei die Botschaft des Machthabers, dass das Bauprojekt in der Hauptstadt fortgesetzt werden sollte, und dass das Land eine Ära für die regionale Entwicklung beginnen sollte. Die Medien riefen dazu auf, dass sämtliche Regionen des Landes mit Baumaterialien ausgerüstet werden sollten und dass die Zementproduzenten ausreichend Zement für die Städte und Landkreise liefern sollten: 


Nordkorea will 50.000 Wohnungen in Pjöngjang bauen, mit 10.000 Einheiten in jedem Jahr. Doch das Bauprojekt des Landes kommt wegen der wirtschaftlichen Krise nicht so richtig voran. Um das Problem zu lösen, müsste Nordkorea Hilfe von außen erhalten, oder die Sanktionen müssten gelockert werden. Als Nordkorea seinen Plan zum Bau von 50.000 Wohnungen verkündete, befand sich der Aufbau der Wonsan-Kalmy-Tourismusone in der Endphase. Bevor das Projekt beendet wurde, kündigte Nordkorea sein ehrgeiziges Wohunngsbauprojekt an und veranstaltete eine Zeremonie für den Baugeginn. Es scheint, als ob Nordkorea dachte, dass es schwierig ist, die neue Tourismuszone zu erhalten, selbst wenn sie fertiggestellt ist, solange die wirtschaftlichen Sanktionen der USA bestehen. Ich denke, dass Nordkorea das Projekt vorübergehend ausgesetzt und beschlossen hat, die Materialien dafür für den Wohungsbau zu nutzen, der für die Menschen so wichtig ist.


Nordkorea konzentriert sich auf den Wohnungsbau, doch vorerst scheint es so, dass nicht alle Einwohner von dem Projekt profitieren. Darüber hinaus sieht es nicht so aus, als ob das Land eine umfassende Lösung für sein Wohnungsproblem findet, solange es internationialen Sanktionen unterworfen ist.

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