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Nordkoreas Politik für den Schutz der Nahrungsmittelkultur

2023-10-18

ⓒ YONHAP News
Nahrungsmittel, Kleidung und Behausung sind von wesentlicher Bedeutung für Menschen. Unter ihnen spiegelt die Nahrung die Besonderheiten eines Landes sehr gut wider. Die Ernährungskultur in der 5000-jährigen Geschichte Koreas wird als eine der gemeinsamen Leistungen in Süd- und Nordkorea gewürdigt, und doch hat sie sich seit der Landesteilung in beiden Ländern verschieden entwickelt. Es gibt das Sprichwort: “Die Koreaner leben dank Bapsim.“ Bapsim bezieht sich auf die Stärkung, die beim Essen gekochten Reises gewonnen wird. Reis gehört zu den Grundnahrungsmitteln der Koreaner. Doch die Ernährungsweise hat sich gewandelt, und die Südkoreaner essen mit zunehmender westlicher Ernährungsweise auch immer häufiger Lebensmittel, die aus Mehl statt Reis gemacht werden: 

Ich esse zuhause oft Instantnudeln oder Ramyeon sowie Tteokbokki. Draußen esse ich oft Brot. Es ist einfach und bequem, diese Nahrungsmittel zu bekommen. Ich denke, ich nehme pro Woche mindestens zwei bis dreimal Lebensmittel auf Mehlbasis zu mir. 

Auch in Nordkorea verändern sich die Essgewohnheiten. Zum Thema sagt Jeon Young-seon vom Institut für Geisteswissenschaft und Vereinigung an der Konkuk-Universität in Südkorea: 

Nordkoreas Ernährungspolitik hat sich nach dem „mühsamen Marsch“ in den 1990er Jahren geändert. Früher betonte das Land die sogenannte Juche-Landwirtschaftsmethode, die auf die Eigenständigkeit in der Lebensmittelproduktion gerichtet war. Doch nach dem „mühsamen Marsch“ änderte Nordkorea die Politik. Es zog mehr Kaninchen und Strauße auf, während die Fischzucht ausgeweitet wurde, um die Menschen mit Protein zu versorgen. Diese Politik brachte Veränderungen in der Ernährungskultur mit sich.  

Als “mühsamen Marsch” bezeichnen die Nordkoreaner die extremen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den 90er Jahren. Das Land richtete den Fokus auf die Bewältigung der Ernährungsprobleme. Die schrittweise Verbesserung der wirtschaftlichen Situation schuf die Grundlage dafür, dass sich auch eine neue Ernährungskultur herausbildete. Als Kim Jong-un Ende 2011 die Macht übertragen wurde, wollte Nordkorea das immaterielle Kulturerbe gesetzlich besser schützen, um auch seine Ernährungskultur zu fördern: 

Nordkorea hat wie Südkorea ein materielles und ein immaterielles Kulturerbe. In Nordkorea wird etwas, das dem Leben der Menschen dient, als immaterielles Erbe angesehen. Es würdigt die Verbesserung oder Ausweitung der traditionellen Kultur auf moderne Weise, anstatt sie bloß zu bewahren. Die Ernährungskultur wird als immaterielles Erbe eingestuft. Dabei werden Dinge, die geschützt werden sollen, als staatliches immaterielles Erbe beschrieben. Gemäß dem Gesetz zum Schutz des Kulturerbes entscheidet das nationale Komitee für immaterielles Kulturerbe, ein nicht-ständiger Ausschuss, über die Güter, die geschützt werden. Es gibt Regeln, die die relevante Politik leiten. 

In Nordkorea ist die Ernährungskultur ein Pfeiler des Kulturerbes. Verschiedene volkstümliche Speisen wie die Zubereitung von Jang, was sich auf koreanische Saucen oder Pasten aus nicht-fermentierten Sojabohnen bezieht, sowie die Zubereitung des Kimchi werden zum immateriellen Kulturerbe gezählt. Die traditionelle Kimchi-Zubereitung findet sich auch auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit: 

Südkoreas “Kimjang: Zubereitung und Teilen von Kimchi“ wurde 2013 auf die repräsentative UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit gesetzt. Nordkoreas Kimchi-Zubereitungstradition wurde der UNESCO-Liste 2015 hinzugefügt. In Nordkorea essen die Einheimischen Kimchi als normale Beilage während des langen Winters, der fast sechs Monate andauert. Es gibt viele Speisen unter Verwendung des vergorenen Gemüses, eine kalte Kimchi-Nudelsuppe eingeschlossen. In Südkorea werden Kimchi-Experten als kulinarische Meister definiert und geschützt, die zur Erhaltung und Entwicklung traditioneller koreanischer Gerichte beigetragen haben. 

Mit Kimjang wird die althergebrachte Praxis bezeichnet, bei der große Mengen von Kimchi für den langen Winter zubereitet werden. In Nordkorea ist für viele Menschen das Winter-Kimchi eine wichtige Speise, die sie durch die harte Jahreszeit bringt. Es werden in den Familien während der Kimjang-Saison Hunderte von Kohlköpfen verarbeitet. Die Nordkoreaner nehmen sich für die Zubereitung die Zeit zwischen Oktober und November vor. Dabei werden verschiedene Kimchi-Arten hergestellt: 

Es gibt so viele verschieden Arten von Kimchi. Im Winter machen die Menschen einen ganzen Kopf Chinakohl, auf Wasser basiertes Rettich-Kimchi sowie gewürfeltes Rettich-Kimchi. Es ist salzig und hat einen frischen Geschmack. 

Kimchi, das während der Kimjang-Saison hergestellt wird, wird in Nordkorea auch als „Halbjahresspeise“ bezeichnet, weil es im Winter außer dem Kimchi nur wenige Beilagen gibt. Wie in Südkorea sind die Zubereitungsmethoden und der Geschmack des Kimchi von Region zu Region verschieden. Die Hauptstadt Pjöngjang ist bekannt für Dongchimi, ein wasserbasiertes Wasser-Kimchi mit weißem Rettich. In der Grenzstadt Kaesong wird Bossam-Kimchi gemacht, bei dem verschiedene Füllungen mit Kohlblättern eingewickelt werden. Die nördlichen Bergregionen einschließlich der Provinz Ryanggang bevorzugen Kimchi aus Senfblatt. Nordkorea weist aber auch noch eine weitere Speise beziehungsweise Zubereitungsmethode auf, die als immaterielles UNESCO-Erbe anerkannt wird:

Der Pyöngjanger Raengmyon-Brauch wurde 2022 auf die repräsentative UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit gesetzt. UNESCO traf diese Entscheidung in Anerkennung der historischen Bedeutung der kalten Buchweizennudeln sowie der Bewahrung des entsprechenden Wissens und der Techniken für ihre Zubereitung. Ohne Zweifel ist Nordkorea sehr stolz auf die kalten Nudeln auf Pjöngjanger Art. 

In Nordkorea gibt es sogar ein Lied darüber: „Pjöngjanger Raengmyon ist das Beste.” Okryugwan, ein Restaurant, das für das Pjöngjanger Raengmyon berühmt ist, verkauft am Tag mehr als 10.000 Schüsseln mit kalten Nudeln. Die zentrale nordkoreanische Fernsehstation erklärt in einer Sendung die Geschichte der Speise, die in einer pikanten Rinderbrühe zusammen mit Dongchimi-Rettich-Kimchi serviert wird:

Xu Jing, ein Gesandter der chinesischen Song-Dynastie besuchte 1123 das koreanische Königreich Goryeo. Eine Aufzeichnung zeigt, dass der Gesandte das Nudelgericht als beste Mahlzeit unter zehn berühmten lokalen Speisen in Kaesong ausgewählt hat. 

In der damaligen Zeit aßen die Koreaner die langen, dünnen Nudeln am Tag vor dem 15. Tag des ersten Mondmonats und wünschten sich gegenseitig ein langes Leben. Zu festlichen Gelegenheiten genossen sie die Speise mit Verwandten und Nachbarn, um den Zusammenhalt zu stärken. Vor diesem historischen Hintergrund wird Pjöngjanger Raengmyon in Nordkorea auch als Nationalgericht gesehen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz des Kulturerbes im Jahr 2012 hat sich die Liste der Nationalgerichte erweitert:

Nordkorea hat unter Kim Jong-uns Herrschaft einige Traditionen neuinterpretiert. Die historischen Bewertungen des Landes basieren meistens auf dem alten Königreich Goguryeo. Nordkorea glaubt, dass die meisten kulturellen Traditionen während der Goguryeo-Ära vervollständigt und dann an das Goryeo-Königreich weitergegeben wurden. Nordkorea nahm die Joseon-Dynastie im Licht der Aufteilung zwischen herrschener Klasse und der untergebenen Schicht eher negativ wahr. Traditionelle Speisen in der Joseon-Zeit, zusammen mit Kleidung, erhielten negative Bewertungen. Doch seit Kim Jong-un an der Macht ist, versuchte Nordkorea, die kulturellen Joseon-Traditionen auf vielfältige Weise anzuerkennen. So hat beispielsweise die Kim-Il-sung-Universität die Hofmahlzeit “Sinseollo” als globales Gericht eingestuft. Nordkorea erklärt, dass der königliche Eintopf eine Reihe von Zutaten auf einmalige Weise verwendet, um ihm einen charakteristischen Geschmack zu verleihen. Es sagt auch, dass das Gericht reich an Nährstoffen ist, und dass der Topf fantastisch aussieht. Es behauptet, dass die Joseon-Delikatesse jetzt weltweit bekannt ist. 

Sinseollo heißt so viel wie “der Kohlentopf des Taoist-Einsiedlers“. Während der Herrschaft des früheren Machthabers Kim Jong-il hatte Nordkorea eine eher negative Sicht auf die Joseon-Dynastie. Doch heute ist Sinseollo eines der populärsten Gerichte im Okryugwan-Restaurant. Mit der Zunahme positiver Berurteilungen verschiedener Traditionen sind verschiedene Bräuche als immaterielles Erbe verzeichnet worden. Nordkorea sagt, dass die Imkerei seit der Gojoseon-Ära eine stolze Tradition darstelle, von der die Menschen verschiedene Produkte erhielten. Die traditionelle Bienenzucht wurde 2017 zum Kulturerbe hinzugefügt. Auch der Brauch der Zubereitung von gesalzenen und fermentierten Gerichten mit kleinen Garnelen aus dem Westmeer erhielt die gleiche Auszeichnung:
 
Wenn es um das immaterielle Kulturerbe geht, so betont Südkorea die historische Bedeutung. In Nordkorea dagegen werden Gerichte, die von der allgemeinen Bevölkerung gegessen werden, ebenfalls der Liste des immateriellen Erbes hinzugefügt. Nordkorea hält Kochwettbewerbe ab, um neue Gerichte zu kreieren. Speisen, die dabei postiv bewertet werden, können zum immateriellen Erbe bestimmt werden. 

Nordkorea veranstaltet eine große Nahrungsmittelausstellung, bei der Köche von zentralen Behörden und den Provinzen ausgewählt werden, damit sie lokale Spezialitäten vorstellen. Etwa die Hälfte der Speisen in der Ausstellung gilt als immaterielles Kulturgut. Warum hält Nordkorea diese Ausstellung ab?

Erstens, Nordkorea will die öffentliche Wahrnehmung von ausgezeichneter nationaler Kultur erhöhen, sodass die Menschen Stolz fühlen können. Indem die überlegende Kultur des Landes erforscht wird und die Menschen davon in Kenntnis gesetzt werden, erinnert Nordkorea sie daran, dass sie in einer Ära der „unser Land-Zuerst-Politik“ leben. Zweitens, das Land hofft, das Verbrauchersystem zu verbessern. Restaurants werden in Nordkorea vom Staat betrieben. Um ihnen zu helfen, erfolgreich zu sein, ist es nötig, verschiedene Gerichte zu entwickeln und ihnen eine bestimmte Bedeutung zuzuschreiben. 

Nordkorea verfolgt eine Politik zur Förderung der Ernährungskultur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen. Doch verstärkt das Land zugleich die Kontrolle über die Verwaltung der immateriellen Kulturgüter. Es bleibt abzuwarten, ob das zur Verbesserung der Ernährungslage wirklich beiträgt.

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