Schritte zur Wiedervereinigung

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Schritte zur Wiedervereinigung

Stadtentwicklung in Nordkorea unter Kim Jong-un

2024-01-03

ⓒ Getty Images Bank
Im Jahr 2013 hielt der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un einen eher ungewöhlichen Vortrag für die Beschäftigten im Bauwesen: 

Lasst uns in ein großartiges Zeitalter des Wohlstands im Bauwesen treten, indem wir die Selbstbestimmungsideologie der Partei in der Architektur umsetzen. Das ist der Kampfslogan, dem die Arbeiter im Baubereich heutzutage folgen sollten. 

In seiner Neujahrsansprache im darauffolgenden Jahr sprach Kim über die Entwicklung der Bauindustrie als eine der drei großen Aufgaben für die Wirtschaft des Landes: 

Der Bau ist eine wichtige Front, die die Grundlage für eine starkes und wohlhabendes Land bildet und das Fundament für das Glück der Menschen schafft. Wir sollten viele Weltklasse-Gebäude bauen, die die Militär-Zuerst-Ära repräsentieren und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen beitragen. 
 
Nordkoreanische Städte haben laut Experten zahlreicher Veränderungen durchlaufen, seit Kim an der Macht ist. Beim achten Kongress der Arbeiterpartei 2021 kündigte Nordkorea einen Plan an, um 50.000 neue Wohnungen zu bauen. Das Projekt läuft noch immer. Die Songhwa-Straße etwa wurde im April 2022 fertiggestellt, und sie ist inzwischen eine Sehenswürdigkeit von Pjöngjang. Die nordkoreanischen Medien beschreiben das Bauprojekt als Errungenschaft des Machthabers. Es symbolisiere eine neue Ära. Zum Thema sagt die Nordkorea-Forscherin Park So-hye in Südkorea:

In den frühen Jahren seiner Herrschaft sammelte Kim Jong-un Bauarbeiter um sich und verkündete eine Richtschnur in Form eines Briefs. Zehn Jahre später verkündete er eine weitere Richtschnur für Beschäftigte im selben Bereich. In beiden ruft er das Land dazu auf, die Bauindustrie zu fördern, um das Staatsziel zu erreichen, eine starke und zivilisierte Nation aufzubauen. In den Anfangsjahren erwähnte Kim Gebäude, die dem Gedenken der früheren Machthaber gewidmet sind, wie etwa den Kumsusan-Palast der Sonne oder das Siegreiche Kriegsmuseum. Später jedoch sprach er über neue Straßen in Pjöngjang, einen Wasserpark, ein Ski-Resort, große Treibhäuser und Landwirtschaftsbetriebe. Der Fokus lag auf der wirtschaftlichen Erneuerung durch die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Selbstbestimmung. Nordkoreanische Städte wurden im Einklang mit sozialistischen Prinzipien geplant und aufgebaut. Kapitalistische Länder tendieren dahin, ihre Stadt-Landschaft unter Berücksichtung des Kapitalgewinns zu formen, während sozialistische Städte dazu neigen, eine städtische Umgebung auf einer Linie mit den nationalen Plänen zu schaffen. Daher ist die Entwicklung einer sozialistischen Stadt eine Manifestation der staatlichen Führungsstrategie. 

Für die Expertin Park werden Wissenschaft, Zukunft und Umwelt in Nordkorea als Schlüsselausdrücke, die den Städtebau unter Kim Jong-un erklären sollen. Erstens, die Namen der neuen Straßen und Wohnungen zeigen, wie hoch Nordkorea die Wissenschaft schätzt. Ein Wohngebiet etwa, das 2013 fertiggestellt wurde, heißt “Unha-Straße der Wissenschaftler“. Später baute Nordkorea “Apartments für Erzieher und Wissenschaftler der Kim-Il-sung-Universität” und „Apartmenthäuser für Erzieher der Kim-Chaek-Universität für Technologie“. Andere Projekte sind der Wisong-Wohnbezirk für Wissenschaftler und die Mirae-Straße für Wissenschaftler. Im Jahr 2022 stellte Nordkorea luxuriöse, terrassierte Wohnungen entlang des Flusses Pothong in Pjöngjang fertig. Kim Jong-un kündigte an, er werde die Wohnungen als Geschenk an Bürger einschließlich Wissenschaftler geben, die sich um das Land verdient gemacht hätten:

Offiziell werden nordkoreanische Wohnungen nicht von Einzelpersonen gehandelt, sondern durch den Staat vermittelt. Die Zuteilung ist im Wohnungsgesetz festgeschrieben. Nach dem Gesetz werden Wohnungen vorzugsweise an revolutionäre Kämpfer, Kriegshelden, Wissenschaftler, technische Experten, Personen mit bestimmten Verdiensten und Arbeitsinnovatoren vergeben. Der Staat gewährt eine Vorzugsbehandlung für solche Menschen, die dann in den besten, neuesten Wohnungen in Pjöngjang leben. 

Die Gebäude, die mit den Wissenschaften verbunden sind, lenken besondere Aufmerksamkeit auf sich. Im Januar 2016 gab es eine Zeremonie zur Fertigstellung des sogenannten Sci-Tech-Komplexes auf der Insel Ssuk auf dem Taedong-Fluss in Pjöngjang. Kim nahm daran teil. Nordkorea präsentierte 2016 beim siebten Parteikongress „Wissenschaft und Technologie“ als die Vision für die Zukunft. Die Neubauten unter Kim Jong-un sollen diese Vision nachbilden: 

Nordkorea hat sich das nationale Ziel gesetzt, eine Wissenschafts- und Technologie-Macht zu werden. Nordkorea glaubt, dass es nötig ist, talentierte Personen für sein eigenes Überleben zu fördern, weil es dem Land an Ressourcen mangelt und weil es schwierig ist, wegen der Sanktionen internationale Kooperationen einzugehen. Die Betonung von Wissenschaft und Technologie steht auch im Einklang mit globalen Trends. Nordkorea hat sogar ein Gesetz für Wissenschaft und Technologie verabschiedet. 

Das koreanische Wort für Zukunft, “Mirae”, wird in Nordkorea oft für Namen von Instituten und Wohnkomplexen verwendet. So wurde die Mirae-Straße für Wissenchaftler 2015 gebaut. „Miraewon” ist auch der Name für elektronische Bibliotheken, die im ganzen Land verbreitet sind. Kim legte schon früh den Fokus insbesondere auf künftige Generationen, was auch an seinen Besuchen von Kindergärten und am Bau des Waisenhauses und des Baby-Hauses in Pjöngjang abgelesen werden kann:

Bei einem der Projekte in den Anfangsjahren seiner Herrschaft wies er Beamte an, die Bedingungen für Schüler-Paläste in den Städten und Provinzen zu überprüfen und sie nötigenfalls zu renovieren. Mit anderen Worten, der Machthaber schenkte der Bildung und der Wohlfahrt für die neue Generation seine Aufmerksamkeit. Auch betonte er wiederholt, wie wichtig die Kang-Pan-sok-Revolutionsschule ist, und sagte darüber, dass sie ein Ort für die Weiterbildung großer Talente für die Zukunft ist. Neben dem Bau von Einrichtungen für Kinder und Schüler sandte der Machthaber auch viele junge Leute auf Baustellen. Er besuchte etwa die Baustelle des Junghelden-Kraftwerks am Paektu-Berg und sprach über das „Mythos einer heroischen Jugend“. 

Das Masikryong-Skiresort, das in nur acht Monaten aus dem Boden gestampft wurde, gilt als eine der größten Errungenschaften während der Regierungszeit Kim Jong-uns. An der Baustelle wurde der Slogan „Masikryong-Tempo” erfunden. Später erschien der Slogan “Joseon-Tempo”. In Nordkorea steht “Joseon” für Korea. Die Regierung betonte immer wieder, dass es dank “Joseon-Tempo“ nur zwei Monate gedauert habe, um eine Fischereianlage zu bauen, die Unterkünfte, eine Lounge sowie Wellenbrecher umfasst. Nordkorea betont sogenannte Tempo-Kämpfe an zahlreichen Baustellen. Diese Tempo-Kämpfe stehen für Nordkoreas Produktivitätskampagnen, deren Ziel es ist, Arbeiter zu mobilisieren, um wichtige Projekte in möglichst kurzer Zeit umzusetzen:

Nordkorea gebraucht Slogans, die das Wort „Tempo“ beinhalten, für dringende Projekte. Nordkorea will einen dramatischen Effekt erzielen, indem es die benötigte Zeit für die räumliche Transformation im Städtebau verringern will. Ein nordkoreanischer Artikel beschreibt die Tempo-Kämpfe als erstaunliche Realität, in der alles sehr schnell verwandelt wird und zehn Jahre auf ein Jahr verkürzt wird. Der Artikel sagt, dass Nordkorea den Zeitplan für eine starke und wohlhabende Nation durch Tempo-Schlachten vorantreiben kann. 

Das Schlüsselwort “Umwelt” im Bauwesen unter Kim Jong-un bezieht sich auf die Ästhetik des Städtebaus. Das schließt auch etwa Nachtausblicke oder Nachtansichten ein, die eine Szenerie selbst im Dunkeln freigeben. Die Staatsmedien stellten in einer Serie die Nachtansicht der Ryomyong-Straße vor, die das Regime auf der Grundlage einer Tempo-Kampagne erbaut hat:

Im Städtebau betont Nordkorea die Umwelt. Das Gesetz zur Verwaltung der Stadt Pjöngjang sieht die Schaffung von nächtlichen Ausblicken auf Pjöngjang vor. Eine der Strategien des Landes ist es, Nachtansichten der Stadt in ansprechender Weise zu kreieren, sodass die Hauptstadt einer starken Nation davon profitieren kann. Seit 2017 hat Nordkorea feierliche Aufführungen zum Mondneujahrstag in der Nacht veranstaltet, um die Aufmerksamkeit auf die wunderbaren Nachtansichten der Stadt zu lenken. Zuletzt hielt Nordkorea eine Militärparade, die die Verteidigungskapazitäten demonstrieren sollte, ebenfalls in der Nacht ab. Die helle Beleuchtung bei Nacht sollte auch der Absicht entsprechen, die Zukunft des Landes oder des Machthabers zu symbolisieren. Die intensive rote Beleuchtung konnte auch als Symbol der Nukearstreitmacht gesehen werden. Nordkorea war einst Gegenstand des Spotts, weil Satellitenfotos von der Erde zeigten, dass das Land in der Nacht komplett dunkel war. Ein anderer Zweck für die Schaffung von Nachtansichten ist es, der Außenwelt zu zeigen, dass das Land keine Stromknappheit erlebt. 

Für Nordkoreas Städtebau bedeuted die Umwelt zugleich Umweltfreundlichkeit. Bei der Vorstellung der Ryomyong-Straße in Pjöngjang beschrieben sie die einheimischen Medien als Straße, in der aktiv die Solarenergie und Isolierungstechnik für Hochhäuser eingesetzt würden. Kim Jong-un betont, „grüne Architektur“ helfe der Gesundheit der Bürger und der Umwelt weltweit:

Ich denke, Nordkorea betont grüne Architektur, weil die Probleme für den durch die internationalen Sanktionen erschwerten Energie-Import die Notwendigkeit einer energiesparenden Architektur erfordert. Auch will Nordkorea den Klimawandel in der strategischen Absicht bekämpfen, sich als normaler Staat darzustellen. Es ist darüber hinaus eine ökofreundliche Politik, die eine zivilisierte Macht sichtbar machen soll. Die Baupolitik des Landes berücksichtigt die Wiederherstellung der Wälder und eine grüne Umwelt. Der Schwerpunkt liegt auf Recycling und die Schaffung weiterer Parkanlagen, Wälder und Gärten. Nordkorea hat ein Gesetz über den Landschaftsbau verabschiedet mit dem Ziel, das Land zu einem zivilisierten sozialistischen Traumland zu machen.

Unter Kim Jong-un baute Nordkorea eine Reihe von sehr hohen Wohnhäusern in Pjöngjang, was die Skyline der Stadt verändert hat. Die städtischen Veränderungen scheinen als Barometer für die herrschende Strategie der Regierung zu dienen.

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