Schritte zur Wiedervereinigung

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Schritte zur Wiedervereinigung

Märkte in Nordkorea

2022-02-16

ⓒ YONHAP News

Es wird gesagt, dass es auf den privaten Märkten in Nordkorea, den Jangmadang, so ziemlich alles gibt außer einem “Katzenhorn”. Das heißt, man kann alles finden, soweit es existiert. Ohne die Jangmadang würde es den Menschen in dem abgeschotteten Land vermutlich noch schlechter gehen. Jangmadang werden mit Schwarzmärkten verbunden, die in Nordkorea während der extremen Wirtschaftskrise in den 1990er Jahren auftauchten. Die Bewohner tauschten Waren auf den Märkten, bevor diese Anfang der 2000er Jahre offiziell gebilligt wurden. Über die Jangmadang sagt der Forscher Hong Min vom Korea-Institut für Nationale Vereinigung:


Das Wort Jangmadang bedeutet wörtlich Marktplatz oder Marktgelände. Jetzt hat es eine umfassendere Bedeutung, es deutet einen Ort für den Tausch von Dingen, die Warenverteilung und selbst Markttransaktionen über Computer an. Grundlegend ist der Jangmadang ein bedeutungsvolles Symbol für das Auftauchen des Markts im kommunistischen Nordkorea. 


Die nordkoreanische Wirtschaft wurde unter einem System der zentralen Planung und staatlichen Rationierung betrieben. Der Staat kontrollierte die Produktion und die Verteilung sämtlicher Produkte, von landwirtschaftlichen Produkten bis zu industriellen Erzeugnissen. Die Produkte wurden von staatlichen Läden aus verteilt. Nahrungsmittel und industrielle Güter bildeten die Basis für das staatliche Rationierungssystem, Einzelpersonen wurde der Handel mit ihnen verboten. Doch die Bauernmärkte waren eine Ausnahme: 


Vor den 90er Jahren öffneten die Bauernmärkte in den kleinen Dörfern. Die älteren Dorfbewohner verkauften Gemüse, das sie in den Familiengärten anbauten. Auch Getreide und Lebensmittel, die nicht vom Staat kamen, wurden dort gehandelt. Der Staat erlaubte den Betrieb dieser lokalen Märkte, die anders waren als kapitalistische Märkte. Die Bewohner sahen in ihnen eher einen Ort, an denen sie Lebensmittel handeln oder ihre Zeit verbringen können. 


Die Bauernmärkte machten einen unbedeutenden Teil der nordkoreanischen Wirtschaft aus. Die Menschen kauften auf ihnen vor allem Produkte, die nicht vom Staat bereitgestellt wurden, oder verkauften Dinge, die sie nicht mehr brauchten. Die Situation änderte sich in den 90er Jahren. Immer mehr Menschen nutzten aufgrund der wirtschaftlichen Probleme die Märkte: 


Früher hing Nordkorea beim Erdöl zu mehr als 90 Prozent von China und der Sowjetunion ab. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen sozialistischen Staaten basierten auf dem “Freundschafts-Preissystem”. Nordkorea importierte zum Beispiel Öl von diesen Ländern zu “Freundschaftspreisen” oder sehr niedrigen Preisen oder in der Form von Darlehen. Mit dem Öl betrieb Nordkorea Düngemittelfabriken. Die Düngemittel spielten eine wichtige Rolle für die lokale Landwirtschaft. Nach dem Kollaps der sozialistischen Regime jedoch verlangten China und Russland von Nordkorea, das Öl zu internationalen Preisen zu kaufen. Für Nordkorea wurde es schwierig, Öl zu importieren. Als Folge dessen stoppte die Düngemittelproduktion, und die Agrarproduktion ging deutlich zurück. 


Naturkatastrophen verschlimmerten die Situation für die Menschen in Nordkorea zusätzlich. Die Hungerkrise in den 90er Jahren wurde auch als “mühsamer Marsch” bezeichnet. Das staatliche Verteilungssystem brach auseinander. Die Menschen mussten selber Dinge verkaufen, um an Nahrungsmittel zu gelangen, und die privaten Märkte wurden größer. Ende der 90er Jahre repräsentierten die Märkte einen großen Teil der Wirtschaft, ohne sie konnte die nordkoreanische Gesellschaft nicht mehr richtig funktionieren:


Es wird angenommen, dass 600.000 bis zwei Millionen Nordkoreaner während der Periode des mühsamen Marsches Mitte der 90er Jahre verhungerten. Die meisten von ihnen waren städtische Arbeiter. Die Menschen in den Bauerndörfern versorgten sich selbst mit Getreide und Kräutern auf den Feldern und Bergen. Viele Nordkoreaner verkauften ihre Haushaltsgeräte, um an Nahrungsmittel zu kommen. Wenn sie ihre letzten Sachen verkauften, endeten sie auf der Straße. Haushaltsgeräte wurden auf inoffiziellen Märkten von Mittelsmännern gehandelt. Es gab keinen legalen Rahmen, der die Marktaktivitäten regulierte, und es gab zu viele Schlupflöcher beim Vorgehen der Regierung gegen diese inoffiziellen, illegalen Aktivitäten. 


Um die Märkte zu kontrollieren, ging die Regierung mit verschärften Maßnahmen vor. Doch erwiesen sie sich angesichts des Widerstands von Bürgern und ihrer Weigerung, mit dem Staat zusammenzuarbeiten, als wenig effektiv. Die Märkte expandierten, und immer mehr Menschen beteiligten sich an den Marktaktivitäten. Das staatliche Verteilernetz wurden durch die Märkte ersetzt. Der Regierung blieb nichts anderes übrig, die Märkte zu tolerieren. Nordkorea legalisierte die Bauernmärkte 2003. Aus ihnen wurden allgemeine Märkte, auf denen verschiedene Produkte einschließlich Industriegütern gehandelt wurden. Allgemeine Märkte, die 2004 in jeder Provinz öffneten, hatten ein Dach und einen Zaun. Die offiziellen Märkte wurden durch die Managementbüros in den jeweiligen Regionen kontrolliert. Die Händler mussten sich eine offizielle Erlaubnis beschaffen, um einen Verkaufsstand zu haben, und sie bezahlten Gebühren für die Nutzung der Stände. Auch die Öffnungszeiten wurden durch das Büro reguliert: 


Nordkorea genehmigte die Märkte, weil die Einwohner ihren Lebensunterhalt durch die Marktaktivitäten bestritten. Darüber hinaus begann das Land damit, die Märkte als Quelle für Steuereinnahmen zu nutzen. Die Markt-Managementbüros sammelten täglich Gebühren von den Händlern ein. Verkäufer, die einen guten Standort auf dem Markt haben wollten, mussten sogar höhere Standgebühren zahlen. 


Die Händler auf den allgemeinen Märkten handelten mit verschiedenen Produkten, die von Lebensmitteln und täglichen Bedarfsartikeln zu Industriegütern reichten und selbst Waren einschlossen, die illegal verbreitet wurden. Einige Märkte in wichtigen Orten entwickelten sich zu Großhandelsmärkten, die eine wichtige Rolle beim Aufbau des nationalen Marktnetzwerks spielten. Solche Großhandelsmärkte gibt es in der nordöstlichen Stadt Chongjin sowie im nördlich von Pjöngjang gelegenen Pyongsong: 


Die Märkte in Chongjin verkaufen verschiedene Produkte, billige Verbrauchsgüter und teure Industriegüter eingeschlossen. Es gibt neun allgemeine Märkte in verschiedenen Bezirken der Stadt. Die Märkte handeln mit eigenen Produkten, darunter allgemeine Handelsware und Zollwaren. Mit anderen Worten, jeder Markt tendiert dahin, sich auf eine bestimmte Produktkategorie zu spezialisieren. Die Märkte in Chongjin verbreiten generell chinesische Importwarte unter den Nordkoreanern. Die Märkte in Pyongsong bieten ebenfalls importierte Waren aus China an, doch verkaufen sie vor allem einheimische Produkte. Lokale Fabriken, die sich nahe Pyongsong ballen, dienen als Produktionsbasis für Schuhe, die auf den Märkten landesweit vermarktet werden. 


Obwohl Nordkorea die Jangmadang genehmigte, regulierte es die privaten Märkte gemäß der politischen Richtung. Der Staat legte die Öffnungszeiten, die Zahl der Waren an einem Stand und selbst die Altersgrenze für Händler fest. Er versuchte, die Märkte durch die Währungsreform im November 2009 noch stärker zu kontrollieren: 


Die Verbreitung der Privatmärkte ebnete den Weg für eine neue wohlhabende Schicht, die auch als Donju bekannt ist. Ihre Markttransaktionen waren nicht transparent und sie verbargen viel Geld, was in einer galoppierenden Inflation mündete. Nordkorea führte eine Währungsreform ein, durch die die Geldscheine einen neuen Wert erhielten. Jeder Bürger konnte bis zu 300.000 Won tauschen, was bedeutete, dass das restliche Geld nichts mehr wert war. Der Zweck dieser drastischen Währungsreform war es, die Preise zu stabilisieren und das versteckte Geld reicher Leute zu konfiszieren. Die Reform stieß auf einen starken Widerstand der Märkte. Die Proteste auf den Märkten eskalierten zu einem Aufstand, der die Regierung schockte. Pak Nam-ki, der damalige Leiter für Planung und Finanzen in der Partei, wurde für die gescheiterte Reform verantwortlich gemacht. Durch seine Hinrichtung durch ein Erschießungskommando versuchte Nordkorea, die verärgerte Öffentlichkeit zu beruhigen. 


Die Regierung lockerte anschließend das Vorgehen gegen die Jangmadang und ihre Kontrolle der Märkte. Nach der Währungsreform misstrauten die Nordkoreaner der Landeswährung und nutzten stattdessen den chinesischen Yuan oder US-Dollar. Die Reform schadete für kurze Zeit den Märkten, doch später dehnten sie sich weiter aus: 


Die Marktzäune wurden ausgedehnt und größere, kuppfelförmige Dächer bedeckten die Marktplätze. Die Märkte wurden auf eine Weise neu angeordnet, dass sie mehr Stände unterbringen und mehr Waren anbieten konnten. Laut Daten von 2017 gab es in Nordkorea 404 allgemeine Märkte. Doch wenn man inoffizielle und kleinere hinzu zählt, ist die Zahl viel größer. Die Märkte boomen in dem kommunistischen Staat. 


Unter der Herrschaft des jetzigen Machthabers Kim Jong-un verfolgte Nordkorea zunächst eine marktfreundliche Politik und führte marktwirtschaftliche Elemente ein. Als Folge davon entwickelten sich die Jangmadang in unterschiedlichen Formen. Die Märkte werden voraussichtlich künftig eine noch größere Rolle für die Wirtschaft des Landes spielen: 


Die jüngste Politik Nordkoreas zeigt, dass der Staat im Marktbereich aktiver sein will. Doch heißt das nicht, dass der Staat die Märkte kontrolliert. Eher will er für sich Vorteile aus dem Marktmechanismus ziehen, sodass er so große finanzielle Ressourcen aufbauen kann wie möglich. Das ist Sozialismus nach chinesischem Vorbild. Früher stand die nordkoreanische Regierung außerhalb der Märkte und regulierte diese einfach, um Steuern einzunehmen. Doch jetzt bezieht der Staat die Märkte in den staatlichen Bereich ein, um sich Kapital zu beschaffen. Diese qualitative Veränderung verlor wegen der Covid-19-Pandemie in den vergangenen Jahren etwas an Schwung, weil der Handel mit anderen Ländern ausgesetzt wurde und die lokalen Märkte dadurch beeinträchtigt wurden. Zuletzt wurde der Güterzugverkehr zwischen Nordkorea und China wiederaufgenommen. Der Handelstransport begann vorerst in Sinuiju, doch scheint es so, als ob der Verkehr auch auf andere Regionen ausgeweitet wird, wenn es weitere Einrichtungen für die Desinfektion gibt. Ich denke, sobald sich der Handel mit China wieder normalisiert, wird Nordkorea eine klügere Marktpolitik ausarbeiten. 


Die Märkte haben sich in Nordkorea enorm entwickelt, seitdem sie das Land vor rund 20 Jahren legalisierte. Mehr als 70 Prozent der nordkoreanischen Flüchtlinge, die sich in Südkorea niedergelassen haben, sagen laut Umfragen, dass sie sich in ihrer alten Heimat an den Marktaktivitäten beteiligt hätten. Auf die Märkte entfällt jetzt ein bedeutender Teil des Einkommens der nordkoreanischen Haushalte und der Wirtschaft allgemein.

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