Schritte zur Wiedervereinigung

Koreanische Halbinsel von A bis Z

Schritte zur Wiedervereinigung

Aktuelle Trends bei nordkoreanischen Fernsehserien

2025-06-18

ⓒ KBS News
Südkorea ist berühmt für seine ausgezeichneten Drama-Serien. „Squid Game“ etwa hat beeindruckende sechs Emmy Awards gewonnen. „The Glory“, eine weitere Netflix-Serie, löste eine breite öffentliche Debatte über das sensible Thema Schulgewalt aus. Die Fernsehserie „When Life Gives You Tangerines“ ist eine ergreifende Erzählung über die emotionalen Geschichten von Frauen auf Jeju-do in den 1960er und 1970er Jahren und rührte Zuschauer weltweit zu Tränen.

Die weltweite Faszination für koreanische Drama-Serien scheint ungebrochen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit K-Dramen möglicherweise auch einen Einfluss auf Medien in Nordkorea haben. Jüngste Beobachtungen lassen interessante Veränderungen bei einer aktuellen nordkoreanischen Fernsehserie erkennen.

Heute werfen wir einen Blick auf die Veränderungen bei nordkoreanischen Fernsehserien mit Lee Young-jong, dem Direktor des Zentrums für Nordkorea-Studien am Koreanischen Forschungsinstitut für nationale Strategie (Korea Research Institute for National Strategy). 

Im April begann im staatlichen nordkoreanischen Sender Korean Central Television eine neue Drama-Serie.

Die Fernsehserie mit dem Titel „Ein neuer Frühling in der Paekhak-Ebene“ dreht sich um einen neu ernannten Parteisekretär, der sich bemüht, die unterentwickelte ländliche Gemeinde des Dorfes Paekhak wiederzubeleben, das mit stagnierender landwirtschaftlicher Produktivität zu kämpfen hat. („Paekhak“ bedeutet Kranich.)

„Ein neuer Frühling in der Paekhak-Ebene“ läuft seit dem 16. April jeden Mittwoch. Es ist die erste neue Drama-Serie seit zwei Jahren, die im staatlichen Fernsehsender ausgestrahlt wird, was natürlich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht. Während in Südkorea in der Regel jede Woche mehrere neue Drama-Serien gezeigt werden, sieht die Fernsehlandschaft in Nordkorea anders aus.

Nordkorea produzierte in den 1990er Jahren unter der Herrschaft von Kim Jong-il, einem großen Liebhaber von Filmen und Fernsehserien, zahlreiche Fernsehdramen. Aber irgendwann kam die Produktion zum Erliegen. Sein Sohn und derzeitiger Staatschef Kim Jong-un hat den Schwerpunkt eher auf Musikaufführungen verlagert, wie das Beispiel der Band Moranbong zeigt, wodurch Fernsehserien etwas in den Hintergrund gerückt sind. Es ist daher verständlich, warum diese neue Serie für große Aufregung sorgt, da sie die erste große Fernsehserie seit „Memoirs of a Prosecutor“ im Januar 2023 ist.

Die neueste Fernsehserie sorgt für einiges Aufsehen.

Die Aufregung rührt von einer ungewöhnlichen Szene her, in der ein Ehemann mittleren Alters eine Schürze trägt und für Frau und Tochter das Essen zubereitet.

Die bedeutendste Veränderung spiegelt sich in den sich wandelnden gesellschaftlichen Trends wider. Konkret löst sich die Erzählweise von dem tief verwurzelten patriarchalischen Rahmen, der lange Zeit die Darstellung von Beziehungen dominiert hat. In früheren Dramen zeigte eine typische Szene einen Ehemann, der nach Hause kam und seiner Frau Befehle gab wie „Deck den Tisch!“ Dem liegt eine deutlich hierarchische Familiendynamik zugrunde. Was jedoch an diesem aktuellen Drama besonders auffällt, ist eine Szene, in der ein Vater mittleren Alters eine Schürze trägt und das Essen aus der Küche bringt. Darüber hinaus werden Ehemänner, die früher durch ihre strenge und dominierende Art gekennzeichnet waren, nun dargestellt, wie sie sich mit ihren Frauen in Gesprächen einfühlsam unterhalten und Zuneigung ausdrücken.

Nordkoreas Gesellschaft ist durch tief verwurzelte, patriarchalische Traditionen geprägt. Diese neue Darstellung eines Ehemanns stellt jedoch das traditionelle, autoritär-patriarchalische Stereotyp infrage.

Darüber hinaus sind romantische Handlungsstränge mit jungen Paaren gewagter und ungehemmter geworden.

Wenn eine attraktive Frau auftritt, nähert sich ein Mann ihr neugierig und zeigt selbstbewusst sein romantisches Interesse. Sie reagiert jedoch mit deutlichem Desinteresse. Solche Interaktionen gab es in alten Fernsehserien eindeutig nicht.

In südkoreanischen Seifenopern stehen oft menschliche Geschichten mit Themen wie Liebe und Freiheit im Mittelpunkt. Im Gegensatz dazu verfolgen nordkoreanische Fernsehserien einen anderen Erzählansatz, der sich in erster Linie darauf konzentriert, das Interesse auf die Revolution zu lenken, das öffentliche Bewusstsein zu wecken und das Regime zu stärken.

Nordkoreas Dramen behandeln in der Regel praktische Themen und beleuchten das Leben von Arbeitern und Bauern. Typischerweise drehen sie sich um einen revolutionären Protagonisten in Umgebungen wie Fabriken oder Kollektivfarmen, der Figuren konfrontiert und schließlich verändert, die dem sozialen Fortschritt entgegenstehen. Die Handlungsstränge gipfeln ausnahmslos darin, dass der Protagonist durch seine Führungsqualitäten Konflikte löst. Sie enden oft mit emotionalen und ideologischen Botschaften wie: „Lasst uns für unseren gütigen Führer die Produktivität steigern!“

Aufgrund dieser vorhersehbaren Erzählmuster werden nordkoreanische Fernsehdramen von Kritikern als formelhaft und wenig kreativ angesehen.

In Nordkorea haben Fernsehserien eine viel tiefgreifendere Funktion als nur Unterhaltung zu bieten.

Die meisten nordkoreanischen Fernsehdramen basieren auf wahren Begebenheiten. Die Hauptabsicht hinter diesem Erzählansatz ist es, ein Gefühl der kollektiven Verpflichtung zu fördern. Diese Dramen behandeln Themen wie den antijapanischen Revolutionskampf, glorifizieren den obersten Führer und den sozialistischen Aufbau und dienen als Instrument der ideologischen Erziehung und Propaganda.

Die derzeit ausgestrahlte Fernsehserie präsentiert jedoch ein deutlich anderes Bild als die Serien der Vergangenheit.

Die Serie zeigt Szenen, die in Nordkorea als peinlich empfunden werden. Beispielsweise bietet die Frau eines niederrangigen Beamten der Frau eines Parteifunktionärs in typisch nordkoreanischer Manier eine Gans als Bestechungsgeschenk an. Da Bestechungen jedoch als unerwünscht gelten, fehlten solche Szenen in früheren Fernsehserien weitgehend.

Diese Serie erzählt Geschichten, die bisher noch nicht behandelt wurden, wie zum Beispiel die Figur eines schwierigen und aggressiven Bauern, der zu viel trinkt und schläft und nicht zur Arbeit erscheint. Es zeigt auch gewalttätige Auseinandersetzungen, die die Zuschauer überraschen: „Wow, so etwas gab es in Fernsehserien noch nie!“ Solche Szenen tauchen in jeder Folge auf.

In den ersten Folgen kritisierte die Fernsehserie die grassierende Korruption und die bürokratischen Probleme, unter denen hochrangige Beamte leiden. Sie vermittelte die typische nordkoreanische Botschaft, dass echter Dienst an der Gemeinschaft von moralischer Integrität und aufrichtigem Mitgefühl abhängt.

Im weiteren Verlauf der Serie wurden jedoch zunehmend explizitere Dialoge und Darstellungen von Gewalt in die Erzählung integriert. Diese Elemente waren in früheren Fernseh-Produktionen kaum zu finden.

Die Figuren durchleben zunehmend aktuelle gesellschaftliche Trends, wie z.B. eine Ehefrau, die unbeirrt die städtische Ausbildung ihres Sohnes verfolgt, selbst wenn ihr Mann aufs Land versetzt wird. Die Handlung dreht sich nun um eine angehende Schwiegermutter mit Geld und beträchtlichem Einfluss dank ihres sozialen Status.

Die Mutter, Frau eines hochrangigen Beamten, konfrontiert die Freundin ihres Sohnes, eine Agrarforscherin, die seit vier Jahren eine feste Beziehung zu ihrem geliebten Sohn, einem Staatsanwalt, hat. Sie verlangt von der jungen Frau, die Beziehung zu beenden. Die einzige Motivation der Mutter liegt in der vermeintlichen sozialen Ungleichheit zwischen ihren Familien.

Derartige Szenen erinnern an klassische südkoreanische Melodramen. Etwa die typische Szene, in der eine wohlhabende Mutter aus der High Society die Freundin ihres Sohnes aus einfachen Verhältnissen konfrontiert und versucht, sie davon abzuhalten, Teil ihrer angesehenen Familie zu werden.

Auch die Art der Ausstrahlung ist bei dieser nordkoreanischen Fernsehserie unkonventionell.

Diese Fernsehserie kann als nordkoreanische Version von „Fields of Home“ angesehen werden, einer südkoreanischen Dramaserie, die für ihre realistische Darstellung des Lebens auf dem Land bekannt ist. Die nordkoreanische Serie ist eine Miniserie mit 20 Folgen, in denen soziale Spannungen in einer ländlichen Umgebung eingehend behandelt werden.

Einzigartig ist die konzentrierte Ausstrahlung, da zwei Episoden an einem Abend hintereinander gezeigt werden. Der Abspann enthält Angaben zu Sponsoren und Unterstützung und hebt hervor, dass die Dreharbeiten dank der Zusammenarbeit mit der Paekseok-Farm (백석) im Landkreis Sinchon (신천) in der Provinz Hwanghae ermöglicht wurden. Der Name der Farm wurde in Paekhak (백학) geändert, was der Serie eine zusätzliche kreative Note verleiht.

Im Abspann werden Drehorte sowie technische Details zur Produktion erwähnt. Auch der Regiestil und die Ausstattung sind bemerkenswert und machen diese Serie in vielerlei Hinsicht unkonventionell. Was hat die Produzenten also dazu motiviert, einen so innovativen Ansatz in Nordkorea zu wählen?

Zunächst einmal hat sich der Geschmack des nordkoreanischen Publikums weiterentwickelt. Seit den 1990er Jahren konzentrierten sich nordkoreanische Serien konsequent auf die Juche-Ideologie, auf revolutionäre Themen und die Verherrlichung der jeweiligen Staatsführer. Es überrascht daher nicht, dass das Publikum dieser Themen überdrüssig geworden ist. Nordkorea hat erkannt, dass interessante Inhalte die Zuschauer wirklich ansprechen müssen, damit Propaganda und ideologische Botschaften wirksam hängen bleiben.

Vor allem bei der jüngeren Generation besteht eine starke Faszination für Hallyu-Kulturinhalte, also die südkoreanische Popkultur. Viele junge Nordkoreaner übernehmen südkoreanische Sprach- und Modestile. Staatschef Kim Jong-un ist sich bewusst, dass das bestehende politische System untergraben werden könnte, wenn diese Trends ungehindert weitergehen.

Die Serie „Ein neuer Frühling in der Paekhak-Ebene“ soll das Interesse derjenigen Zuschauer wieder wecken, die sich von den altmodischen Fernsehdramen abgewendet haben.

Nordkorea scheint damit auch auf das Interesse der jüngeren Generation an südkoreanischen Fernsehserien zu reagieren, die seit Anfang der 2000er Jahre auf den inoffiziellen Märkten namens Jangmadang im Umlauf sind.

Südkoreanische Fernsehsendung (Moderator):
In einem BBC-Video wird gezeigt, wie nordkoreanische Teenager zu 12 Jahren Arbeitserziehung verurteilt wurden, was einer Freiheitsstrafe in Südkorea entspricht, weil sie südkoreanische Fernsehserien gesehen hatten.

Nordkorea hat 2020 das „Gesetz zur Ablehnung reaktionärer Gedanken und Kultur“ erlassen, um seiner Bevölkerung die südkoreanische Kultur vorzuenthalten. Aber vollständig verhindern lassen sich solche Inhalte nur durch Gesetze kaum.

Die Drama-Serie „Ein neuer Frühling in der Paekhak-Ebene“ spricht das Publikum mit seinem unverwechselbaren und fesselnden Erzählstil an. Aber es bleibt die Frage, ob sie auch bei den jungen Zuschauern Anklang finden kann.

Ich bezweifle, dass die jüngere Generation in Nordkorea dieses Maß an Dramatik spannend genug findet, um vor dem Fernseher zu bleiben. Junge Nordkoreaner sind bereits tief in südkoreanische Fernsehserien und Filme vertieft, die das Publikum weltweit in ihren Bann ziehen.

Nordkoreas Fernsehdramen müssten eigentlich grundlegend überarbeitet werden. Stattdessen konzentrieren sie sich vorwiegend auf Botschaften zur Steigerung der Produktivität, zur Lösung von Nahrungsmittelproblemen und zur Erfüllung von Arbeitsquoten – allesamt präsentiert als Mittel, um Dankbarkeit zu zeigen angesichts der Güte des Führers. Nicht viele junge Nordkoreaner werden sich mit solchen Erzählungen identifizieren können.

Daher glaube ich, dass ihr Einfluss begrenzt bleibt, solange das Regime nicht auf seine Atomwaffen verzichtet, sich nicht für eine wirklich transparente Gesellschaft öffnet und seine Fernsehserien und Filme nicht so umgestaltet, dass sie echte Liebe und authentische menschliche Erlebnisse darstellen.

Die Fernsehserie „Ein neuer Frühling in der Paekhak-Ebene“ zeigt ein authentisches Bild vom Leben auf dem Land in Nordkorea. Die Serie thematisiert die Korruption unter hochrangigen Beamten und die Gleichstellung der Geschlechter, behandelt Bildungsfragen und zeichnet ein realistisches Bild von Liebesbeziehungen.

Trotz der sich weiterentwickelnden Themen, Techniken und Sendepläne scheint eine grundlegende Veränderung allerdings schwer zu erreichen zu sein, solange nordkoreanische Fernsehserien weiterhin als Mittel zur Verbreitung ideologischer Botschaften und politischer Propaganda dienen.

Aktuelle Nachrichten