Schritte zur Wiedervereinigung

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Schritte zur Wiedervereinigung

Wechselnde Modetrends in Nordkorea

2023-06-21

ⓒ KBS News

Im März empfahl die offizielle nordkoreanische Zeitung Rodong Sinmun den Bürgern des Landes, im Frühling helle Farben zu tragen: elfenbein, hellblau, hellgrün und pink für Frauen und hellgrau, grau und hellblau für die Männer. Die Menschen sollten je nach Alter, Figur und Geschmack ihre Kleidungswahl erweitern, hieß es. Nordkorea betont die Individualität, wenn es um die Bekleidung geht. Doch soll die Kleidung auch die Geisteshaltung des Trägers zeigen. Trotzdem ändern sich auch in dem abgeschotteten Land die Modetrends. Im Mai wurde ein interessantes Video auf einem nordkoreanischen YouTube-Kanal veröffentlicht. Der Titel lautete: “Folgen Sie dem nordkoreanischen Mädchen auf ihrem Einkaufsbummel und entdecken Sie die jüngsten Modetrends“. Hochgeladen wurde das Video von einem Mädchen names Yonmi. Auf Chinesisch beschreibt es die „Ausstellung für Frauen-Frühlingskleidung 2023“, die vom 24. April bis zum 4. Mai in Pjöngjang stattfand. So probiert es etwa einen Einteiler mit schwarzen Tupfern. Das gefalle ihr. In diesen Tagen sind bei jungen Nordkoreanerinnen vor allem helle Farben angesagt. Es war die zweite derartige Ausstellung. Die erste fand im vergangenen Oktober statt. Zum Thema sagt Kim Young-hee, die die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bei der Hana Foundation in Seoul leitet: 


Auf dieser Ausstellung lenkten Einteiler, westliche Anzüge sowie Mäntel in hellen Farben die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Die Kleidung kombiniert den ästhetischen Sinn der Zeit und den nationalen Geist. Betont wird die elegante Schönheit. Die Unternehmen zur Kleiderverarbeitung sprechen hier über einen technischen Austausch, während die Kleidungshersteller mit den Verbraucherinnen diskutieren. 


Mehr als 50 lokale Unternehmen präsentierten ihre Früjahrs- und Sommer-Kollektion, darunter auch Sportsachen. Beobachter sagten, dass es selten sei, in Nordkorea eine Ausstellung mit Kleidung westlichen Zuschnitts zu sehen: 


Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un betonte, dass es wichtig ist, eine zivilisierte Nation aufzubauen. Das bezieht sich auf ein Land, in dem die Bürger in einem besseren städtischen Umfeld leben. Angemessene Wohnungen und Mode gehören wohl zu diesem Konzept. Früher hatte die Männerkleidung ein simples Design und dunkle Farben. Doch die Situation hat sich geändert. Die Frauenkleidung kann dazu beitragen, eine soziale Atmosphäre zu schaffen und zu zeigen, wie zivilisiert eine Gesellschaft ist. Die Zahl der Nordkoreaner der Mittelklasse hat sich seit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten Mitte der 1990er Jahre erhöht. Mehr Menschen geben mehr Geld für die Bekleidung und Lebensmittel aus. Nordkorea verfolgte in den vergangenen Jahren eine staatliche Politik unter Berücksichtigung der Wünsche der Menschen. Auch könnte das Land die Zirkulation der Landeswährung stärker gefördert haben. Vor diesem Hintergrund scheint Nordkorea die Ausstellung ausgerichtet zu haben. 


Der nordkoreanische Film “Anspruchsvoll sein” von 1988 dreht sich um eine Studentin mit Namen Hyun-ok, die sehr an Mode interessiert ist. Sie fragt darin eine ihrer Freundinnen, englische Buchstaben auf ihre Jacke zu setzen. Doch einige ihrer Freundinnen äußern sich sehr kritisch über sie. Ihr Outfit sei exzentrisch, sagen sie. Am Ende kleidet sich Hyun-of eher unauffällig, was der damaligen Geisteshaltung entspricht. Kim Young-hee selbst besuchte in den 80er Jahren eine nordkoreanische Hochschule in der östlichen Küstenstadt Wonsan: 


Die nordkoreanische Wirtschaft ist zentral geplant. In dem sozialistischen Staat haben alle Bürger die gleichen Rechte. Im Prinzip plant der Staat alles, und die Unternehmen produzieren entsprechende Güter. Der Staat legt die Preise für die Güter fest und verteilt sich über staatliche Läden. In den 1980er Jahren trugen die Studentinnen in Pjöngjang ein langes schwarzes Kleid und eine weiße Jacke. Die Studentinnen in meinem College trugen ein grünes Hemd und einen weißen, orangen, roten oder blauen Rock als Schuluniform. Die Kleidung nach der Schule war von dunkler Farbe und hatte immer das gleiche Design. Die Studentninnen, mich eingeschlossen, dachten, dass es unangemessen ist, Auffälliges zu tragen. Einige fertigten ihre eigene Kleidung zuhause, doch das waren nur wenige. Es gab kein Konzept für Mode. 


Als 1989 das 13. Weltfestival der Jugend und Studenten in Pjöngjang stattfand, waren viele Nordkoreaner geschockt, Jeans zu sehen: 


1989 besuchte die südkoreanische Studentenaktivistin Lim Su-kyung Pjöngjang, um am Weltfestival der Jugend und Studenten teilzunehmen. Als sie eintraf, hatte sie ein weißes T-Shirt und Jeans an. Damals bezeichneten die Nordkoreaner Jeans als „Bohrer-Hose“, weil sie an der Hüfte locker waren und unten eng. Ich denke, damals begannen die Nordkoreaner, Interesse an Mode zu zeigen. Es gab keinen Markt, so dass die Leute ihre „Bohrer-Hosen“ zuhause selber machten und sie heimlich an andere verkauften. 


Die Hungersnot in den 90er Jahren, von den Nordkoreanern auch Zeit des „mühsamen Marschs“ genannt, veränderte die nordkoreanische Gesellschaft. Der Zusammenbruch des staatlichen Rationierungssystems zog private Märkte, die Jangmadang, nach sich. Dadurch lernten die Menschen die Mode aus anderen Ländern kennen. Einige Menschen kamen durch ihre Marktaktivitäten zu Wohlstand, und ihre Nachfrage sorgte dafür, dass es mehr Bekleidungshersteller gab. Sie begannen damit, Kleidung zu produzieren, die die Menschen wollten, und nicht, was im Sinn der Regierung erforderlich war:


Als ich Nordkorea verließ, war das Rationierungssystem beendet. Der Staat gab den Menschen deshalb auch keine Kleidung mehr. Sie kauften Kleidung, die sie mochten, auf dem Markt. Chinesische Waren kamen nach Nordkorea, und viele Nordkoreaner folgten dem chinesischen Modestil. Ich dachte, ich wüsste alles über den Markt. Doch die Situation in Südkorea war ganz anders. 2003 wurde ich aus dem Übergangszentrum Hanawon für nordkoreanische Flüchtlinge entlassen. Ich wusste nicht, welche Art von Kleidung in Südkorea populär war. Ich wählte also Kleidung aus, die derjenigen ähnelte, die ich in Nordkorea trug. Die Produkte variierten je nach Preis und Qualität, und es war schwierig, die richtigen Sachen für mich zu finden. 


Die Frau des jetzigen nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un, Ri Sol-ju, war es, die Neuerungen in der lokalen Modeszene in Gang setzte. Ri nahm 2012 an der Eröffnungszeremonie für den Rungra-Vergnügungspark in Pjöngjang teil. Die staatlichen Medien stellten sie als Frau des Machthabers vor. Seitdem fand jede ihrer Aktionen große Beachtung. Besonders ihr Modestil, wie etwa Röcke über dem Knie sowie helle Blusen, zog die Aufmerksamkeit auf sich. Eine nordkoreanische Modeshow zeigte Produkte, die von Ris Kleidung inspiriert war, darunter zweiteilige Anzüge, hochhackige Schuhe mit ausgefallen Accessoires sowie kurz Röcke. Die chinesische Zeitung Peoples‘ Daily berichtete 2015, dass hohe Absätze und kurze Röcke in der Mittelklasse in Pjöngjang populär seien. Das sei auf Ris Stil zurückzuführen: 


Ihre Mode war unkonventionell. Die Menschen waren überrascht, etwa ihren Rock zu sehen, der über dem Knie endete. Der kurze Rock ließ sie elegant und größer erscheinen. Der Stil unterscheidet sich definitiv vom früheren nationalen, sozialistischen Lebensstil, als die Länge des Rocks mindestens zehn Zentimeter unter dem Knie erreichen sollte und eng angliegende Kleidung vermieden wurde. Doch Kleider, die dem Outfit Ris ähnelten, wurden auf dem Markt erhältlich. In Nordkorea hat der Modestil des Machthabers und seiner Familie einen großen Einfluss auf die Bevölkerung, da er den Standard für den nationalen, sozialistischen Lebensstil setzt. Früher war die Jacke des ehemaligen Machthabers Kim Jong-il sehr gefragt, und sie wurde zu einer Uniform der gesamten Bevölkerung. Ähnlich war Ri Sol-jus dunkel getupfertes Kleidung so beliebt, dass Nordkorea eine große Menge an Stoff in China einkaufte. 


Im Bericht von 2023 über die Menschenrechte in Nordkorea, der Ende März vom Vereinigungsministerium in Südkorea herausgebracht wurde, heißt es, dass die nordkoreanischen Behörden gegen jene vorgehen, die südkoreanische Videos besäßen und entsprechend den Inhalten auch die Kleidung und den Lebensstil der Südkoreaner nachahmten. Es gab darin auch Aussagen von Zeitzeugen, die andeuteten, dass das Regime gegen „dekadente“ westliche Modetrends, wie etwa enge Hosen und gefärbte Haare, unterdrücken wolle. Besonders seit Mitte und Ende der 2000er Jahre sorgte die Verbreitung digitaler Technologien dafür, dass die Nordkoreaner einen einfacheren Zugriff auf südkoreanische Filme und TV-Serien hatten. Die Folge war, dass südkoreanische Mode den Nordkoreanern nicht mehr unbekannt war:


Einmal erschien ein schöner Einteiler in einem südkoreanischen Film, und die modebetonten Nordkoreanerinnen fragten beim Schneider nach, ob sie die gleiche Kleidung machen könnten. Sie ahmten alles nach, was südkoreanisch war, einschließlich Kleider, Taschen, Schirme und Schuhe. Nordkorea importiert keine südkoreanische Kleidung. Doch Chinesen, die gebrauchte südkoreanische Kleidung kauften, brachten sie nach Nordkorea. Und einige Nordkoreaner, die ihre Verwandten in China besuchten, erhielten südkoreanische Produkte über nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea. Sie brachten sie nach Nordkorea. Wenn sie die Sachen dorthin brachten, entfernten sie das Label und sagten, dass die Produkte aus China stammen. Sie drückten Hunderte von Kilogramm an Kleidung zusammen, um diese zu verpacken. Sie verkauften sie einzeln im ganzen Land. Wenn sie dabei erwischt werden, südkoreanische Waren zu verkaufen, droht ihnen großer Ärger. Die Waren werden daher unter den Tischen auf dem Markt versteckt. 


Die Modetrends und Modeindustrie in Nordkorea haben sich als Folge des Zusammenbruchs des staatlichen Rationierungssystems, der Verbreitung der privaten Märkte und der Einführung ausländischer Kultur verändert. Die Menschen kennen insbesondere die südkoreanische Mode sehr gut, da sich südkoreanische Kultur rasch im Land verbreitet hat.

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