Schritte zur Wiedervereinigung

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Schritte zur Wiedervereinigung

Wie sich die Märkte in Nordkorea geändert haben

2022-02-23

ⓒ KBS

Die Märkte in Nordkorea sind seit 1945 trotz der Unterdrückung durch die Regierung gewachsen. Sie wurden schließlich 2003 als “allgemeine Märkte” legalisiert. Jetzt, fast 20 Jahre später, gibt es mehr als 400 Märkte in Nordkorea. Sie bilden eine wichtige Grundlage für die einheimische Wirtschaft. Über die Veränderungen, die das sozialistische Land durch die Märkte erfahren hat, haben wir mit dem Forscher Hong Min vom Korea-Institut für Nationale Vereinigung gesprochen: 


Für die Nordkoreaner waren Märkte neue Orte, die sie vorher noch nicht gesehen hatten. Vor dem Auftauchen der Märkte verbrachten sie ihre Zeit in Schulen, an den Arbeitsplätzen, in Gruppen oder zuhause, wo man sich kannte. Die Märkte waren die ersten anonymen Orte. Die Einheimischen konnten dort ihre Bedürfnisse und Wünsche zum Ausdruck bringen. Für die jungen Menschen waren die Märkte populäre Orte, wo sie sich zu einem Date verabredeten. Kinder spielten mit Freunden und hatten Spaß auf den Märkten. Die Nordkoreaner betrachteten Märkte als interessante Orte des Konsums und der Kultur, wo sie nicht erkannt wurden. Die Märkte waren auch Orte, an denen sich neue Trends entwickelten. Die Sachen, mit denen auf den Märkten gehandelt wurde, zeigten die Unterschiede zwischen den Schichten. Wenn die Menschen bestimmte Dinge auf den Märkte zeigten, bedeutete das, dass sie entweder zur oberen oder unteren Schicht gehörten. Die Märkte wurden zu Bereichen von großer kultureller Bedeutung. 


Die Märkte expandierten in Nordkorea, was ihre Größe betrifft. Aber auch das Marktsystem veränderte sich: 


Abgesehen von den typischen Marktaktivitäten, wie Dinge an den Ständen verkaufen und kaufen, betätigten sich die Nordkoreaner auch in anderen Aktivitäten, wie etwa Großhandelsware einkaufen und die Waren im Kleinhandel mit Gewinn verkaufen oder auch Waren liefern. Es tauchten Mittelsmänner und Lieferanten als Marktteilnehmer auf. Die Märkte waren nicht mehr nur ein Ort für Warentransaktionen zwischen wenigen Menschen, sondern sie entwickelten sich zu einer systematischen Struktur. 


Früher waren Handelsaktivitäten in Nordkorea illegal. Es gab keine Händler. Doch die Situation änderte sich nach dem Auftauchen der allemeinen Märkte. Sie sorgten dafür, dass eine neue wohlhabende Schicht entstand: die Donju: 


Die Donju-Schicht entstand vor dem Hintergrund der ernsthaften Nahrungsknappheit in den 1990er Jahren, als die Nordkoreaner schrittweise lernten, mit Waren auf den Märkten zu handeln. Einige betrieben sogar ein Kreditgeschäft, obwohl dieses noch klein war. Durch die Verteilung von Gütern in den verschiedenen Regionen kamen die Leute zu Wohlstand. Sie verdienten ihr Geld nicht durch die Produktion oder durch den Verkauf von Dingen, sondern durch die Handelsspanne oder das Handelskapital. 


Während die Märkte sich ausdehnten, wurden die Händler in Groß- und Kleinhändler unterteilt, während sich die Tätigkeiten der Marktteilnehmer erweiterten. Die Donju investierten besonders viel in die Lagerung:


Die Donju taten sich mit Menschen zusammen, die Macht hatten, und konzentrierten sich auf das Lagerungsgeschäft. Sie lagerten Waren ihn ihren Wohnungen in der Nähe der Märkte und nahmen hohe Gebühren von den Händlern ein. Sie machten mit dem Geschäft einfaches Geld. Für das lukrative Geschäft mieteten einige von ihnen Wohnungen in der Nähe der Märkte. Einige bauten sogar ein Lagerhaus. 


Mit mächtigen Leuten im Hintergrund häuften die Donju immer mehr Kapital an. Nachdem sie in den Hausbau investierten, verdienten sie sogar noch mehr. Die Händler strebten nach Handelskapital auf Margenbasis, das zu Produktiv- oder Industriekapital wurde:

 

Indem sie ihre Beziehungen zu den Mächtigen spielen ließen, wandten sich die Donju dem Wohnungsbau zu, um vom Bauboom zu profitieren, der nach der Machtübernahme durch Kim Jong-un Anfang der 2010er Jahre etwa zehn Jahre andauerte. Weil die Wohnungspreise in die Höhe schnellten, verdienten diejenigen, die früh investiert hatten, viel Geld. Auf der Basis des Kapitals, das sie sich durch das Baugeschäft sicherten, begannen sie, Fabriken zu errichten, um Produktivkapital anzuhäufen. Sie kauften Maschinen und Materialien aus China und bauten Fabriken, um lokal zu produzieren. Nachdem sie die Genehmigung durch die Regierung erhielten, verkauften sie ihre Produkte und wurden zu produktiven Kapitalisten. Früher handelten die Nordkoreaner mit Dingen auf den Bauernmärkten in den kleinen Dörfern. Später tauchte im geringen Umfang Handelskapital auf, das immer größer wurde. Das wurde schließlich zu Bau- oder Produktivkapital. Selbst der Staat kann die Kapitalisten nicht mehr einfach kontrollieren. 


Die Verbreitung der privaten Märkte, oder Jangmadang, förderte das Wachstum der Donju. Laut Daten, die der südkoreanische Geheimdienst vor einigen Jahren veröffentlichte, gab es 240.000 Donju in Nordkorea, die zwischen 50.000 und 100.000 Dollar oder mehr besaßen. Es gibt allerdings keine genauen Daten darüber:


Die Kapitalisten in Nordkorea werden mit jedem Tag reicher. Um 2002 galten diejenigen als sehr reich, die in Wohnungen im Wert von 10.000 Dollar wohnten. Die Apartments befanden sich vor allem in den Handelszentren, wo sich die Geldwechsler betätigten. Einige Jahre später erhöhten sich die Wohnungspreise auf 40.000 bis 50.000 Dollar. Während des Baubooms in den 2010er Jahren wurden 100.000-Dollar-Apartments von der Mittelklasse bewohnt. Wohnungen im Wert von 150.000 bis 200.000 Dollar befinden sich im Zentralbezirk von Pjöngjang. Die meisten Inhaber dieser teuren Wohnungen stehen oben in der Donju-Liste. Sie lassen sich Korridore in Marmor verlegen, ziehen Hunde auf und zahlen Privatlehrer für ihre Kinder. Solche mit einem schönen Auto und einer Wohnung von 100.000 Dollar oder mehr werden der Donju-Mittelklasse zugerechnet. 


Der wachsende Einfluss der Donju ist überall in der nordkoreanischen Gesellschaft zu spüren, speziell in der privaten Finanzierung. Die Donju spielen die Rolle einer Bank in Nordkorea, wo es keine privaten Banken gibt. Bis in die 90er Jahre bestand der Geldmarkt weitgehend aus Geldwechsel und Wuchergeschäften. Heutzutage engagieren sich die Donju im Kreditgeschäft, in Unternehmensinvestitionen, im Geldtransfer und selbst in grenzübergreifenden Überweisungen zwischen Einzelpersonen und Unternehmen. Dank ihres Kapitals durch die privaten Finanzgeschäfte investieren die Donju in verschiedene Bereiche einschließlich des Transportwesens. In den meisten Fällen erhalten Personen eine Geschäftsgenehmigung und kaufen Fahrzeuge für das Transportgeschäft:


Die Märkte tauchten überall in Nordkorea auf. Im landesweiten Marktnetzwerk sollten die Preise für Reis in den Grenzstädten so hoch sein wie in den anderen Städten. Das heißt, die Produkte sollten zu Marktpreisen auf stabile Weise vertrieben werden. Die Donju leisteten einen großen Beitrag dazu, indem sie neue Transportmittel einführen, mit denen die Waren schnell verteilt werden. Das veraltete Eisenbahnnetz in Nordkorea konnte den Bedarf der Märkte nicht decken. Die Märkte funktionierten wegen der schlechten Transportinfrastruktur nicht richtig. Die Donju lösten das Problem. Sie baten die Regierung, ihnen die Managementrechte zu geben, und schlugen die Öffnung einer Route zwischen Haeju und Sariwon vor. Sie kauften gebrauchte Busse aus China und betrieben sie, um Güter auf der neuen Route zu transportieren. Die Unternehmen waren bereit, eine Gebühr zu entrichten, um den schnellen Transportservice zu benutzen. Mehr Fahrzeuge einschließlich Taxis und Lastwagen wurden für den Transport genutzt, und die Transportwege wurden erweitert, um ein landesweites Verteilungsnetz aufzubauen. Der Transport bezog auch Lagerung und Arbeiter ein, die Waren trugen. 


Unter Machthaber Kim Jong-un führte Nordkorea einige marktfreundliche Maßnahmen ein, um die Investitionen der Donju offiziell und inoffiziell zu fördern. Durch die Umsetzung des sogannten “sozialistischen Systems für verantwortungsvolles Management” garantierte der kommunistische Staat größere Autonomie für Unternehmen und Organisationen. Nordkorea änderte das Unternehmensgesetz 2014, um Einzelpersonen zu erlauben, in Unternehmen zu investieren:


Kim Jong-un stand vermutlich unter großem Druck, um bedeutungsvolle Ergebnisse vorzuweisen und seine Führungsmacht zu demonstrieren. Doch war es schwierig, das auf der Grundlage der Staatsfinanzen zu erreichen. Der Machthaber hatte einen “Wahl- und Konzentrations-“Ansatz. Nordkorea pumpte Geld in Projekte, die ein sichtbares Resultat zeigten, wie etwa der Bau der Ryomyong-Straße in Pjöngjang, und erlaubte es Privatinvestoren, Wohnungen und Kultureinrichtungen zu bauen, und erteilte ihnen das Recht, sie parzellenweise zu verkaufen. Die Ergebnisse der privaten Investitionen wurden der Obersten Volksversammlung als Errungenschaft der Regierung vorgelegt. Kim Jong-un erreichte dies, indem er private Investitionen anzog, die als Katalysator für die weitere Expansion der Märkte dienten. 


Im Einklang mit der Entwicklung der Märkte und dem Auftauchen der Donju verschärfte sich wegen der Einkommensunterschiede die wirtschaftliche Polarisierung in Nordkorea. Die Märkte waren jedoch zwefelsohne der Startpunkt einer Marktwirtschaft im kommunistischen Nordkorea, und sie dienten als wichtiger Kanal, über den Produkte und Kultur von außen ins Land kamen. Derzeit sind die Märkte jedoch von den internationalen Sanktionen und der Grenzschließungen wegen der Covid-19-Pandemie betroffen:


Von Mitte der 1990er Jahre bis 2015 nahm Nordkorea die Handelsspanne von chinesischen Importen. Die nordkoreanischen Märkte hingen vollständig von den Importen aus China ab. Seit 2015 jedoch erhöhte sich der Anteil der einheimisch produzierten Güter. Kim Jong-un glaubt, dass es wichtig ist, Fabriken zu betreiben, selbst wenn das mit privaten Investitionen erfolgt. Nordkorea betont nun die Notwendigkeit, Dinge lokal zu produzieren und zu verkaufen, obwohl Rohmaterialien und Ausrüstungen aus China importieren werden. Auch ruft es dazu auf, so viele einheimische Materialien zu produzieren wie möglich. Der Handel mit China wurde wegen der Pandemie ausgesetzt, deshalb denke ich, dass die nordkoreanische Führung die Notwendigkeit spürt, mehr Güter im eigenen Land zu produzieren, und die lokalen Märkte für das wirtschaftliche Wachstum angemessen zu kontrollieren. 


Die Märkte halten die nordkoreanische Wirtschaft am Laufen. Das Land sollte mit einer Marktwirtschaft koexistieren. Weil sich die interne und externe Situation verschlechtert, bleibt abzuwarten, wie die Märkte die nordkoreanische Gesellschaft verändern.

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