Schritte zur Wiedervereinigung

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Neubauprojekte auf nordkoreanische Art

2025-06-04

ⓒ KBS News
Nordkorea hat in den letzten Jahren intensiv einen Wohnungsbauplan vorangetrieben.

Dabei handelt es sich um ein gigantisches Bauprojekt von 50.000 Wohneinheiten in Pjöngjang. Warum hat Nordkorea den Wohnungsbau in der Hauptstadt zu einer so wichtigen Aufgabe gemacht?

Heute analysieren wir das sogenannte „Neubauprojekt auf nordkoreanische Art“ mit Hong Min, einem leitenden Forscher am Koreanischen Institut für Wiedervereinigung (Korea Institute for National Unification).

Am 5. Mai berichtete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur Korean Central News Agency, dass der Bau von 10.000 Wohnungen im Bezirk Hwasong in Pjöngjang im Rahmen der 4. Phase des Wohnungsbauprojekts voranschreite.

Dies deutet darauf hin, dass die 2021 erstmals angekündigte Initiative zum Bau von 50.000 Wohnungen nun kurz vor dem Abschluss steht.

Auf dem 8. Parteitag der Arbeiterpartei im Januar 2021 stellte Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un den Plan vor, 50.000 Wohnungen in Pjöngjang zu bauen. Es war eine besonders schwierige Zeit für Nordkorea. Das Land litt bereits seit dem fünften Atomtest im Jahr 2016 unter harten internationalen Sanktionen. Die Situation wurde durch die Corona-Pandemie weiter verschärft, die das Land im Januar 2020 zur Schließung seiner Grenzen veranlasste und die wirtschaftliche Belastung verschlimmerte. Vor diesem Hintergrund erregte das groß angelegte Wohnungsbauprojekt besondere Aufmerksamkeit.

Das vorrangige Ziel scheint darin zu bestehen, sichtbare Erfolge in der Ära Kim Jong-un zu präsentieren. Der Bau einer großen Anzahl von Wohnungen wird als anschaulicher Ausdruck des Grundsatzes, dass das Volk an erster Stelle steht, und der „volksnahen“ Politik des Staatschefs angesehen.

Ein weiterer Punkt ist, dass es für den nordkoreanischen Führer äußerst schwierig ist, wirtschaftliche Erfolge vorzuweisen. Angesichts der strengen internationalen Sanktionen fließt ein Großteil der finanziellen Mittel in die militärische Entwicklung, sodass nur sehr wenig für die Wirtschaft übrigbleibt. Infolgedessen gibt es kaum Möglichkeiten für deutliche wirtschaftliche Erfolge. Eine Lösung war der Bau von Häusern unter Einsatz militärischer Ressourcen. So kann Nordkorea fünf Jahre nach dem 8. Parteitag sichtbare Erfolge vorweisen. Dies ist ein wichtiger Faktor bei Nordkoreas Konzentration auf den Wohnungsbau.

In Nordkorea geht es bei Bauprojekten hauptsächlich um Politik. Groß angelegte Bauprojekte, die das Stadtbild verändern, dienen als eindrucksvolle Demonstration der Autorität des Anführers. Tatsächlich haben die nordkoreanischen Staatschefs erhebliche Ressourcen und Energie in ehrgeizige Bauvorhaben investiert.

Nach dem Koreakrieg konzentrierte sich Nordkoreas Regimegründer Kim Il-sung auf den Wiederaufbau, um das Volk für sich zu gewinnen, und errichtete ein politisches System, das sich um den Führer dreht. Ebenso festigte sein Sohn Kim Jong-il seine politische Autorität und inszenierte sich als fähiger Anführer, indem er Stadtviertel wie die Tongil-Straße mit zahlreichen Hochhauskomplexen errichten ließ, die an die neuen Stadtprojekte Südkoreas erinnern.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den 1990er Jahren führten jedoch zu einem Stillstand der Bauprojekte, wodurch die politische Nutznießung nachließ und die Wohnungsknappheit sich verschärfte.

Die Nachfrage nach Wohnraum in Nordkorea ist sehr hoch. Nach dem Wiederaufbau in den 1950er Jahren wurden in Pjöngjang in den Jahren 1962, 1972 und zuletzt 1982 groß angelegte Bauprojekte durchgeführt. In den 1990er Jahren erlebte Nordkorea eine Phase schwerer wirtschaftlicher Not, die als „Mühsamer Marsch“ bekannt ist. Über zwei Jahrzehnte lang wurde praktisch nicht gebaut. Infolgedessen blieben nur Häuser erhalten, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren gebaut worden waren. So verfielen viele Gebäude, wodurch ein erheblicher Bedarf an Neubauten entstand.

Um den Wohnraumbedarf seiner Landsleute zu decken, hat sich Kim Jong-un auf den Wohnungsbau konzentriert.

Kim Jong-un hat ehrgeizige Stadtentwicklungsprojekte verfolgt. Das erste war ein großer Wohnkomplex in der Changjon-Straße, der 2012, im ersten Jahr seiner Herrschaft, fertiggestellt wurde. Darauf folgten 2015 markante Bauwerke wie das 53-stöckige Wohn- und Geschäftshaus „Unha“ und ein ikonisches 70-stöckiges Apartmenthaus, das zu einem prägenden Merkmal der Ryomyong-Straße wurde, die die Skyline von Pjöngjang dramatisch verändert hat. Und im Jahr 2021 startete er das gigantische Bauprojekt zum Bau von 50.000 Wohnungen in der Hauptstadt.

In der Vergangenheit konzentrierten sich die Stadtentwicklungspläne Nordkoreas in erster Linie darauf, die Pracht der zentralen Stadtteile von Pjöngjang zu präsentieren, um den Eindruck von reichlich Wohnraum zu vermitteln. Das Projekt zum Bau von 50.000 Wohnungen in Pjöngjang stellt jedoch einen neuen Ansatz dar, denn erstmals wird die Stadtentwicklung auf die Außenbezirke der Stadt ausgeweitet.

Früher bildeten die Außenbezirke von Pjöngjang einen starken Kontrast zum Zentrum. Es war eine deutlich heruntergekommene Umgebung mit Häusern aus den 1950er und 1960er Jahren als Zeugnisse jahrzehntelanger Stagnation. Durch den Bau von 50.000 Wohneinheiten in ganz Pjöngjang besteht nicht nur das Potenzial für eine umfassendere Stadterweiterung, sondern auch die vielversprechende Aussicht auf eine Belebung des Straßenlebens mit einer lebendigeren Atmosphäre.

In den letzten zehn Jahren wurden Wohnkomplexe in Pjöngjang hauptsächlich entlang des Taedong-Flusses im Zentrum der Stadt errichtet. Derzeit finden die Bauarbeiten jedoch weit entfernt vom Stadtzentrum statt. Nach Fertigstellung wird sich die Stadtgrenze von Pjöngjang voraussichtlich weiter ausdehnen.

Das „Neubauprojekt auf nordkoreanische Art“ schreitet zügig voran. Im Jahr 2022 wurden in den Gebieten Songsin und Songhwa 10.000 Wohneinheiten gebaut. In den Jahren 2023 und 2024 wurden jeweils 10.000 Einheiten für die Phasen 1 und 2 im Bezirk Hwasong fertiggestellt. Im April wurden außerdem 10.000 Wohnungen für die 3. Phase des Projekts gebaut. Bemerkenswert ist, dass für die 1. Phase ab 2022 der Rohbau in etwas mehr als fünf Monaten errichtet wurde. Die gesamte Phase, einschließlich der Landschaftsgestaltung, war nach 14 Monaten abgeschlossen.

Die treibende Kraft hinter dieser bemerkenswert kurzen Bauzeit ist das Militär.

In Nordkorea spielen das 7. und 8. Generalbüro eine Rolle im Bereich Militärtechnik. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, bei wichtigen nationalen Bauprojekten eingesetzt zu werden und sie so rasch voranzubringen.

Ich kann zwar nicht mit Sicherheit nachweisen, dass diese Behörden direkt an dem 50.000-Wohnungen-Projekt beteiligt waren, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass militärische Einheiten ähnlicher Größe für den Bau eingesetzt wurden. Allein schon aufgrund des Umfangs eines solchen Projekts ist es für zivile Organisationen praktisch unmöglich, den Bau durchzuführen. Die Mobilisierung des Militärs scheint unerlässlich und unvermeidlich zu sein.

Nordkorea mobilisiert immer wieder Militärpersonal für groß angelegte, wirtschaftliche Entwicklungsprojekte.

Soldaten waren am Bau großer Wohnviertel in der Innenstadt von Pjöngjang beteiligt. Diese Bauprojekte gelten als Kim Jong-uns wichtigste Errungenschaften. Es scheint, dass auch das laufende Wohnbauprojekt in Pjöngjang auf militärische Arbeitskräfte angewiesen ist.

Nordkorea ist stolz darauf, dass in nur 14 Stunden das Grundgerüst für ein Stockwerk des riesigen 80-stöckigen Wohnhauses im Stadtteil Sopo im Nordwesten von Pjöngjang errichtet wurde. Diese spektakuläre Geschwindigkeitsjagd hinterlässt jedoch einen zwiespältigen Eindruck.

In Nordkorea sind in der Vergangenheit bereits Gebäude eingestürzt. Diese Vorfälle haben immer wieder Bedenken über die Risiken aufgeworfen, die mit einer derart auf Geschwindigkeit ausgerichteten Bauweise verbunden sind.

Die Ryomyong-Straße beispielsweise wurde in nur einem Jahr gebaut. Wenn Gebäude auf eine derart überstürzte Art hochgezogen werden, muss man sich ernsthaft fragen, ob die üblichen Baupraktiken eingehalten wurden, z.B. bei den Abbindezeiten von Beton. Was das Projekt mit 50.000 Wohneinheiten in Pjöngjang angeht, so wurden die Häuser schnell gebaut, um rasch Ergebnisse vorweisen zu können. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass in Zukunft verschiedene strukturelle und sicherheitstechnische Probleme auftreten.

Offenbar führen die überstürzten Bauarbeiten an mehreren Stellen zu strukturellen Mängeln. Und es gibt weitere Schwierigkeiten bei den Bauprojekten.

Es ist für das Land eine Herausforderung, den Bau von 50.000 Wohneinheiten zu finanzieren. Tatsächlich übernimmt der Staat nur einen Teil der Kosten, während der Großteil der Baukosten durch privates Kapital finanziert wird. Natürlich werden die Wohnungen auch an Privatpersonen verkauft.

Um es einfach auszudrücken: Wenn ein Wohnhaus 500 Einheiten umfasst, finanziert der Staat nur etwa 20 Einheiten selbst. Die restlichen 480 Einheiten werden vollständig mit privatem Kapital gebaut. Die privaten Investoren verkaufen ihre Einheiten weiter, während der Staat im Grunde nur etwa 20 Haushalte als seinen Anteil besitzt.

Während des gesamten Bauprozesses werden die Zuständigkeiten auf verschiedene private Unternehmen verteilt. So ist beispielsweise ein privates Unternehmen für die Lieferung von Zement zuständig, ein anderes für die Beschaffung von Stahl und so weiter.

Staatliche Organisationen spielen die Hauptrolle bei Großbauprojekten. Mit Beginn der Bauarbeiten wurden so Baumaterialien und finanzielle Mittel aus dem ganzen Land mobilisiert, um die Wohnungsbauinitiative der Hauptstadt zu unterstützen.

Es ist jedoch bekannt, dass der Großteil der Baufinanzierung tatsächlich von den Donju stammen, den aufstrebenden Kapitalisten, die ihr Vermögen durch inoffizielle Märkte, den Jangmadang, aufbauen. Die nordkoreanischen Behörden übertragen als Investitionen bezeichnete Baukosten auf diese Donju und überlassen ihnen die Rechte zum Verkauf der Einheiten.

Laut der nordkoreanischen Verfassung ist der Staat Eigentümer der Häuser, und Einzelpersonen erhalten lediglich das Recht auf Nutzung von Wohneinheiten. In der Realität werden diese Nutzungsrechte jedoch mittlerweile offen gehandelt. Dennoch preisen die Behörden umfassend die Bereitstellung von kostenlosen Wohnungen in Pjöngjang, die tatsächlich nur sehr wenigen Menschen zur Verfügung stehen.

Nordkoreanische Medien zeigen emotionale Szenen von Landsleuten, die vor Freude überwältigt werden, wenn sie in ihre neue Wohnung einziehen.

Bei der Grundsteinlegung für die 4. Phase des Wohnungsbaus im Bezirk Hwasong im Februar lobte Staatschef Kim Jong-un den vierjährigen Wohnungsbau als „Errungenschaft unter Errungenschaften“. Aber kann dieses nordkoreanische Großbauprojekt wirklich als seine bedeutendste Errungenschaft angesehen werden?

Ich würde sagen, die Vorteile bei diesem Projekt überwiegen. Nordkorea hat seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, wie geplant jährlich 10.000 Einheiten fertigzustellen. Es wird als Erfolg präsentiert, eine Propaganda für die eigenen Landsleute, was suggeriert, dass der Führer sich sehr um das Volk kümmert. Aus Sicht der Regierung ist es zweifellos ein erheblicher Gewinn. 

Der auf Geschwindigkeit ausgerichtete Baustil wirft jedoch Bedenken über Bauqualität und mögliche strukturelle Probleme auf. Angesichts der für solche Projekte erforderlichen, langwierigen Mobilisierung des Militärs bleibt zudem die Frage nach der anhaltenden Unterstützung durch das Militär offen. Langfristig könnte dieser Ansatz das Vertrauen der Öffentlichkeit verlieren.

Nordkorea legt großen Wert auf den Bau von Wohngebäuden in Pjöngjang als eine seiner wichtigsten Regierungsstrategien. Derzeit scheint sich das Land darauf zu konzentrieren, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern und sichtbare Erfolge zu erzielen. Mit bereits fertiggestellten 40.000 Wohneinheiten plant Nordkorea, die restlichen 10.000 Einheiten bis Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres fertigzustellen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden kann, ohne dass es zu Rückschlägen kommt. 

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