ⓒ KBS NewsIn Südkorea fällt die heißeste Zeit des Jahres in den Zeitraum von Ende Juli bis Anfang August. Viele Angestellte nutzen diese traditionelle Sommerurlaubszeit, um der Hitze zu entfliehen. Doch wie sieht es in Nordkorea aus? Wo verbringen Nordkoreaner die heißen Sommertage? In diesem Jahr zieht das neu eröffnete Küstenresort Wonsan-Kalma besondere Aufmerksamkeit auf sich. Was zeichnet dieses Reiseziel an der Ostküste Nordkoreas aus?
Gemeinsam mit Na Yong-woo, dem Leiter der Nordkorea-Forschungsabteilung des Nationalen Instituts für die Wiedervereinigung, werfen wir heute einen genaueren Blick auf diesen Badeort.
Nordkoreanische Staatsmedien bewerben das neue Resort, das am 1. Juli eröffnet wurde, mit großem Aufwand. Das Koreanische Zentralfernsehen lobte die Vorzüge der Zone, während die staatliche Nachrichtenagentur KCNA von einem „Touristenjuwel am Ostmeer“ sprach, das bereits am ersten Tag viele Besucher anzog. Die Parteizeitung „Rodong Shinmun“ widmete dem Ort am 3. und 4. Juli gleich zwei Titelgeschichten und bezeichnete ihn als „einzigartiges Reiseziel von weltweitem Rang“. Ein Grund für die mediale Aufmerksamkeit ist, dass das Projekt persönlich von Kim Jong-un vorangetrieben wurde.
Kim Jong-un kam durch dynastische Nachfolge an die Macht. Nach seiner Machtübernahme verfolgte Kim eine Politik der „parallelen Entwicklung“ von Wirtschaft und Atomwaffen. Obwohl der militärische Bereich Priorität hatte, betrachtete er die wirtschaftliche Erholung und die Verbesserung des Lebensstandards als zentrale nationale Aufgaben. Aufgrund der internationalen Sanktionen wandte er sich dem Tourismussektor zu, wozu er vermutlich auch durch seine Zeit als Schüler in der Schweiz angeregt wurde. Aus industrieller Sicht erfordert der Tourismus hohe Anfangsinvestitionen, kann aber langfristig stabile Einnahmen generieren. Das Wonsan-Kalma-Küstenresort war somit Kims erstes symbolträchtiges Tourismusprojekt.
Der rund vier Kilometer lange Strand von Myongsasipni besticht durch seinen feinen weißen Sand und eine landschaftlich reizvolle Kulisse mit leuchtend blühenden Apfelrosen. Bereits im Jahr 2014 erklärte Nordkorea das Gebiet offiziell zur „Internationalen Tourismuszone Wonsan-Kumgangsan“, mit dem Ziel, das Gebiet und die Region um das Kumgang-Gebirge zu einem globalen Reiseziel auszubauen. Nach dieser Erklärung investierte Kim Jong-un enorme Anstrengungen in den Bau der Wonsan-Kalma-Tourismuszone und hob sie sogar in seiner Neujahrsansprache 2018 hervor.
Trotz anfänglicher Pläne, das Projekt bis 2019 abzuschließen, verzögerte sich die Fertigstellung aufgrund von Sanktionen, der Corona-Pandemie und anderer Schwierigkeiten. Erst am 24. Juni dieses Jahres wurde das Resort offiziell eröffnet. Kim Jong-un besuchte die Anlage persönlich und äußerte sich zuversichtlich, dass Wonsan-Kalma ein weltweit bekanntes Touristen-, Kultur- und Freizeitzentrum werden werde.
Das Gebiet des heutigen Wonsan-Kalma-Resorts war früher ein bedeutender Marinestützpunkt und lange für die Öffentlichkeit unzugänglich. Aufgrund seines reichen touristischen Potenzials zeigte der Staatschef jedoch großes Interesse an dem Gebiet. Die Zone erstreckt sich als riesiger Küstenkomplex von etwa 5,5 Kilometern Länge entlang der Küste der Kalma-Halbinsel am Ostmeer. Laut nordkoreanischen Medien soll es Platz für rund 20.000 Gäste bieten und über Hotels, Sport- und Unterhaltungseinrichtungen sowie Serviceangebote verfügen. Damit will Nordkorea ein modernes All-inclusive-Reiseziel schaffen.
Die Hafenstadt Wonsan, Heimatstadt Kim Jong-uns, wird als kulturelles Zentrum mit touristischem Potenzial hervorgehoben. Bereits während der japanischen Kolonialzeit galten die Badestrände Songdowon und Myongsasipni in Wonsan als beliebte Urlaubsziele. Weitere Sehenswürdigkeiten wie das Felsenriff Chongseokjeong oder bizarre Küstenformationen ergänzen das Angebot. Nach über zehn Jahren Entwicklungszeit ist dort nun ein großflächiges Küstenresort entstanden. Ein offizieller Touristenplan nennt sechs große Hotels, 37 Pensionen, ein 4D-Kino, Unterhaltungsangebote sowie Restaurants und Geschäfte – darunter auch eine Filiale des bekannten Okryugwan-Restaurants. Diese Ausstattung zeigt klar, dass das Resort auch auf internationale Besucher ausgerichtet ist.
Nordkorea erkennt den wirtschaftlichen Nutzen des Tourismus und betrachtet die Anwerbung ausländischer Besucher als zentrales Ziel seiner Tourismuspolitik. Bei der Eröffnungsfeier des neuen Küstenresorts im Juni war neben der nordkoreanischen Führung auch der russische Botschafter in Pjöngjang, Aleksandr Matsegora, sowie weitere russische Diplomaten anwesend. Das deutet klar darauf hin, dass Nordkorea gezielt russische Touristen ansprechen will. Die russische Reiseagentur Vostok Intur hat bereits ein Pauschalangebot für Juli und August vorgestellt. Dieses beinhaltet für 1.840 US-Dollar pro Person den Flug von Pjöngjang nach Wonsan, vier Übernachtungen im Resort sowie einen Ausflug ins Skigebiet Marikryong.
Nordkorea bemüht sich aktiv um touristische Einnahmen, da diese eine wichtige Devisenquelle darstellen - und das unter Umgehung internationaler Sanktionen.
Bei der Eröffnungszeremonie des Wonsan-Kalma-Resorts am 24. Juni empfing Kim Jong-un, begleitet von seiner Tochter Ju-ae, den russischen Botschafter. Am 12. Juli traf er sich in Wonsan auch mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow, der sich beeindruckt vom Resort zeigte und Unterstützung bei der Anwerbung russischer Touristen zusagte. Zwar berichten nordkoreanische Medien aktuell, dass das Land noch keine ausländischen Touristen aufnimmt, doch vieles deutet darauf hin, dass zunächst Besucher aus Russland, später dann aus China und möglicherweise auch aus westlichen Ländern angepeilt werden. Das neue Resort richtet sich jedoch nicht ausschließlich an ausländische Gäste.
Im August 2023 verabschiedete Nordkorea ein Tourismusgesetz. Artikel 3 sieht vor, sowohl den Inlandstourismus als auch die Aufnahme internationaler Touristen zu fördern. Damit erhalten nun auch nordkoreanische Bürger Zugang zu innerstaatlichen Reiseangeboten. Dieses „zweigleisige“ Modell verfolgt mehrere Ziele: Einerseits soll privates Bargeld in staatliche Kanäle umgeleitet werden, um finanzielle Engpässe zu lindern. Andererseits soll sozialer Unmut über die während der Pandemie verhängten Reisebeschränkungen abgebaut werden. Zudem soll das neue Resort als Prestigeobjekt nationalen Stolz wecken und die Loyalität der Bevölkerung stärken.
Seit Beginn von Kim Jong-uns Regierungszeit bemühte sich Nordkorea vor allem darum, ausländische Touristen ins Land zu holen. Aufgrund von Sanktionen und der pandemiebedingten Abschottung liegt der Fokus inzwischen jedoch stärker auf dem Inlandstourismus. Im nordkoreanischen Fernsehen werden Bilder gezeigt, die Einheimische bei Wassersportaktivitäten im Wonsan-Kalma-Resort zeigen – ein Instrument der Propaganda.
In Nordkorea ist die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Zwar garantiert die Verfassung nominell das Recht auf Freizügigkeit, doch Reisen innerhalb des Landes sind nur mit Genehmigung der Behörden möglich. Daher ist fraglich, ob Nordkoreaner wirklich im Sinne echter touristischer Freiheit reisen können. Trotz der strikten Reisebeschränkungen wird weiter an neuen touristischen Projekten gearbeitet, denn der Tourismus ist für das Regime ein wirtschaftlicher Ausweg und zugleich ein Mittel zur Machterhaltung.
Kim Jong-un konzentriert sich auf drei zentrale Tourismusregionen: Samjiyeon, Wonsan und Pjöngjang. Während Wonsan das maritime Zentrum bildet, soll Samjiyeon, das am heiligen Baekdu-Berg liegt, zu einem ganzjährigen Angebot für den Gebirgstourismus ausgebaut werden. Es entstehen verschiedene Zonen: ein Kombikomplex für Bergtourismus, ein Gebiet für das ganze Jahr sowie ein kultureller Bereich um den Baekdu-Berg. Bestehende Unterkünfte werden modernisiert, und es werden neue touristische Angebote erschlossen. So soll Samjiyeon zu einem weiteren Kerngebiet des nordkoreanischen Tourismus werden.
Samjiyeon in der Provinz Ryanggang ist für Nordkorea ein ideologisch stark aufgeladener Ort. Dort soll Kim Il-sung gegen die japanische Kolonialherrschaft gekämpft haben, und auch Kim Jong-il soll dort geboren worden sein, so die offizielle Darstellung.
Das Hochlandgebiet am Baekdu-Berg inspirierte zum Lied „Das erste Haus unter dem Himmel“. Der Ort gilt als Eingangstor zum heiligen Weg. Mit Sehenswürdigkeiten wie dem Wasserfall Rimyongsu oder den urwüchsigen Birkenwäldern bietet Samjiyeon viel landschaftlichen Reiz. 2015 ordnete Kim Jong-un an, die Region zu einer besonderen Tourismuszone auszubauen. Seither wird Samjiyeon als bedeutendes Tourismusziel im Gebirge entwickelt. Nordkoreas Politik zur Wiederbelebung des Tourismus ist jedoch in Wirklichkeit ein zweischneidiges Schwert.
Nordkorea möchte durch Tourismus wirtschaftliche Vorteile erzielen, steht dabei aber vor einem Dilemma. Je mehr ausländische Touristen ins Land kommen, desto häufiger kommt es – trotz staatlicher Trennungspolitik – zu Kontakten mit Einheimischen. Dadurch gelangen ausländische Informationen ins Land, während gleichzeitig Informationen über die realen Umstände in Nordkorea nach außen dringen. Für ein Regime, das solche Informationsflüsse fürchtet, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Öffnung und Kontrolle, das schwer aufzulösen ist.
Im Jahr 2019, kurz vor der Corona-Pandemie, reisten rund 300.000 ausländische Besucher nach Nordkorea. Die daraus resultierenden Deviseneinnahmen lagen schätzungsweise zwischen 90 und 150 Millionen US-Dollar. Trotz der damit verbundenen wirtschaftlichen Hoffnungen birgt der Tourismussektor politische Risiken. So nahm Nordkorea im Februar erstmals wieder Gruppentouren in die Sonderwirtschaftszone Rason auf. Nachdem jedoch ausländische Gäste Bilder veröffentlicht hatten, die einen niedrigen Lebensstandard erkennbar machen sollten, wurde das Programm abrupt eingestellt. Nordkorea befindet sich damit in einem Spannungsfeld. Wie weit kann es sich öffnen, ohne die Kontrolle zu verlieren?
Frühere Projekte wie das Kumgang-Gebiet oder das Kaesong-Industriegebiet basierten auf südkoreanischen Initiativen. Im Gegensatz dazu wurde das Wonsan-Kalma-Resort vollständig von Nordkorea geplant, gebaut und betrieben – ein Testfall für eine selbstgesteuerte Öffnung. Die Führung dürfte die Erfahrungen aus diesem Projekt nutzen, um in weiteren Regionen Tourismusangebote zu entwickeln. Eine umfassende Öffnung bleibt jedoch unwahrscheinlich. Das Regime erkennt zwar das wirtschaftliche Potenzial, wird aber weiterhin versuchen, äußere Einflüsse strikt zu kontrollieren.
Auf Basis der Erfahrungen mit dem Wonsan-Kalma-Resort arbeitet Nordkorea derzeit an einem Plan, der beim Parteikongress im nächsten Jahr verabschiedet werden soll. Ziel ist es, weitere großflächige Tourismus- und Kulturzonen im Land zu errichten. Dabei geht es nicht nur um die Umgehung wirtschaftlicher Sanktionen, sondern auch um eine strategische Weichenstellung: Wird sich Nordkorea – trotz umfassender Überwachung und Kontrolle – wirklich öffnen können? Oder bleibt es, wie das Sprichwort sagt, ein Frosch im Brunnen, der nur seinen eigenen Horizont kennt? Die weitere Entwicklung in Wonsan wird als Testfall genau beobachtet werden.